Altlasten und Rest-Posten-Recycling

CDU: Notdosen, LINKE: Story, SPD: Besinnung

Eine Fraktion fehlt im September-Amtsblatt. Genügend Gelegenheit also für leichte Lästereien. Es soll ja nicht langweilig bleiben in der Medienlandschaft unserer Stadt. Wer sich die Originalbeiträge auf den Fraktionsseiten zu Gemüte führen möchte, wird online mit den Suchbegriffen Amtsblatt und Dessau-Roßlau fündig.

Billig: Radler-Schutz und Notfalldosen

Nur fordern, was auch machbar ist. An dieses Motto will sich die CDU-Fraktion in der anstehenden Haushaltsdebatte halten, verkündet ihr Vorsitzender Heiko Adamek im September-Amtsblatt der Stadt Dessau-Roßlau. Die Christdemokraten knüpfen an ihr traditionelles Credo wirtschaftlicher und haushalterischer Disziplin an – und verknüpfen dasselbe mit praktischer Kreativität: Wenn der Ausbau des Radweges in Alt-Kochstedt kurzfristig nicht machbar (wahrscheinlich weil zu teuer) ist, kann ein Schutzstreifen für Radler*innen zumindest für etwas mehr Sicherheit sorgen. Die Fraktion wolle dieser Option „nachgehen“. Man darf gespannt sein, wie sie die Idee mit praktischer Initiative unterfüttert.

Weniger diszipliniert mutet der aufgewärmte Vorschlag an, die Stadtverwaltung möge kostenlose Notfalldosen ausgeben. Solche Dosen dienen der Aufbewahrung wichtiger Medikamente, damit Rettungskräfte diese im Falle eines Falles schnell finden. Die länglich geratene Gebrauchsanweisung (im Kühlschrank lagern) dazu erinnert an Artikel in einer Apothekenzeitschrift. Was das mit genuinen Aufgaben einer personell sowieso schon dünn aufgestellten Stadtverwaltung zu tun hat, bleibt das Geheimnis der Fraktion.

Sicherlich, die Döschen kosten nicht viel und sind ein nettes und von Apotheken oft als Werbegeschenk verteiltes Give-away. Kosten entstehen allerdings eher nicht durch die Beschaffung, sondern die entsprechende Administration und den damit verbundenen Arbeitsaufwand in der Verwaltung. Getreu dem Motto: Was ist die Steigerung von schlecht gemacht? Antwort: Gut gemeint.

Bunte knöpfen sich Blaune vor

Auseinander nimmt die „Bunte Fraktion“ (Grüne, FDP, Neues Forum-Bürgerliste) in ihrem Beitrag einen vermeintlichen Skandal: Den angeblichen Freibad-Sozial-Betrug. Entsprechende Gerüchte hatte die Blaune Fraktion (Partei mit blauen Logo und bräunlichen politischen Inhalten) gestreut und mit Fake-Beweisen garniert.

Die ebenso dilettantisch konstruierte wie dämlich initiierte Bade-Schmutzkampagne der Blaunen war schon in der örtlichen Zeitung als eben solche entlarvt worden (und das durchaus trocken). Aber gut, die Bunten zeigen zumindest den Willen, Propaganda und Desinformation entgegenzutreten. Ein zeitnah platzierter kerniger Kommentar per Leserbrief oder Pressemitteilung hätte wahrscheinlich mehr bewirkt, als das Ganze rückblickend aufzuwärmen. Aber: immerhin.

Kulturpass, Jugend und Kommunales

Was allerdings der folgende Hinweis auf den vom Bund initiierten und vergebenen Kulturpass genau mit Dessau-Roßlau zu tun hat, bleibt weitgehend neblig. Bereits im August unkte die lokale Presse, die hiesigen Angebote seien aufs Bauhaus und das Gartenreich beschränkt. Je öfter – und das ist die eigentliche Krux bei der Angelegenheit – sich die „normalen“ Fraktionen auf ihren Amtsblattseiten über Dinge auslassen, die keinen unmittelbaren Zusammenhang zur Stadt respektive zur Arbeit der jeweiligen Fraktion aufweisen, desto weiter steht das Tor offen für Falschmeldungen und Propaganda von einer Seite, die erst gar nicht vorgibt, in irgendeiner Weise konstruktiv mitzuwirken.

LINKE: Gut präsentierte Story

Geradezu professionelles Storytelling betreibt die LINKE und berichtet erst einmal von der Einschulung von „37 Kühnauer ABC Schützen“, um dann inhaltlich auf den Ortsentwicklungsplan des Jahres 2013 umzuschwenken. Dieser Plan war maßgeblich von Vertreterinnen und Vertretern der Partei im Ortschafts- und Stadtrat geprägt und erarbeitet worden. Damals stand die örtliche Grundschule vor dem Aus. Heute ist ihr Bestand jedenfalls vorläufig gesichert.

Als „Zwischenbilanz“ bezeichnet die LINKE ihren skizzenhaften Abgleich von Kommunalwahlprogramm 2019 und entsprechenden Beschlussvorlagen. Ermäßigte Parkkarten für ambulante Pflegedienste seien vom „inneren Wirkungskreis des Oberbürgermeisters abgelehnt“ worden. Eine nicht näher bezeichnete Vorlage zur „Verpachtung öffentlicher landwirtschaftlicher Nutzflächen“ wolle die Fraktion neu einreichen.

Konkrete Kommunalpolitik

Angesichts von der Stadt respektive dem Stadtrat an- und übernommener Beschlussvorlagen zur dauerhaften Bestellung eines Klimamanagers und zum Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide preist sich die LINKE selbst als besonders konstruktiv und beweint die ihr nicht gewidmete Aufmerksamkeit der lokalen Presse.

Nun gibt’s ja neben der irgendwo zwischen Lokalnachrichten, dem berühmten Kessel Buntes und Boulevard zu verortenden Zeitungsredaktion auch noch die kontinuierlichen steigenden Zugriffszahlen auf dieses Medium – und der Autor dieser Zeilen kann nicht verhehlen, dass die Fraktion der LINKEN tatsächlich kontinuierlich Rechenschaft über ihre politische Arbeit ab- und damit die sprichwörtliche Latte für andere Fraktionen hochlegt. Dafür gebührt der Fraktion Respekt.

Der Entsorger und die Altlasten

Redebeiträge vor allem sehr in der Vergangenheit verhafteter SED-Veteranen, die sich während des jüngsten Parteitages der LINKEN mit vierzigjähriger und längerer „Parteizugehörigkeit“ brüsteten, machen es Medienmenschen allerdings schwer, der Partei echtes politisches Gewicht beizumessen. Dass sich die Stadtratsfraktion von solcherlei DDR-Nostalgie abhebt, ist wahrscheinlich ihrem Vorsitzenden zuzuschreiben. Der kennt sich als Unternehmer in der Entsorgungs- und Recyclingbranche sicherlich mit dem fachgerechten Umgang mit Altlasten aus…

SPD: „Besinnungsaufsatz“

So leicht es einem die LINKE zuweilen macht, über sie zu lästern, so schwierig wird’s bei der SPD. Für die hat Ingolf Eichelberg eine komplette Amtsblattseite mit Lobhudelei über die Stadtmarketinggesellschaft gefüllt. Bei der hat er den Posten als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender inne. Eine Stimme aus der altehrwürdigen Partei selbst: Es handele sich um einen „Besinnungsaufsatz“. Prosa in Rosa sozusagen (so richtig rot kommt das Grußwort aus dem Aufsichtsrat nicht rüber). Man könnte eine Art politisches Recycling verbliebener Rest-Posten vermuten.

Pro Gewaltfreiheit – contra Behäbigkeit

Pro Dessau-Roßlau hat sich ausweislich des Berichts ihres Stadtrates Thomas Picek mit Beigeordneten und Dezernenten unterhalten, hatte aber anscheinend noch keine Zeit, daraus echte Forderungen abzuleiten. Anstatt von solchen zu schreiben, lässt die Fraktion wissen, was sie bewegt. Das mutet nett und gewaltfrei kommuniziert an, gibt aber keine Hinweise auf politische Vorhaben.

Dieselben werden aber wahrscheinlich überbewertet, denn, so lässt Marco Egelkraut wissen, in der Stadt ist „ganz schön was los“. Mit dem Verweis auf Konzerte und Feste kommt er zu dem Schluss, die Stadt sei „doch gar nicht so behäbig, wie mancher denkt“. Ach, wenn das doch auch für die Kommunalpolitik gälte…

Kein Blödsinn von den Blaunen

Wer nun Anmerkungen zur Blaunen Fraktion vermisst (das die Fraktion der Partei mit dem Blau im Logo und der bräunlich gefärbten Politik), die oder der sei vertröstet: Der Fraktion fiel anscheinend nichts ein. Oder sie wollte dem Autor dieser Zeilen nicht schon wieder eine Vorlage liefern…

Das Nazi-Flugblatt und der schweigende Oberbürgermeister

Robert Recks kommunikative Fehlleistung zu schutzsuchenden Jugendlichen in Roßlau

Es begann mit einem Neonazi-Flugblatt zu einer Asyl-WG und endet im Kommunikationsdesaster. Ohne Not redet die Beigeordnete für Soziales eine geplante Wohngemeinschaft für unbegleitete Jugendliche ins politische Desaster, die örtliche Zeitung ergeht sich in Sensationsgier und der Oberbürgermeister schweigt. Eine Woche des kommunikativen Chaos der Stadtverwaltung.

16. August 2023: Vereinzelt tauchen in Roßlau Flugblätter einer rechtsextremen Kleinstpartei auf. „Asylflut stoppen! Auch in unserer Region!“ heißt es. Urheber: Eine rechtsextreme Kleinstpartei. Laut Bundeszentrale für politische Bildung hat sie „ein stark neonazistisches Profil“. Auf den Flugblättern ist die Rede von einem „Asylheim“ für „sogenannte ‚minderjährige‘ Asylanten“. Es soll angeblich in Roßlau entstehen.

„Asylantenheim“ und Ahnungslosigkeit

22. August 2023: Sitzung des Ausschusses für Bürgeranliegen, öffentliche Sicherheit und Umwelt des Stadtrates Dessau-Roßlau. Ob in Roßlau ein „Asylantenheim“ geplant sei, will der Vertreter der Fraktion der Blaunen Partei (Partei mit blauem Logo und bräunlicher Ideologie) wissen. Der Beigeordnete für Bürgeranliegen, Sicherheit und Umweltschutz „weiß nicht, woher das Gerücht kommt“. Es gebe keine entsprechende Planung. Die Stadt verfolge das Konzept der dezentralen Unterbringung. Insofern könne von Heimen für Asylsuchende sowieso keine Rede sein.

26. August 2023: Die „Gerüchte“ zu einem angeblichen Heim für Schutzsuchende „sorgen für Unruhe“ titelt die lokale Presse. Oberbürgermeister Robert Reck weiß laut Bericht auch nichts. Er kenne „keinen Plan von einem neuen Heimstandort“. Ein solcher würde in den zuständigen Ausschüssen des Stadtrates vorgestellt. „Eine Vorlage“ entsprechenden Inhalts sei ihm nicht bekannt, sagt der OB laut Bericht, und betont, dass Vorlagen vor Beratung in den Dienstbesprechungen des OBs thematisiert würden. Allerdings habe man wegen der Flugblätter den Staatsschutz eingeschaltet.

Eter Hachmann, Beigeordnete für Soziales, belehrt lieber, als dass sie Auskunft erteilt: Laut Zeitung „riet [sie] (…) von einer Berichterstattung ab“ und vertröstete auf die kommende Woche. Dann habe sie „Zahlen und Fakten“, schreibt die Zeitung.

Nur ein Immobilienkauf

30. August 2023: Im Hauptausschuss greift der Führer der Blaunen Fraktion, Andreas Mrosek, das Thema erneut auf, fragt gleich zu Beginn nach dem angeblich geplanten Heim. Oberbürgermeister Robert Reck wiegelt ab. Von einem Heim wisse er nichts. Das infrage stehende Objekt in Roßlau sei von einem Freien Träger der Jugendhilfe gekauft worden, sagt die Bürgermeisterin und Beigeordnete für Bauen und Stadtgrün. In die Planung zur Nutzung des Objekts sei die Stadt derzeit nicht eingebunden. Anscheinend ist das Thema damit erledigt. Weit gefehlt…

Freie Träger: Privilegiert oder gewerblich

Was verbirgt sich hinter der Bezeichnung Freier Träger? Die Antwort gewinnt weiter unten Bedeutung. Kurz skizziert: Auf der öffentlichen, sprich staatlichen, Seite stehen die „Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe“. Das sind die Landesjugendämter und die örtlichen Jugendämter. Die Landesebene beaufsichtigt und koordiniert.

Zuständig für die Betreuung von Jugendlichen vor Ort sind die kommunalen Jugendämter. Sie erbringen entsprechende Leistungen in der Regel nicht selbst, sondern beauftragen und beaufsichtigen Freie Träger. Diese organisieren und betreiben zum Beispiel Wohngruppen für Jugendliche. Entsprechende Projekte müssen Freie Träger beim zuständigen Jugendamt beantragen und dabei Konzepte zu Betreuung und Organisation vorlegen.

Betreuung mit Gewinn

Freie Träger können gemeinnützig sein, dazu zählen kirchliche Organisationen wie Caritas und Diakonisches Werk, aber auch Hilfsorganisationen wie die Arbeiterwohlfahrt und das das Rote Kreuz. Die Gemeinnützigkeit dieser Träger ergibt sich aus der jeweiligen Rechtsform. Meist sind es gemeinnützige eingetragene Vereine (e.V.) oder gemeinnützige Gesellschaften mit beschränkter Haftung (gGmbH). Weil diese gemeinnützigen Träger Sitz und Stimme in den Jugendhilfeausschüssen der Jugendämter haben, gelten sie als privilegierte Träger.

Privat-gewerbliche Träger hingegen agieren mit Gewinnerzielungsabsicht; mit anderen Worten: Bei ihnen handelt es sich um Unternehmen, die Geld verdienen möchten; auch Betriebskindergärten gehören zu diesem Kreis. Diese privaten Träger müssen gegenüber den Jugendämtern Rechenschaft ablegen und Auskunft erteilen, sie sind nicht an Entscheidungsfindungen beteiligt, also nicht privilegiert. Ebenso wie gemeinnützige Freie Träger müssen gewerbliche Freie Träger qualifiziertes Personal und Konzepte vorweisen.

Vom Freibad zur Flüchtlingswohnung

Zurück zum Hauptausschuss: Mrosek wärmt den von seiner Partei während der Sommerpause inszenierten Pseudoskandal um angeblichen freien Eintritt in Freibäder für Asylsuchende auf. Das ist zwar längst widerlegt, aber darum geht es dem Blaunen-Führer offenbar auch gar nicht. Er nutzt das Thema, um wieder auf das angebliche „Asylheim“ zu kommen. Aus seiner Sicht „politischer Zündstoff vor Ort“. Wenn es um die Unterbringung von Asylsuchenden gehe, müssten die Einwohner quasi ein Mitspracherecht haben.

Geduldig erläutert Bürgermeisterin Lohde, Der Nutzungsantrag werde gemäß Bauordnungsrecht abgearbeitet. Die Nutzung eines Objekts als Wohnraum sei eine rein verwaltungsrechtliche Angelegenheit. Wohnen sei keine politische Angelegenheit, „egal wer wohnt“. Der Leiter des Schulverwaltungsamts, Stefan Kuras, sagt, ein Antrag auf Betreuung in dem Objekt von Kindern und Jugendlichen müsse beim Jugendamt gestellt werden, liege aber nicht vor. Die Zulassung als Freier Träger erteile das Landesjugendamt.

Bunte, SPD und Linke gegen Blaune

Silvia Koschig, für die Wählergemeinschaft Neues Forum-Bürgerliste Mitglied der Bunten Fraktion weiß anscheinend mehr. Sie berichtet, in dem umgebauten Objekt sollten Kinder unabhängig von ihrer Herkunft betreut werden. Es solle eine Hilfseinrichtung für gefährdete Kinder und Jugendliche werden.

Blaunen-Mann Mrosek giftet, nichtsdestoweniger würden Ausländer die „Straßen unsicher machen“. Einer offen neonazistischen Kleinstpartei und ihren Flugblättern will er wohl nicht das Feld überlassen. SPD-Fraktions-Chef Michael Fricke platzt der Kragen, schimpft: „Sie versuchen, mit dummem Gerede etwas am Kochen zu halten.“ Mrosek wolle einen Verwaltungsvorgang „politisch aufladen“. Ralf Schönemann, Vorsitzender der Linken-Fraktion, pflichtet ihm bei. Es gehe um Hilfe für gefährdete Kinder. Ende der Debatte.

Schlagzeile „Flüchtlings-WG“

1. September 2023: „Flüchtlings-WG in Roßlau“ macht die regionale Zeitung ihren Lokalteil auf und bezeichnet die Betreuung minderjähriger Asylbewerber als „Geschäft“, mit dem sich „viel Geld verdienen“ lasse. Grundlage ist offenbar ein Gespräch mit Eter Hachmann, der Beigeordneten für Soziales. Sie bewertet den Vorgang laut Bericht skeptisch. Mit sensationsheischenden Schlagzeilen kann man auch viel Geld verdienen.

An der Eignung des Objekts seien ebenso Zweifel angebracht wie am Ort an sich. Denn in Roßlau seien schon viele Unbegleitete Minderjährige Ausländer (UMA) untergebracht. Bislang zehn Personen in drei Wohngruppen. Für ganz Dessau-Roßlau zählt das Jugendamt 29 Personen. Verhindern könne die Stadt das Vorhaben laut Hachmann nicht und werde die Unterbringung auch gegen Widerstand der Bevölkerung durchsetzen, formuliert die Zeitung. Für die Sicherheit der Bevölkerung werde die Stadt aber sorgen.

Schweigen und Stolpern

Es bleibt gelindes Kopfschütteln. Wenn nicht mehr. Denn angesichts der skizzierten Fehlleistung in Sachen öffentlicher Kommunikation schüttelt es eher den ganzen Körper. Anstatt in der sich ankündigenden öffentliche Debatte offensiv und offen klare Akzente zu setzen, rennt die Stadtverwaltung den Ereignissen hinterher und verstolpert sich dabei aufs Ungeschickteste. Wobei: Was für Ereignisse? Es hat sich noch gar nichts ereignet.

Ein völkisch-neonazistisches Grüppchen hat ein hetzerisches Pamphlet verteilt. Etablierte örtliche Vertreter ähnlichen Gedankenguts wollen sich das Thema nicht wegnehmen lassen und blasen es mit einigen ideologisch unterfütterten Fragen zur Stadtaffäre auf. Die örtliche Presse wittert eine Chance, mit reißerischer Schlagzeile Auflage zu schinden. Eine Beigeordnete geriert sich, die Verwaltung und damit die Stadt als Opfer. Und der Oberbürgermeister schweigt.

Kommunikation ist Führung

Es ist kaum anzunehmen, dass das Vorhaben, einige Jugendliche in einer betreuten Wohngruppe in Roßlau unterzubringen, der Stadt erst seit Erscheinen des ominösen Flugblattes bekannt war. Sehr wohl ist aber angesichts der bisherigen Entwicklung davon auszugehen, dass es keine Vorüberlegungen – geschweige denn ein Konzept – dazu gegeben hat und gibt, wie die Stadtverwaltung das Vorhaben kommunizieren will.

In der demokratischen Debatte ist Führung im besten Sinne gleichzusetzen mit Kommunikation. Kommunikation erfordert ein Konzept. Ein solches Konzept beinhaltet klare Orientierungshilfe zu Kernbotschaften. Fachleute sprechen vom Agenda-Setting. Eine mögliche Agenda blinzelte zu Beginn sogar schüchtern durch den Vorhang des orientierungslosen Schweigens hindurch: Dezentrale Unterbringung.

Keine Heime in Dessau-Roßlau

In Dessau-Roßlau gibt es keine „Heime“, in denen Dutzende Schutzsuchende menschenunwürdig zusammengepfercht vegetieren. Dezentrale Unterbringung in kleinen Wohneinheiten gilt als Schlüssel zu gelingender Integration, weil sie den Menschen Eigenständigkeit, Privatsphäre und Würde bietet. Der für die neue Wohnung in Roßlau vorgesehene Träger hat offenbar Erfahrung. Die gesetzlichen Grundlagen sind klar und eindeutig.

All das hätte von Vornherein klar und deutlich kommuniziert werden können. Nicht von nachgeordneten Funktionsträgern in der Verwaltung, sondern von der Spitze derselben. Vom Hauptverwaltungsbeamten. Vom Oberbürgermeister. Der macht sich – ganz Staatsmann – lieber Gedanken um den Koalitionsvertrag der Regierungsparteien im Landtag und darum, dass dieser Vertrag für Dessau-Roßlaus Kultur (Stichwort: Übernahme der Gemäldesammlung und Zuschüsse fürs Anhaltische Theater – das Thema kommt in einem anderen Beitrag dran) irgendwie ungünstig sei.

Kommunikative Fehlleistung

Spätestens seit der Einbindung des Staatsschutzes angesichts der Neonazi-Propaganda hätte Robert Reck als oberster Vertreter nicht nur der Stadtverwaltung, sondern gleichsam als Repräsentant des demokratischen Souveräns die Führung übernehmen müssen. Wenn ihm schon augenscheinlich der politische Instinkt fehlt zu erkennen, wo sich eine gelinde Krise zusammenbraut, hätte er das Mittel der Wahl in der demokratischen politischen Auseinandersetzung ergreifen müssen, um sich vor Demokratie und Gesetz zu stellen: das klare und unmissverständliche Wort.

Doch Reck schweigt. Mehr und schlimmer noch: Er lässt Vertreter*innen der Verwaltung ohne Deckung ins kommunikative Desaster stolpern. Die Schlagzeile gewordene kommunikative Fehlleistung der Beigeordneten für Soziales ist letztlich fehlender Führungsverantwortung des Oberbürgermeisters geschuldet.

Konzentration?

Angesichts von sage und schreibe insgesamt zehn Jugendlichen von „Konzentration“ zu sprechen (so gibt die Zeitung Hachmanns Einlassungen wider), angesichts von drei Wohngemeinschaften dort eine „Verteilung“ zu fordern, ist dermaßen ungeschickt (gelinde ausgedrückt), da fällt die augenscheinlich fehlende Information und Maßgabe zur Kommunikation für den der Beigeordneten unterstellten Schulamtsleiter kaum noch ins Gewicht.

Zu Hachmanns Entschuldigung kann man höchstens annehmen, dass sie es in Sachen kommunikativer Orientierung für ihren Verantwortungsbereich ihrem Chef gleichgetan hat. Mit dem einen Unterschied, dass der OB beim Schweigen bleibt, während Hachmann sich um Kopf und Kragen und die Sache unangespitzt in Grund und Boden redet.

Regenbogenschule: Reck weiß nichts von OB-Vorlagen

Der OB kennt keine Vorlagen, die Verwaltung präsentiert falsche Kosten, Förderprogramme ignoriert man

Robert Reck weiß von nichts. Er wisse nicht, warum für die neue Regenbogenschule 78 Quadratmeter große Klassenzimmer vorgesehen sind, sagt er der örtlichen Zeitung. Das „enorme Raumprogramm“ der vorliegenden Planungen wolle er deshalb „hinterfragen“. Über den Platzbedarf habe man sich noch nicht unterhalten. Eingebrachte Vorlagen des Oberbürgermeisters beweisen das Gegenteil. Sie waren Grundlage für den Stadtratsbeschluss Bernburger Straße.

Reck will die Regenbogenschule am bisherigen Standort erhalten. Schwerst körperlich beeinträchtigte Schüler*innen will er während der Umbauphase in einen Ausweichstandort verfrachten, für „ein bis zwei Jahre“. Nach der Umbauzeit sollen die Kinder am alten Standort in kleineren Räumen unterrichtet werden als im bisherigen Konzept geplant.

DeRoPolis dokumentiert die bisherigen Vorgänge und die Aktenlage.

Februar 2022: Kriterien für Standort

8. Februar 2022. Der Stadtrat berät die Beschlussvorlage mit der Drucksachennummer BV/387/2021/V-40. Einreicher: Der Oberbürgermeister. Seit August 2021 Robert Reck. Gegenstand der Vorlage: Eine „wirtschaftliche Untersuchung eines neuen Standortes für die Schule für Geistigbehinderte (Regenbogenschule)“. Die Studie soll im August des selben Jahres vorliegen. Der Stadtrat stimmt zu.

Anlage 3 zur Beschlussvorlage aus Februar 2022: Eine tabellarische Aufstellung der „Kriterien für Standortentscheidung (Stand: 07.12.2021)“. Darin aufgeführt: Die Größe der infrage kommenden Grundstücke. Am bisherigen Standort Breite Straße 8.358 Quadratmeter. An der Bernburger Straße 21.904 Quadratmeter. An beiden Standorten liegt je ein „städtebaulicher Missstand“ vor. Zum Punkt „Planungsrecht“: Voraussetzungen für Bauvorhaben sind an beiden Standorten gegeben. Für die Bernburger Straße führt die Tabelle zusätzlich den Punkt „Quartierskonzept Leipziger Tor“ an; „Ziel: Quartiersbezogene Angebote der Grundschulbildung und für das Gemeinwesen“.

Sporthalle und Teilhabe

An beiden Standorten muss laut Anlage jeweils eine neue Sporthalle gebaut werden. Die Doppelnutzung der Sporthalle am Friederikenplatz sei am Standort Breite Straße nicht ausreichend. An der Bernburger Straße ist eine „Sporthallenruine auf dem Grundstück“ vorhanden. Um den Sportplatz am Friederikenplatz zu erreichen, müssen Schüler*innen rund einen halben Kilometer zurücklegen. Auf dem Gelände an der Bernburger Straße ist ein Sportplatz vorhanden.

Auch kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe soll den Kindern am jeweiligen Schulstandort möglich sein. Von der Breiten Straße aus soll dies laut Tabelle mittels der Nähe der Zerbster Straße (ca. 540 Meter Entfernung) gewährleistet sein. An der Bernburger Straße liegt in 350 Metern Entfernung der Thomas-Müntzer-Jugendclub.

Prüfergebnis unter Berücksichtigung aller betrachteten Faktoren laut der vom Oberbürgermeister eingebrachten Beschlussvorlage: Breite Straße – nicht geeignet. Bernburger Straße – geeignet.

April 2023: Studie im Stadtrat nicht bekannt

April 2023. Die örtliche Presse berichtet von Unmut seitens Stadträtinnen und -räten im Hauptausschuss. Grund: Dem Stadtrat ist die per Beschluss vom Februar 2022 (siehe oben) beauftragte Machbarkeitsstudie zum neuen Standort der Regenbogenschule nicht bekannt.

Mai 2023: Breite Straße nicht vertretbar

Mai 2023. Im Ausschuss für Gesundheit, Bildung und Soziales reicht der Oberbürgermeister Drucksache Nummer IV/026/2023/IV-40 als Vorlage ein. Titel: „Sachstand zur Standortentscheidung Förderschule für Geistigbehinderte.“ Thema: „Die Stadtverwaltung informiert über den Sachstand des Standortvergleichs sowie über neue Erkenntnisse und die daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen.“

Fazit der Verwaltung: Am Standort Breite Straße „ist eine vollständige Unterbringung des Raumprogramms (…) aus städtebaulichen und stadtökologischen Gründen nicht vertretbar“. Der Bau würde den durchgängigen Grünzug am Friederikenplatz „zerschneiden“. Fördermittel beispielsweise vom Land könnten nur in Anspruch genommen werden, wenn zuvor das Integrierte Stadtentwicklungskonzept und der Fördergebietskulisse angepasst werden. Klimaneutrale Bauweise sei nur eingeschränkt möglich. Der Baugrund berge Risiken.

Zum Standort Bernburger Straße schreibt die Verwaltung: „(…) ist für die geplante Nutzung sehr gut geeignet.“ Vorteile seien insbesondere, dass Schulgebäude und Sportanlagen auf einem Grundstück lägen, die Gebäude klimaneutral konzipiert werden könnten und keine Interimsunterbringung der Schüler*innen notwendig wäre.

40 Millionen Euro kosten

Für „alle betrachteten Varianten“ (also beide hier angesprochenen Standorte) lägen die Kosten bei rund 40 Millionen Euro zuzüglich rund vier Millionen Euro für klimagerechte Bauweise. Bis zum Jahr 2026 habe die Stadt 15 Millionen Euro eingeplant. Förderprogramme seien nicht vorhanden. Im ungünstigsten Falle müsse die Stadt die komplette Summe selbst aufbringen. Das klingt erst einmal sehr pessimistisch.

Aber die Verwaltung schreibt weiter: „Im weiteren Verfahren müssen eventuelle städtebauliche, energetische und schulbauliche Finanzierungsmöglichkeiten über Land und Bund weiter intensiv verfolgt werden.“ Denn sie sieht „für den Standort Bernburger Straße gute Fördermöglichkeiten im Rahmen der Städtebauförderung („Sozialer Zusammenhalt“) und auch für nachhaltiges, klimaneutrales Bauen“. Die Lage ist also zumindest nicht hoffnungslos.

Vergleichen und sparen

Hoffnung hegt die Verwaltung insbesondere hinsichtlich der Gesamtbaukosten. Die sollten reduziert werden. Dazu „wurde die Aufgabenstellung noch einmal grundsätzlich hinterfragt, um mögliche Einsparpotentiale aufzeigen zu können.“ Zum Hinterfragen gehöre „eine Betrachtung von Neubauten in anderen Gemeinden“ sowie „eine Überprüfung der Flächen- und Kostenkennziffern“. Mit anderen Worten: Schauen, was andere machen und selbst kleiner und billiger bauen.

Vier Bauvorhaben für Förderschulen führt die Verwaltung auf. In Senftenberg, Cuxhaven, Celle und Berlin. Jedes einzelne weist eine kleinere Baufläche auf als für die Regenbogenschule (10.000 Quadratmeter) geplant. Das mit 4.500 Quadratmetern kleinste Vergleichsprojekt in Cuxhaven ist mit 38 Millionen Euro (Stand 2023) das teuerste.

Referenzobjekt zu billig veranschlagt

Als Referenzprojekt ausgewählt hat die Verwaltung die zum Zeitpunkt der Vorlage im Bau befindliche Panke-Förderschule Berlin mit 8.700 Quadratmetern Baufläche und Kosten von angeblich nur 27,5 Millionen Euro. Die Verwaltung merkt dazu an: „In einem Zeitungsartikel war von erheblichen Mehrkosten zu lesen, dem konnte aber noch nicht weiter nachgegangen werden.“

Die angegebene Summe stammt aus der Auslobung des Bauprojekts aus dem Jahre 2017. Am 8. Juni 2023 veranschlagt das Bezirksamt Pankow in Berlin die Baukosten für die Panke-Schule in einer Pressemitteilung zur Eröffnung der Schule mit 47 Millionen Euro. Die Dessau-Roßlauer Verwaltung will im März 2023 nicht gemerkt haben, dass Kosten für die Schule in Berlin seit 2017 um 20 Millionen Euro gestiegen sind und rechnet und vergleicht fröhlich mit einer Fantasie-Summe. Dazu später mehr.

eigentlich unvergleichbar

So richtig vergleichen könne man die Berliner Schule aber sowieso nicht mit der Regenbogenschule. Denn in Berlin Pankow werden keine Schüler*innen unterrichtet, die aufgrund schwerer körperlicher Beeinträchtigungen auch im Klassenraum in Spezialbetten liegen müssen. In Pankow wurden deshalb von vornherein kleinere Räume geplant. Günstiger sind die aber auch nur, wenn man die von der Dessau-Roßlauer Verwaltung um schlappe 20 Millionen Euro zu billig angesetzten Kosten zugrunde legt.

Juni 2023: Stadtratsbeschluss

Juni 2023. Der Stadtrat beschließt: An der Bernburger Straße soll ein Neubau für die chronisch überlastete Regenbogenschule entstehen. Grundlage des Beschlusses ist die von OB Reck initiierte Studie zur wirtschaftlichen Machbarkeit.

Juli 2023: Widerspruch des OB

Juli 2023. Oberbürgermeister Reck legt Widerspruch gegen den Beschluss des Stadtrates ein. Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, Paragraf 65, Absatz 3: „Der Hauptverwaltungsbeamte muss Beschlüssen der Vertretung widersprechen, wenn er der Auffassung ist, dass diese rechtswidrig sind. Er kann Beschlüssen widersprechen, wenn diese für die Kommune nachteilig sind.“ Reck begründet seinen Widerspruch zunächst nicht.

August 2023: Reck kennt eigene Vorlage nicht

August 2023. Laut Bericht der örtlichen Zeitung weiß OB Reck nicht, warum die Ersteller der Machbarkeitsstudie zur Regenbogenschule die Größe der Sporthalle „über dem geforderten Maß“ angesetzt hätten. Wieso die Studie mit einer Klassenraumgröße von 78 Quadratmetern (dem laut Zeitungsbericht „oberen Rand der Vorgabe“) geplant habe, weiß Reck auch nicht. Sagt er jedenfalls der Zeitung. Also der Öffentlichkeit. Die Zeitung zitiert Reck mit dem Satz „Da müssen Sie diejenigen fragen, die die Studie gemacht haben.“

Kennt Reck die Vorlagen seines eigenen Hauses nicht? Der besagten Drucksache Nummer IV/026/2023/IV-40 liegt die Studie der beauftragten arc architekturconzept GmbH aus Magdeburg bei (Anlage 2 Studie). Auf Seite 11 führt die Studie unter der Überschrift „Zusatzinformation zur Aufgabenstellung: Neue GB-Schule“ (GB steht augenscheinlich für Geistigbehinderte): „Anzahl der zu schaffenden Klassenräume: 20. Größe: Ca. 80 m2 je Raum, quadratische Grundfläche bevorzugt, 9m x 9m“ – und neun mal neun Meter ergibt sogar 81 Quadratmeter. Herr Reck wusste das nicht?

Auf der selben, von den Erstellern der Studie als Kopie eingefügten Seite: „Jede Klasse benötigt einen zugehörigen Lagerraum. (Teilung zwischen zwei Klassen möglich.) Größe: ca. 20 m2“ (Hervorhebungen im Original). Wer diese Zusatzinformationen verfasst hat, geht aus der Unterlage nicht hervor. Die Studienersteller waren es offensichtlich nicht. Auf den Seiten 12 bis 15 folgt ein Schreiben mit dem Titel „Kriterien zur Standortwahl Regenbogenschule. Förderschule für Geistigbehinderte“ auf dem Briefpapier der Schule, mit Namensangabe der Schulleiterin, datiert auf den 14.10.2021. Herr Reck wusste das nicht?

Landesschulamt: Stempel für Raumprogramm

Nach der Kapitelüberschrift „02 Anerkanntes Raumprogramm“ auf Seite 18 führt die Studie auf den Seiten 19 bis 23 das „Raumprogramm“ der neuen Regenbogenschule tabellarisch und mit einer ergänzenden Skizze versehen auf. Jede einzelne Seite ist abgestempelt vom „Landesschulamt, Nebenstelle Dessau-Roßlau, Nantegasse 6, 06844 Dessau-Roßlau“. Die Größe jedes einzelnen Klassenraums ist mit 78 Quadratmetern angegeben. Herr Reck wusste das nicht?

Robert Reck sagt der Zeitung laut Bericht vom 26. August 2023, man sei „noch nicht einmal ins Gespräch über die Größe der Schule gekommen“ und fordert, „das enorme Raumprogramm zu hinterfragen“. Der skizzierten Aktenlage nach bestand der einzige Grund, etwas zu hinterfragen, in dem angenommenen, aber nicht existenten enormen Kostenunterschied zwischen der Dessau-Roßlauer Kalkulation und jener der Berliner.

Berlin: 20 Millionen mehrkosten verschwiegen

Nur war die Kalkulation aus Berlin eben schon lange Makulatur und wich von vornherein von dem hiesigen Konzept ab, weil in Berlin schlicht keine größeren Räume gebraucht wurden und werden. Es liegt der Verdacht nahe, mit der Hinterfragerei sollen Stadtrat und Öffentlichkeit hinter die Fichte geführt werden.

Unverdrossen behauptet Reck, eine Verlegung der Regenbogenschule an die Bernburger Straße schade der (Innen-)Stadt, weil dann an der Breiten Straße ein Leerstand entstehe. Laut Anlage 3 zur Drucksache BV/387/2021/V-40 aus Februar 2023 ist aber auch der derzeitige Zustand des Areals an der Bernburger Straße ein „städtebaulicher Misstand“. Der würde mit dem Neubau beseitigt. Profitieren würde davon das Quartier Leipziger Tor. Dessen Entwicklung ist angeblich ein Schwerpunkt in der Stadtentwicklung.

Eigentümer zeigt interesse, Reck will

Nicht profitieren würde vom Standort Bernburger Straße allerdings „der Eigentümer von Nachbargrundstücken der Breiten Straße“. Dieser nicht näher bezeichnete Eigentümer hat laut Drucksache Nummer IV/026/2023/IV-40 aus Mai 2023 „Interesse an einer gemeinsamen Entwicklung des Standorts signalisiert“. Die Stadtverwaltung werde deshalb im Gespräch mit diesem Eigentümer „bislang nicht bekannte Synergien“ ausloten. Aber: „Andererseits würde der Erwerb von Grundstücken zu zusätzlichem Zeitaufwand führen und weitere Kosten verursachen.“ All das steht im Papier der Verwaltung.

Bei diesem Eigentümer kann es sich nur um die stadteigene Dessauer Wohnungsbaugesellschaft GmbH (DWG) handeln (DeRoPolis berichtete). Andere Wohnungsunternehmen mit Bestand in der Nachbarschaft bestreiten vehement, Wohnungsblöcke verkaufen zu wollen. Das Platzproblem der Schule an der Breiten Straße ist damit quasi unlösbar.

Rechtswidrig ist der Beschluss des Stadtrates zum Neubau an der Bernburger Straße offenbar nicht. Die Planungen sind mitsamt der von Robert Reck bemängelten Raumgröße schlüssig gemäß pädagogischen Notwendigkeiten dargelegt. Das Landesschulamt hat das Ganze billigend zur Kenntnis genommen (siehe oben). Laut Kommunalverfassung muss Reck also nicht widersprechen. Er will es.

drei Faktoren

Recks Wille zum Widerspruch kann rational nur mit drei Faktoren erklärt werden, aus denen er Nachteile für die Stadt ableitet: 1. Er nimmt an, dass in Dessau-Roßlau im Vergleich zu den angenommenen Kosten für die eigentlich als Vergleichsobjekt ungeeignete Schule in Berlin zu teuer kalkuliert wurde. 2. Er will Leerstände in Innenstadtnähe um jeden Preis vermeiden, um sein Wahlversprechen der Förderung der Innenstadt zumindest pro forma zu erfüllen. 3. Er will den Schulneubau an der Breiten Straße als Beitrag zur Sanierung der DWG nutzen, denn die könnte weitgehend leerstehende Wohnungsblöcke günstig an die Stadt, ihre Eigentümerin verscherbeln.

Faktor 1. läuft ins Leere, weil die Verwaltung ohne weitere Prüfung von einem viel zu geringen Kostenansatz für die Vergleichsschule in Berlin ausgegangen ist. Tatsächlich ist die dortige kleinere Schule Stand heute teurer als die für die neue Regenbogenschule veranschlagte Summe. Faktor 2. zeigte Recks Desinteresse an der Entwicklung des Quartiers Leipziger Tor, das von der Schule an der Bernburger Straße nachhaltig profitierte. Faktor 3. bewiese ein rein technokratisches Verständnis von Stadtentwicklung, in dem Kinder und pädagogische Notwendigkeiten bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielen.

Studie: Sieben Förderprogramme

Wenn Einzelheiten zum Schulneubau der Regenbogenschule bislang nicht ausreichend gewürdigt worden sind, gilt das augenscheinlich vor allem für mögliche Förderungen des Baus mit Landes- und Bundesmitteln. Sieben (als Ziffer: 7) Förderprogramme führt die Machbarkeitsstudie auf Seite 52 an, versehen mit der Anmerkung „Zuarbeit Klimaschutzmanager der Stadt Dessau-Roßlau“.

Die Programme sind allesamt für die Förderung klimaneutraler Bauten gedacht. Zum Tragen kämen die entsprechenden Zuschüsse vor allem bei einem Neubau am Standort Bernburger Straße. Denn in der Breiten Straße ließe sich klimaneutrale Bauweise laut Machbarkeitsstudie nur unzureichend realisieren.

Kennt Reck auch diese Empfehlungen aus seiner Verwaltung nicht? Oder ignoriert er sie, weil die Zuschüsse eben am ehesten an der Bernburger Straße fließen würden? Wie dem auch sei, angesprochen hat Reck diese Finanzierungsmöglichkeiten jedenfalls bislang öffentlich nicht. Vergäbe der Oberbürgermeister diese Chancen, Gelder für die Stadt zu sichern, wäre das auf jeden Fall ein Nachteil für die Stadt – und für die Kinder.

Recks Rechtsauffassung

Es bleibt die Frage, ob auch Recks Interpretation der rechtlichen Grundlagen für seinen Widerspruch auf Unwissenheit beruht oder er sich absichtlich im Ungefähren bewegt. Gegenüber der örtlichen Zeitung gibt der OB zu verstehen, er müsse seinen Widerspruch „aus rechtlichen Gründen“ aufrecht erhalten – schreibt jedenfalls das Blatt. Gleichsam wolle Reck aber nicht durch alle Instanzen gehen. Als ob es dem OB obliegt zu bestimmen, bis zu welchem Grad öffentliches Recht gilt.

Wenn ein Ratsbeschluss rechtswidrig ist, muss der OB als Hauptverwaltungsbeamter Widerspruch einlegen, sagt die Kommunalverfassung. Täte er es nicht, verletzte er seine Dienstpflicht. Ein solcher Rechtsverstoß muss von Amts wegen verfolgt und korrigiert werden. Politischen Spielraum gibt es dabei nicht.

Politisch nackig

Macht der OB aber von seinem Kann-Recht zum Widerspruch Gebrauch, weil er einen Ratsbeschluss politisch als nachteilig bewertet, muss sich der Stadtrat erneut mit der Thematik befassen und kann den OB überstimmen. Dann gibt es keinen Rechtsweg und keine Instanzen. Dann ist es Politik. Ein überstimmter OB hat sich im Zweifelsfall schlicht politisch entblößt. Und sei es, weil er die Vorlagen der eigenen Verwaltung unter Nichtwissen verbucht.

Recks gnädige Ankündigung, seinen Widerspruch nicht „durch alle Instanzen“ – die es in dieser politischen Causa offenbar gar nicht gibt, denn Rechtsinstanzen kommen angesichts fehlender Rechtsverletzung ga nicht zum Tragen – zu verfolgen, ist eine rhetorische Nebelkerze. Der Nebel des angeblichen Nichtwissens soll seine politische Blöße verhüllen. Bleibt zu hoffen, dass der Stadtrat das Nebelhorn erklingen lässt, das dem OB Orientierung bietet.

Eis wächst, Hirn schmilzt – AfD-Propaganda mit amtlichem Segen

Mrosek, Eis und Klimawandel – Propaganda, Stadt und Verantwortung – Wachsendes Eis, schmelzender Verstand

Die Blaunen, von denen hier die Schreibe ist, sind jene Partei, die im Logo an der Farbe Blau und hinsichtlich ihrer politischen Ausrichtung an einer an Erdtöne erinnernden Farbe zu erkennen ist.

Das Amtsblatt der Stadt Dessau-Roßlau, auf das sich dieser Beitrag bezieht, finden Sie in Ihrem Briefkasten oder online – einfach per Suchmaschine nach Amtsblatt und Ort suchen.

Die Blaune Partei ist lernfähig. Zumindest in Dessau-Roßlau. Solch eine Feststellung hätten Sie, werte Leser*innen nicht auf diesem Blog erwartet? Nun, wir müssen ja nicht nur den Tatsachen in die Pupille blicken, sondern neben gutem Willen auch pädagogische Grundsätze berücksichtigen. Und die besagen nun einmal, jeder Kritik sollte ein Lob vorgeschaltet werden. Schon wegen der Erwartungshaltung der Angesprochenen. Die soll quasi geöffnet werden, um der Erkenntnis den Weg zu bahnen. Das gilt übrigens nicht nur für die Blaunen-Beiträge im städtischen Amtsblatt, sondern auch für dessen Herausgeberin, die Stadtverwaltung. Dazu später mehr.

Die Erde ist rund!

Worin also besteht der Erkenntniszuwachs bei den Blaunen, namentlich bei ihrem örtlichen Führer, dem Vorsitzenden der Blaunen Stadtratsfraktion Andreas Mrosek? (*Trommelwirbel*)

Die Erde ist rund! Der gelernte Nautiker Mrosek – alias Käpt’n Blaunbär – hat erkannt: Die Erde ist ein Ball. Wer nach Süden fährt und die Reise lange genug geradeaus fortsetzt, kommt sozusagen mit kleinem Umweg irgendwann am Nordpol an. Nun gilt es nur noch, an Feinheiten zu feilen. Im vorliegenden Fall an der Vorsilbe „Ant-“. Die wechselt nämlich auch bei einer in Richtung Süden beginnenden und in der Arktis endenden Erdumrundung weder Bedeutung noch Polkappe.

Nordpol? Südpol? Hauptsache Eis.

Bitte was? Nun ja, wir müssen uns wohl kurz in eine von alternativen Fakten geprägte Gedankenwelt versetzen: Getreu dem Motto „egal, ob Nord oder Süd, Hauptsache Eis“ zitiert Mrosek in der August-Ausgabe des örtlichen Amtsblatts eine Studie der European Geosciences Union (EGU). Sie belege, dass es den Klimawandel nicht gebe. Angeblicher Beweis: Die Fläche des arktischen Eises (also am Nordpol) sei seit 2009 um 5.305 Quadratkilometer gewachsen und habe 661 Gigatonnen Masse zugelegt, schreibt Mrosek.

Das ist Nonsens. Die EGU hatte die Eismassen der Antarktis (Südpol) untersucht. Zwar stimmen die von Mrosek zitierten Zahlenangaben zu Wachstum von Masse und Fläche des Eises. Die geografische Zuordnung ist jedoch ebenso falsch wie der vom blaunen Unterführer konstruierte Zusammenhang zur angeblich nicht vorhandenen Erderwärmung. Die Behauptung, die Studie widerlege den Klimawandel, ist reine Fantasie. Was aber stimmt?

Kalbende gletscher

Auf der frei zugänglichen Wissenschaftswebsite „copernicus.org“ stellt die EGU eine Studie vor, die die wissenschaftliche Methodik zur Messung und Bewertung des Abbruchverhaltens antarktischer Eismassen untersucht. Hintergrund: Von polarem Eis (egal ob am Nord- oder Südpol) abbrechende Eisberge (Glaziologen sprechen vom Kalben der Gletscher) schmelzen relativ schnell ab und tragen zum Steigen der globalen Meerespegel bei. Wichtigste Erkenntnis der Forscher*innen: Um valide Aussagen über den langfristigen Einfluss des Kalbungsverhalten treffen zu können, müssen bislang kaum berücksichtigte Daten aus der Beobachtung der Pole per Satellit ausgewertet und in neue Berechnungsmodelle übertragen werden.

Für den Zeitraum 2009 bis 2019 haben die Forscher*innen entsprechende Daten zur Entwicklung des gesamten antarktischen Eisschildes ausgewertet. Eine laut Studie neue Methode. Üblich sei bislang die Betrachtung einzelner, regionaler Eisplatten. 34 Eisschelfe wurden binnen der zehn Jahre untersucht. Allein 2017 seien 5.917 Quadratkilometer Eis bei einer einzigen Kalbung des Larsen-C-Schelfs im Weddel-Meer abgebrochen. Der entstandene und seither abschmelzende Eisberg war doppelt so groß wie das Saarland. Zahlreiche Medien berichteten auch in Deutschland über das Ereignis.

Gelegenheit macht Eisberge

Insgesamt allerdings seien Masse und Fläche des gesamten antarktischen Eises im fraglichen Zeitraum tatsächlich um die oben genannten Werte gewachsen.

Betrachten wir diese Entwicklung mit ein bisschen Logik und Grundkenntnissen aus dem Matheunterricht der Mittelstufe: Wächst eine Fläche, vergrößert sich ihr Umfang. Mit dem Flächenwachstum des antarktischen Eispanzers geht die Vergrößerung seines Umfangs einher. Ergo verlängert sich die Eisküste, von der Eisberge abbrechen können. Die Wahrscheinlichkeit wächst, dass Schelfe kalben und riesige Eismassen immer schneller abtauen. Vor allem in der Westantarktistark. Die dortigen Seegebiete erwärmen sich besonders rasant. Grund sind offenbar Tiefenströmungen im Meer. Diese Erwärmung haben Wissenschaftler*innen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung schon 2014 nachgewiesen und betrachten sie als Folge des Klimawandels. Gerade die kurzfristig gewachsende Eisfläche erhöht also den Abschmelzbeitrag zum steigenden Meeresspiegel. Gelegenheit macht Eisberge. Nach 2019 erhobene Daten belegen die Richtigkeit dieser Schlussfolgerung.

2023: Spektakulärer Verlust an Eis

Keine einzige Silbe der EGU-Forscher*innen legt nahe, die binnen zehn Jahren gemessene Zunahme der gesamten antarktischen Eismasse widerlege den Klimawandel. Dafür wäre der Betrachtungszeitraum viel zu kurz. Globale Entwicklungen spielen sich nicht binnen eines willkürlich gewählten Jahrzehnts ab. Deshalb schlägt die Studie vor, die vorgestellte wissenschaftliche Methodik auf längere Zeiträume anzuwenden und dafür ältere Daten aus der Satellitenbeobachtung auszuwerten.

2022 wich die Eismasse in der Antarktis bereits erheblich vom Durchschnittswert ab – nach unten. Der Eispanzer war merklich geschrumpft. Seit Mitte Mai 2023 ist im Vergleich zum Mittelwert früherer Jahrzehnte um ein Vielfaches weniger Eis in der Arktis vorhanden – und der Trend setzt sich ausweislich jüngster Daten immer schneller fort. „Spektakulär“ und „beunruhigend“ findet das der Bremer Professor für Meereseisphysik Christian Haas laut jüngster Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung. Ein Zusammenhang zum Klimawandel sei nicht auszuschließen.

Käpt’n Blaunbärs Eisbärenfell

Käpt’n Blaunbärs (Mrosek ist Nautiker) angeblich wissenschaftlich fundierte Behauptung, das offenbar nur temporäre Wachstum des Eisschildes widerlege den Klimawandel, ist sozusagen am Eisbärenfell herbeigezogen. Wobei: Eisbären leben in der Arktis. In der Antarktis gibt es Pinguine.

Am Rande: Mrosek war nach eigenen Angaben von 1989 bis 1995 „auf verschiedenen Seeschiffen“ mit „Verantwortung“ eingesetzt. Von 2007 bis 2016 war er Kanalsteuerer (eine Art Lotse) auf dem Nord-Ostsee-Kanal). Das war wohl auch besser, denn auf dem Kanal musste er nur zwischen West und Ost navigieren. Mit der Unterscheidung zwischen Nord und Süd hat er ja offenbar Schwierigkeiten.

Erst abgelehnt, dann veröffentlicht

Anlass für die Publikation von Mroseks August-Einlassungen zum angeblichen Beweis des Nichtvorhandenseins des Klimawandels ist ausgerechnet die Ablehnung eines entsprechenden Beitrags für die Juli-Ausgabe des Amtsblatts: Die Stadtverwaltung hatte die Veröffentlichung mit dem Hinweis verweigert, das Thema habe keinen Bezug zu Dessau-Roßlau.

Im August hat sich die Stadt dann offenbar der Behauptung des selbst ernannten Schonungslosen Aufklärers (abgekürzt: SA) Mrosek geschlagen gegeben, der Artikel sei als „Hinweis“ für den städtischen Klimabeauftragten gedacht und habe deshalb einen Bezug zur lokalen Politik – und hat den Blödsinn veröffentlicht. Dabei haben sich weder lokale Relevanz noch sachliche Fehlerhaftigkeit der blaunen Propaganda verändert.

Amtliche Verantwortungslosigkeit

„Für die sachliche und fachliche Richtigkeit aller Angaben auf den Fraktionsseiten übernimmt die Stadtverwaltung als Herausgeberin des Amtsblattes inhaltlich keine Gewähr“, heißt es unverdrossen und jenseits der Regelungen des Presserechts in der Unterzeile zu den Fraktionsseiten. Die Stadt lehnt mithin alle Verantwortung für zusammenfantasierte Propaganda ab. Sie publiziert verantwortungslos.

Gleiches gilt für die übrigen Fraktionen im Stadtrat: Im geltenden sogenannten Redaktionsstatut (Beschluss des Stadtrates aus Oktober 2019) heißt es, „dass Beiträge für die Fraktionsseiten dann nicht veröffentlicht werden, wenn sie offenbar unwahr sind (…)“. Es ward aufgeschrieben und augenscheinlich vergessen. Wie viel Schwachsinn soll denn Bürgerinnen und Bürgern noch mit quasi amtlichem Segen untergejubelt werden, bis in Verwaltung oder Stadtrat jemand aufwacht? Bei den einen wächst das Eis, bei anderen schmilzt der Verstand.

Alles, was Amt ist: das Amtsblatt und das Presserecht

Presserecht, Amtsblatt und ein genervter Präsident

Er war genervt, der Herr Stadtratspräsident Frank Rumpf. Augenscheinlich ging ihm die Frage auf die Nerven: Wie es denn um das Presserecht beim städtischen Amtsblatt stehe, wollte DeRoPolis im Rahmen einer Einwohnerfrage an den Stadtrat wissen. Gestellt am 05. Juli 2023.

Nun ist es mit dem Recht so eine Sache. Wer präzise sein will, muss zuweilen ins Detail gehen. Und das dauert zuweilen läger als drei Minuten. Drei Minuten hat jede*r Einwohner*in der Stadt Dessau-Roßlau, um sich in der Einwohnerfragestunde zu Wort zu melden. Sagt Paragraf 6 der „Geschäftsordnung für den Stadtrat und seine Ausschüsse“.

zu viel des Rechts?

Naja, vielleicht hatte der Stadtratspräsident in seiner unzweifelhaften Weisheit erstens bereits das Anliegen des zweiten Fragestellers des Tages vorausgeahnt (der hatte die Versammlung gefühlt wesentlich länger, dafür aber wenig konkret beschäftigt), vielleicht war es ihm, Rumpf, des Rechts auch einfach zu viel.

Das wäre nichts wirklich Neues, schließlich hat der gute Mann auch jahrelang „Aufwandsentschädigung“ (740 Euro) sowie „Verdienstausfall“ (1.280 Euro) für seine Tätigkeit als ‚ehrenamtlicher Referatsleiter‘ im Ortsteil Rodleben kassiert (laut Berichterstattung des MDR vom 08. Dezember 2022). Interessierte aber jahrelang auch nicht. Vor allem nicht den Herrn Präsidenten. Und dann wundert sich seine Partei… Doch wir schweifen ab.

Sechs Wochen, zwei Ausgaben

Zurück also zur Frage. Dieselbe hat DeRoPolis bereits am 14. Mai 2023 per E-Mail an die Verwaltung gestellt. Am 23. Mai bestätigte die Verwaltung den Eingang der Frage mit der Zusage, diese „baldigst zu beantworten“. Das ist mehr als vier Wochen und zwei Ausgaben des Amtsblatts her. Und dieses Amtsblatt erscheint nach wie vor in einer – nun sagen wir, presserechtlichen Grauzone.

In den Pressegesetzen der Länder sind Verantwortlichkeiten für die Inhalte einer Publikation definiert. In Sachen-Anhalt ist Pragaraf 7 einschlägig, der behandelt das Impressum. Für redaktionell gestaltete Websites wie DeRoPolis gilt übrigens ähnliches: Schlag nach unter Medienstaatsvertrag Paragraf 18.

Pressegesetz für das land Sachsen-Anhalt

Im besagten Paragrafen im Pressegesetz des Landes Sachsen-Anhalt heißt es in Paragraf 7:

„(1) (…)

(2) Auf den periodischen Druckwerken sind ferner Name und Geschäftsanschrift des verantwortlichen Redakteurs anzugeben. Sind mehrere Redakteure verantwortlich, so muss das Impressum die in Satz 1 geforderten Angaben für jeden von ihnen enthalten. Hierbei ist kenntlich zu machen, für welchen Teil oder sachlichen Bereich des Druckwerks jeder einzelne verantwortlich ist. Für den Anzeigenteil ist ein Verantwortlicher zu benennen; für diesen gelten die Vorschriften über den verantwortlichen Redakteur entsprechend.

(3) (…).“

Ergänzend definiert Paragraf 12 desselben Gesetzes die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Impressum genannten Personen.

Blöd nur, dass im Amtsblatt der Stadt Dessau-Roßlau genau eine (in Ziffern: 1) Person als Redakteurin aufgeführt ist. Den Namen der armen Sachbearbeiterin lassen wir an dieser Stelle mal beiseite. Arm deshalb, weil die Dame laut Gesetz für jeden Käse in der Publikation verantwortlich ist. Und damit auch für Unwahrheiten, welche auf den so genannten Fraktionsseiten im Amtsblatt verbreitet werden (siehe frühere Berichterstattung auf DeRoPolis, insbesondere zur „Partei der Verfälscher“).

Pfiffig statt Rechtskonform?

Nun übertreffen sich aber Dessau-Roßlauer Verwaltung und Stadtrat geradezu an Pfiffigkeit. Nicht anders ist die die jeweiligen Fraktionsseiten ergänzende Fußzeile in einem jeden Amtsblatt zu interpretieren, in der es heißt:

„Für die sachliche und fachliche Richtigkeit aller Angaben auf den Fraktionsseiten übernimmt die Stadtverwaltung als Herausgeberin des Amtsblattes inhaltlich keine Gewähr und behält sich gegebenenfalls die Möglichkeit zur Richtigstellung vor.“

Ja nee, is‘ klar: Verantwortlich ist die Verwaltung nicht, korrigiert aber gegebenenfalls. Wie bitte? Mal abgesehen vom der Aussage immanenten Widerspruch – würde die Verwaltung allen Ernstes die politischen (oder wenigstens politisch gemeinten) Aussagen der Fraktionen vor Veröffentlichung korrigieren, stünde der Vorwurf der (Vor-)Zensur mindestens im Raum.

Statut ist kein Recht

Und für die ganz fürchterlich Pfiffigen, die nun auf das so genannte Redaktionsstatut verweisen, das der Stadtrat beschlossen hat: Das ist nett aber sinnfrei. Mal abgesehen davon, dass Redaktionsstatuten im Regelfall die Freiheit der Redaktion von verlegerischer Einflussnahme sichern und insofern lediglich arbeitsrechtlich relevant sind, begründet ein Stadtratsbeschluss nun einmal kein geltendes Recht.

Das so genannte Redaktionsstatut des Amtsblattes der Stadt Dessau-Roßlau kann mit gutem Willen als Absichtserklärung gewertet werden, das Amtsblatt von ehrverletzenden Äußerungen frei zu halten. Dazu braucht es aber kein Statut, sondern klare presse- und strafrechtliche Verantwortlichkeiten. Wäre also für die Fraktionsseite der Blaunen (nur ein zufälliges Beispiel) ein*e Vertreter*in dieser Partei namentlich im Impressum benannt (was ebenso rechtskonfrom wäre wie jede*r andere Vertreter*in jeder anderen Partei als Verantwortliche*r für die jeweiligen Seiten), stünde die jeweilige Person eben auch für den Inhalt der jeweiligen Seiten gerade. Eigentlich sehr einfach.

Schlauer sterben

Nun möchte der Autor dieser Zeilen weder dümmer sterben, als er geboren wurde, noch möchte er seine Leser*innenschaft ohne presserechtliche Erleuchtung in die ewigen Jagdgründe oder wohin auch immer eingehen lassen. Deshalb lautete die erwähnte an die Verwaltung gesandte und im Stadtrat gestellte Einwohnerfrage wie folgt:

„1.a. Zählen die Fraktionsseiten zum amtlichen oder nichtamtlichen Teil des Amtsblattes?

1.b. Ist die genannte Redakteurin aus Sicht der Verwaltung für den Inhalt aller Teile des Amtsblattes inklusive des Anzeigenteils und der Fraktionsseiten auch im Sinne des Strafrechts verantwortlich?

2.a. Inwiefern ist die Ablehnung jeglicher Gewähr für Inhalte auf den Fraktionsseiten mit dem Korrekturvorbehalt vereinbar?

2.b. Was ist mit „Richtigstellung“ gemeint?

2.c. Inwiefern ist der in der Fußzeile angesprochene Vorbehalt zur Richtigstellung mit dem Verbot des Eingriffs staatlicher / öffentlicher Stellen in in periodisch erscheinenden Presseerzeugnissen veröffentlichen Meinungsäußerungen (Vorzensur, GG ) vereinbar? Welche Grundlagen in Gesetzen oder Verwaltungsvorschriften liegen Ihrer Beurteilung zugrunde?

2.d. Inwiefern hat die Formulierung in den Fußzeilen der Fraktionsseiten presserechtliche und gegebenenfalls strafrechtliche Relevanz und welche Grundlagen in Gesetzen oder Verwaltungsvorschriften liegen dem zu Grunde?“

Vorläufige Antwort seitens Verwaltung und Stadtrat: Schweigen. Das Pressegesetz des Landes Sachsen-Anhalt in gültiger Fassung ist amtlich bekannt gemacht worden am 02. Mai 2013. Regeln der Aussagelogik (vergleiche dazu besagte Fußzeile auf den Fraktionsseiten im Amtsblatt) sind schon ein paar Jahrhunderte älter.

Eigentlich nichts neues – eigentlich…

Nur mal so am Rande: In gefühlt dreiundzwölfzighundert Publikationen inklusive Amtsblätter in dieser Republik funktioniert das ganz einfach: Für den Anzeigenteil sowie den – im Falle amtlicher Veröffentlichungen – amtlichen Teil wird jeweils eine verantwortliche Person im Impressum benannt. Zudem kann für jeden Teil einer Publikation gesondert eine verantwortliche Person benannt werden (Pressegesetz Sachsen-Anhalt, Paragraf 7, Absatz 2, Satz 2). Damit wäre dann beispielsweise die Blaune Fraktion selbst für ihre wahrheitswidrig verfälschende Darstellung der Inhalte amtlicher Mitteilungen verantwortlich.

DeRoPolis wird über Antwort der Stadt Dessau-Roßlau sowie Reaktionen der Fraktionen (dieselben haben wir via Mail auf diese freundliche Argumentationshilfe aufmerksam gemacht) berichten.

Partei der Verfälscher

Amtsblatt 07/2023

Verdächtig oder verurteilt? Egal, Hauptsache Asylant*in

Im Amtsblatt der Stadt Dessau-Roßlau veröffentlichen die Stadtratsfraktionen jeden Monat ihre politischen Ansichten. Ungefiltert. Ungeprüft. Vieles kann man vernachlässigen, manches ist sinnfrei – und einiges so falsch, dass die jeweils dargebotenen Behauptungen an dieser Stelle eingeordnet und bewertet werden. Das Amtsblatt ist auf der Website der Stadtverwaltung als pdf zu finden – einfach googeln nach Dessau-Roßlau, Amtsblatt und Jahrgang.

Pädagogische Vorbemerkung und Farblehre

Wer zu einem Thema nichts sagen kann, spricht halt über ein anderes. Das ist im Falle der Blaunen erst einmal erfreulich. Zu Problemen der Stadt fällt der Fraktion nichts ein, also schweigt sie dazu. (Diese Einleitung ist erwachsenen-pädagogisch inspiriert. Getreu dem Motto „immer erstmal etwas Positives ansprechen“.)

„Blaune“ bezeichnet hier eine Partei, die als Haupterkennungsfarbe Blau nutzt, deren politische Ausrichtung farblich aber eher an die Färbung von Lehm und Erde erinnert.

Tatsachen: Grundlage seriöser Diskussion

Pädagogisch ernüchternd ist allerdings das, was die Fraktion anstelle örtlich relevanter Sachverhalte zum Schlechtesten gibt: Es geht – wie könnte es anders sein – um Ausländerkriminalität. Das ist an und für sich o.k., denn es gibt dieses Problem und ergo muss es im demokratischen Diskurs vernünftig diskutiert werden. Womit wir auch gleich beim Thema sind: Wer über Kriminalität sprechen und aufklären will, sollte dabei bei der Wahrheit bleiben. Strafrechtlich ist das Vortäuschen und Verzerren von Sachverhalten in der politischen Diskussion zwar nicht relevant. Rückschlüsse auf die politische Seriosität sind bei solcherlei Vorgehen aber geradezu zwingend. Genug der Vorrede, gehen wir in Medias res:

Verfälschung der Antwort der Bundesregierung

222.529 Straftaten seien 2022 bundesweit von „Asylbewerbern, Personen im Status eines abgelehnten Asylantrags oder eines unerlaubten Aufenthaltes in Deutschland“ begangen worden, schreibt der Führer der blaunen Stadtratsfraktion in Dessau-Roßlau, Andreas Mrosek. Er bezieht sich auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion seiner Partei im Bundestag. In Sachsen-Anhalt habe der selbe Personenkreis 4.954 Straftaten begangen. Das ist in Gänze schlicht falsch.

Verdächtig ist nicht Verurteilt

Fehler 1: Statt von Straftätern ist in der Antwort der Bundesregierung durchweg von Tatverdächtigen die Rede. Wörtlich heißt es in der Drucksache 20/6682: „Die PKS (Polizeiliche Kriminal-Statistik, Anmerkung des Autors) beruht auf dem Erkenntnisstand bei Abschluss der polizeilichen Ermittlungen. Straftaten werden zum Teil von der Polizei, insbesondere wegen des unterschiedlichen Ermittlungsstandes, anders bewertet als von der Staatsanwaltschaft oder den Gerichten. Für die Beantwortung der nachfolgenden Fragen wird daher der Begriff des/der Tatverdächtigen (TV) im Sinne der PKS zugrunde gelegt.“

Übersetzt: Nicht jede*n Tatverdächtige*n klagt die Staatsanwaltschaft auch an. Nicht jede*r Angeklagte wird vor Gericht verurteilt. Bis zu einer Verurteilung gilt in einem Rechtsstaat die Unschuldsvermutung. Der Blaune Führer erklärt alle per se zu Verbrechern. Gerichtsurteile sind dem Manne anscheinend egal.

Zwei Zahlen verdeutlichen, wieso die Unterscheidung zwischen Tatverdächtigen und Straftätern entscheidend ist für die Bewertung der Kriminalitätsentwicklung: Im Jahr 2021 zählte die polizeiliche Kriminalitätsstatistik bundesweit 1.892.003 tatverdächtige Personen. Verurteilt wurden 662.100 Personen, davon 157.508 Personen für Straftaten im Straßenverkehr. Die Angaben unterscheiden nicht nach Herkunft oder Aufenthaltsstatus. Zahlen aus 2022 lagen hier zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels nicht vor. Die Relation von Tatverdächtigen zu Verurteilten sollten geneigte Leser*innen im Hinterkopf behalten bei der Einordnung der folgenden Zahlen.

Manche müssen bleiben – trotz ablehnung

Fehler 2: In der Antwort der Bundesregierung werden Tatverdächtige „mit dem Aufenthaltsanlass ‚Asylbewerber‘, ‚Duldung‘ oder ‚unerlaubter Aufenthalt'“ aufgeführt. Die Formulierung ‚Personen im Status eines abgelehnten Asylantrags‘, die Mrsosek benutzt, ist nicht im Text der Antwort enthalten.

Tatsächlich sind die Asylanträge geduldeter Personen abgelehnt. Im Status Duldung sind eben diese Personen aber gemäß Paragraf 60a Aufenhaltsgesetz (AufenthG) – wie es im Juristendeutsch heißt – nicht vollziehbar ausreisepflichtig. Mit anderen Worten: Der Aufenthalt dieser Personen in Deutschland ist nicht strafbar, sie unterliegen gemäß Paragraf 61 AufenthG diversen Regelungen, wo sie sich aufhalten dürfen.

Mrosek suggeriert mit seiner Wortwahl, die entsprechenden Personen hielten sich jenseits aller rechtlichen Regelungen in Deutschland auf und müssten eigentlich abgeschoben werden. Im Falle eines strafrechtlichen Tatverdachts ist sogar das Gegenteil der Fall.

Denn „die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre“ (AufenthG, Paragraf 60a, Absatz 2). Tatverdächtige dürfen also gar nicht abgeschoben werden, wenn Staatsanwaltschaft oder Gericht ihre Anwesenheit zum Zwecke der Aufklärung einer Straftat für geboten halten.

Diletantismus mit zahlen

Fehler 3: Die Anzahl tatverdächtiger Personen in Sachsen-Anhalt mit Aufenthaltsanlässen wie unter 2 dargelegt beläuft sich auf 4.997. Mrosek gibt die Zahl für Thüringen an (4.954). Falsch ist auch seine damit verbundene Behauptung, diese Personen seien allesamt Straftäter. Richtig ist, dass diese Personen verdächtigt werden, Straftaten begangen zu haben.

Ähnlich dilettantisch geht der örtliche Fraktions-Führer mit Zahlen um, wenn es um Dessau-Roßlau geht. Um Werte für die Stadt zu ermitteln, rechnet er angeblich statistisch (wörtlich: „statistisch gerechnet“). Das ist Blödsinn. Man kann nicht statistisch rechnen. Werte einer Statistik werden empirisch ermittelt, also gemessen. Man kann mit Werten einer Statistik rechnen, sie aber nicht berechnen. Mathe auf Niveau der Sekundarstufe.

Fast 12 prozent weniger Straftaten in Dessau-Rosslau

Doch Wortklauberei beiseite. Berechnungen welcher Art auch immer sind im vorliegenden Fall unnötig. Für die Beurteilung der Situation in Dessau-Roßlau reicht ein Blick in die polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2022 des Landes Sachsen-Anhalt. Die führt für den Verantwortungsbereich des Polizeireviers Dessau-Roßlau 6.707 Straftaten auf, 11,9 Prozent weniger als im Jahr 2021.

Darunter eine Straftat gegen das Leben, aber weder Mord noch Totschlag (beispielsweise fällt auch fahrlässige Tötung in diese Kategorie, wird aber nicht gesondert statistisch erfasst). 67 Straftaten richteten sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung, 13 Prozent weniger als 2022. Die Deliktszahlen stimmen nicht mit der Anzahl der Verdächtigen überein. Deren Anzahl liegt jeweils wesentlich niedriger, weil Mehrfachtäter dabei sind oder keine Verdächtigen ermittelt werden konnten.

Unter allen Straftaten in Dessau-Roßlau waren 2.042 Diebstahlsdelikte, 26,8 Prozent weniger als 2021. Um 29,5 Prozent angestiegen ist in der Stadt die Anzahl der Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit auf 1.110 Fälle. Rauschgiftdelikte registrierte die örtliche Polizei 350 und damit 36,9 Prozent weniger als im Vorjahr.

die Aufklärungsquote

Aufgeklärt wurden in Dessau-Roßlau 56,1 Prozent aller Straftaten in 2022. Bei Straftaten gegen das Leben (eine) lag die Aufklärungsquote bei 100 Prozent, von den Gewalttaten wurden 91,3 Prozent, von den Rauschgiftdelikten 90 Prozent und von den Diebstählen 37,5 Prozent im Jahr 2022 aufgeklärt.

Genauigkeit und Korrektheit sind aber ja in der Kriminalitätsstatistik auch nicht ganz so wichtig, Hauptsache sie (die Zahlen) regen zum Gruseln an. Wahrscheinlich aus eben diesem Grunde listet der örtliche Fraktions-Führer anstelle der frei im Internet verfügbaren Zahlen zur Situation in Dessau-Roßlau lieber wesentlich höhere Angaben auf, die sich auf das Bundesgebiet beziehen, und unterschlägt die bereits skizzierte Unterscheidung zwischen Tatverdächtigen und verurteilten Täterinnen und Tätern (alle Angaben in diesem Text können frei recherchiert werden).

Wissenschaftlich?

Real-Satire am Rande: Mrosek ist laut Darstellung seines Arbeitgebers, einem Bundestagsabgeordneten der blaunen Fraktion, dessen „Wissenschaftlicher Mitarbeiter“. Na, dann müssen wir uns um die Wissenschaft der Blaunen ja keine Sorgen machen…

Kriminalstatistischen Zahlen- und Wortsalat à la Blaune den Wähler*innen aber als Tatsache unterjubeln zu wollen, ist keine Phantasie-Wissenschaft, sondern politischer Betrug.

Richtigstellung

vom 15. Juli 2023 zum u.g. Beitrag vom 28. Juni 2023 in Bezug auf die Wohungsgenossenschaft Dessau eG:

Wir haben auf dieser Website unter der Überschrift „Robert Reck gegen den Stadtrat: Interessen im Streit um Regenbogenschule“ geschrieben:

„(…) um PLatz für einen Schulneubau zu schaffen, müsste dort (…) ein Wohnblock (…) der Wohnungsbaugesellschaft Dessau (WGD) [abgerissen werden]. Sowohl (…) als auch WGD kämpfen mit dem Problem Leerstand. In vielen alten Wohnblöcken Unternehmen dieser Unternehmen sind nur wenige Wohneinheiten vermietet.“

Hierzu stellen wir richtig:

Es muss kein Wohnobjekt der Wohnungsbaugenossenschaft Dessau (WGD) abgerissen werden, um Platz für einen Schulneubau am Standort Friedrikenstraße zu schaffen.

Die WGD kämpft auch nicht mit Leerstand. Es ist unzutreffend, dass in vielen älteren Wohnblöcken der WDG nur wenige Wohneinheiten vermietet wären.

Ende der Richtigstellung

Robert Reck gegen den Stadtrat: Interessen im Streit um Regenbogenschule – Update vom 08. Juli 2023 mit Korrekturen

Welche Interessen stecken hinter dem Widerspruch des OB?

Regenbogenschule und Monopoly. Eine Schule für geistig behinderte Kinder und ein Gesellschaftsspiel. Die Schule braucht dringend einen neuen Standort, im Spiel geht es um Profit mit Immobiliengeschäften. Wer im Spiel auf dem Feld „Gehe in das Gefängnis“ landet oder die entsprechende Ereigniskarte zieht, setzt erst einmal aus.

Konflikt statt Konsens: Undurchsichtige Motivation

Der Zusammenhang: In Dessau-Roßlau will Oberbürgermeister Robert Reck die Aussetz-Karte ziehen. Nicht für sich, sondern für den Stadtrat. Nicht in einem Spiel, sondern in der Debatte um den neuen Standort der Regenbogenschule. Dabei geht es auch um Immoblilien. Und wohl auch um Profitinteressen. Denn wenn Reck sich durchsetzt, profitieren mutmaßlich Dessauer Wohnungsbauunternehmen. Der Preis für den Profit: Behinderte Mädchen und Jungen müssten mit ihren Familien noch länger auf eine angemessene Schule warten, würden noch länger als schon jetzt absehbar am bisherigen Standort in der Breite Straße in Containern unterrichtet. Dröseln wir die Sachlage mal auf, schauen uns die „Player“ an in diesem bislang reichlich undurchsichtigem Spiel und leiten Indizien für die Motivation des Handelns des OB ab.

Rückblende: Ursprünglich wurden acht Standorte für einen Neubau der Regenbogenschule in Betracht gezogen. Übrig blieben letztlich drei, darunter der Standort an der Bernburger Straße. Das dortige Grundstück gehört der Stadt. Moderne Schulgebäude mit Spiel- und Auffenthaltsbereichen für Kinder mit hohem Bewegungsdrang können dort relativ einfach angelegt werden. Bestätigt hat das eine 85.000 Euro teure Machbarkeitsstudie.

All das galt als Konsens zwischen Stadtrat, fachlich zuständigen Dezernaten und der Verwaltungsspitze, dem Oberbürgermeister. Bis zur Sitzung des Stadtrates am 21. Juni 2023. Auf der Tagesordnung: Beschlussfassung zum neuen Schulstandort an der Bernburger Straße. „Selten gut vorbereitet“ war der Rat laut entsprechender Äußerungen einzelner seiner Mitglieder. Bis auf rund ein halbes Dutzend stimmten die Stadträtinnen und Stadträte für den Standort. Erst dann zog Robert Reck seine vermeintliche Trumpfkarte: Ein Veto. Der Oberbürgermeister kündigte an, gegen den Beschluss des Stadtrates Widerspruch einzulegen. Dafür hat er 14 Tage Zeit. Binnen dieser Frist muss Reck den Widerspruch mitsamt Begründung schriftlich einreichen.

Rechtswidrig oder nachteilig

Laut Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt muss respektive kann der Oberbürgermeister als Hauptverwaltungsbeamter gegen Beschlüsse des demokratischen Gremiums Stadtrat unter bestimmten Voraussetzungen Widerspruch einlegen. Paragraf 65 des Gesetzes: „Der Hauptverwaltungsbeamte muss Beschlüssen der Vertretung widersprechen, wenn er der Auffassung ist, dass diese rechtswidrig sind. Er kann Beschlüssen widersprechen, wenn diese für die Kommune nachteilig sind.“

Im vorliegenden Fall kommt nur Nachteilig-Regelung infrage. Sie hat lediglich aufschiebende Wirkung. Der Stadtrat kann den Widerspruch des OB mit einem erneuten Beschluss überstimmen. Danach bliebe dem OB nur noch der Verweis auf Rechtswidrigkeit. Er müsste dann die Kommunalaufsicht einschalten. Nicht nur die würde sich wohl wundern, wenn ein mit der Begründung „Nachteil für die Stadt“ eingereichter Widerspruch nachlaufend als angeblich rechtswidrig eingestuft würde. Will sich Reck nicht lächerlich machen, bliebe es beim Vorwurf des Nachteils, den der Rat der Stadt mit dem Beschluss Bernburger Straße einbrocken angeblich würde.

unternehmen wollen wohnblöcke loswerden – Hinweis zu Korrektur im folgenden Absatz!

Wieso aber soll der Schulstandort Bernburger Straße für die Stadt nachteilig sein? Das muss OB Reck in seinem schriftlichen Widerspruch darlegen – und das dürfte schwierig werden. Vorteilhaft wäre der Standort Friederikenstraße ja – allerdings in erster Linie für die Eigentümer der dortigen Wohnobjekte. Denn um Platz für einen Schulneubau zu schaffen, müssten dort Wohnblöcke abgerissen werden.

Nicht nur in Dessau-Roßlau kämpfen große Wohnungsunternehmen mit dem Problem Leerstand. In alten Wohnungsblöcken sind oft nur wenige Wohneinheiten vermietet. Kosten für Instandhaltung und Versorgung leerer Wohnungen machen ganze Blöcke unrentabel. Das Umlegen entsprechender Gesamtkosten auf verbliebene und oft ältere und/oder gesundheitlich eingeschränkte Mieter*innen hat in der Vergangenheit schon öfter für Ärger gesorgt. Rausschmeißen können die Unternehmen die wenigen verbliebenen Mietparteien aber auch nicht so einfach. Das Gesetz sieht nicht nur für langjährige Mieter*innen Kündigungsfristen von bis zu zwölf Monaten vor.

Korrektur früherer Version der Beitrages:

In der früheren, am 28. Juni 2023 veröffentlichten Version des Beitrages, war im vorstehenden Absatz ein sachlicher Fehler enthalten. Dieser Fehler ist mit Aktualisierung vom 08. Juli 2023 entfallen.

Mieterschutz: Jahrelange verfahren

Gerade bei alten und/oder gesundheitlich eingeschränkten Mieter*innen greift zudem Paragraf 574 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die Härtefallregelung. Demnach „kann [der Mieter] der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.“

Kauft die Stadt nun die entsprechenden Wohnblöcke, sind die jeweiligen Eigentümer ihre entsprechenden Probleme auf einen Schlag los. Dann muss die Stadt die entsprechenden Mieter*innen loswerden. Im Falle des DWG-Wohnblocks an der Friederikenstraße sind laut öffentlicher Berichterstattung rund 60 von 160 Wohnungen belegt. Klagen nur einige der Mieter*innen gegen Kündigungen, sind sehr langwierige Gerichtsverfahren absehbar. Die Ergebnisse sind alles andere als voraussehbar. Denn zu den im Gesetz angesprochenen Härten zählt in der Fachliteratur auch eine lange Mietdauer, die mit starker sozialer Verwurzelung im örtlichen Umfeld einhergeht. Eben davon ist gerade bei älteren Mieterinnen und Mietern auszugehen. Die Folge: Der Baubeginn einer neuen Schule verschöbe sich um weitere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte.

spontane Intervention oder geplantes gekungel?

All diese Aspekte hätten im Stadtrat trefflich diskutiert und bewertet werden können, wenn OB Reck den von ihm aus dem politischen Hut gezauberten Standort Friederikenstraße frühzeitig als Vorschlag in die Beratungen eingebracht hätte. Hat er aber nicht. Der Fachmann staunt, der Laie wundert sich und spekuliert über die Gründe der Reck’schen Spontaninternvention – die so spontan womöglich gar nicht war.

Auf der Tagesordnung des Ausschusses für Gesundheit, Bildung und Soziales am 14. Juni 2023 stand der „Sachstand zur Standortentscheidung Förderschule für Geistigbehinderte“ zur öffentlichen Beratung. Laut Berichterstattung der örtlichen Presse war die Einordnung des Themas als öffentlich aus Sicht des Stadtratspräsidenten (CDU) ein Versehen. Flugs beantragte CDU-Stadtrat Michael Puttkammer, die Causa nichtöffentlich zu beraten. Er scheiterte mit seinem Antrag.

Scheiterte Überrumpelungs-Taktik aus versehen?

Wieso aber wollte CDU-Mann Puttkammer das Thema nichtöffentlich behandeln? Laut Paragraf 52 Kommunalverfassung „[ist] die Öffentlichkeit auszuschließen, wenn (…) berechtigte Interessen Einzelner, insbesondere bei (…) der Ausübung des Vorkaufsrechts, Grundstücksangelegenheiten und Vergabeentscheidungen, dies erfordern.“ Dem erfahrenen Stadtrat dürfte diese Regelung geläufig sein. Hat Puttkammer womöglich unter Ausschluss der Öffentlichkeit den bis zu diesem Zeitpunkt nicht angesprochenen Standort Friederikenstraße und den damit verbundenen Kauf des Grundstücks mitsamt der Wohnobjekte behandeln wollen? Für diesen Fall wäre der Paragraf einschlägig gewesen. Dann hätte die CDU die an der Friederikenstraße notwendigen Grundstückskäufe ansprechen und den Rest des Rates damit überrumpen können. Es kam nicht dazu.

Grünfläche und industriegebiet: der WIC interveniert – Hinweis zu Korrektur im folgenden Absatz!

Nur wenige Tage später (Presseberichterstattung am 19. Juni 2023) spricht sich der Wirtschafts- und Industrieclub Anhalt (WIC) öffentlich für den Standort Friederikenstraße aus. Begründung: Für das Grundstück an der Bernburger Straße sei gemäß Flächennutzungsplan eine Grünfläche vorgesehen. Außerdem läge die Schule dort neben einem „Industriegebiet“. Gleich mal ein Kreuz im Kalender machen: Der WIC nimmt eine geplante Grünfläche zum Anlass, eine Bebauung abzulehnen. Ansonsten ist der Lobby-Club eher weniger gut auf Stadtwildnis und ähnliche Dinge zu sprechen… Das vermeintliche Industriegebiet ist eine relativ übersichtliche Gewerbefläche. Im benachbarten Jugendclub Thomas-Müntzer verbringen Kinder und Jugendliche Teile ihrer Freizeit.

Aus den Fingern gesogen erscheint als relativ freundliche Beschreibung für die vermeintlichen Argumente des WIC gegen die Bernburger Straße. Wesentlich handfester muten die Interessen an, die der WIC für seine Mitglieder vertritt und damit auch für die Herren Nicky Meißner und Matthias Kunz. Meißner und Kunz sind in leitenden Positionen in der Dessau-Roßlauer Wohnungswirtschaft tätig.

Korrektur früherer Version der Beitrages:

In der früheren, am 28. Juni 2023 veröffentlichten Version des Beitrages, war im vorstehenden Absatz ein sachlicher Fehler enthalten. Dieser Fehler ist mit Aktualisierung vom 08. Juli 2023 korrigiert worden.

Links-Unternehmer mit interessen?

Dass der Vorsitzende der Linksfraktion im Stadtrat, Ralf Schönemann, nach dem Scheitern des Antrages seines CDU-Ratskollegen auf Nichtöffentlichkeit am 14. Juni eine Vertagung des Tagesordnungspunktes Standort Bernburger Straße vorschlug (auch dies kam nicht zustande), wäre dabei nur noch eine lächerliche Fußnote, würde nicht auch sein Entsorgungsunternehmen von Aufträgen der Stadt profitieren (und bei einem Abriss der Wohnblöcke in der Friederikenstraße gäbe es einiges zu entsorgen).

Pläne des DWG-Geschäftsführers

Geschäftsführer der stadteigenen DWG ist seit April 2022 Thomas Florian. Die Stelle hat Florian sicherlich nicht ohne Zustimmung seitens OB Reck erhalten. Und Reck hätte kaum einen Geschäftsführer eingestellt, der nicht bereit wäre, Recks Vorstellungen und Pläne umzusetzen. Florians erklärte Absicht ist es, die DWG vom Leerstandsverwalter zu einem profitablen Unternehmen umzubauen, das im Sinne der Stadtentwicklung agiert. Ergo muss es im Interesse des Geschäftsführers liegen, die Leerstände an der Friederikenstraße abzustoßen. Und nichts liegt näher, als dass Reck seinen Geschäftsführer entsprechend unterstützt – zum Beispiel mit einem Kauf der Blöcke zum Zwecke des Abrisses, weil dort eine Schule gebaut werden soll.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass Recks Widerspruch geradezu geplant gewesen sein muss. Und sei es als letzte Option, wenn alle anderen Versuche der Einflussnahme nicht fruchten. Seine offizielle Begründung, er wolle sein Wahlversprechen einhalten, die Innenstadt zu beleben und deshalb die Schule in der Friederikenstraße ansiedeln, ist irgendwas zwischen hilflos und lächerlich. Bestenfalls ein Ablenkungsmanöver. Oder einfach der Versuch, den Stadtrat damit unter Druck zu setzen, dass er, Reck, ja schließlich für sein Vorhaben Innenstadtbelebung gewählt worden sei. Wobei fraglich bleibt, welche belebenden Auswirkungen eine Schule auf die City haben soll.

Baukosten sind nicht Gesamtkosten

Was bleibt, ist der Verweis des Oberbürgermeisters auf niedrigere Baukosten an der Friederikenstraße. Dort sei das Bauen drei Millionen Euro günstiger machbar als an der Bernburger Straße. Die Beigeordnete für Bauen und Stadtgrün, Jacqueline Lohde, hatte hingegen auf höhere Kosten an der Friederikenstraße im Vergleich zur Bernburger Straße hingewiesen. Mögliche Lösung: Lohde bezieht sich auf die Gesamtrechnung, Reck gibt nur Baukosten an. Kosten für Grundstückserwerb, Gerichtsverfahren und Abbruch sind in Baukosten allein nicht enthalten. Das wäre noch eine Nebelkerze des Oberbürgermeisters.

Verwaltung: Widerspruch gegen widerspruch

Entsprechende Fragen stellt man sich offenbar auch in der Stadtverwaltung. Aus gut unterrichteter Quelle verlautet, dass selbst hochrangiges Personal der Administration den Plänen Recks gelinde gesagt kritisch gegenübersteht. Der Oberbürgermeister könne weder die Rechtswidrigkeit des Stadtratsbeschlusses, noch daraus erwachsende Nachteile für die Stadt darlegen. Der Schulneubau sei dringend notwendig, Recks Widerspruch verzögere schon weit fortgeschrittene Planungen, grummelt es.

Welcher Vorteil sich für die Stadt daraus ergibt, dass für das vorliegende Machbarkeitsgutachten noch einmal 10.000 Euro nachgeschossen werden müssen, um auch den neuen Standort Friederikenstraße zu berücksichtigen, bleibt vorerst das Geheimnis des Hauptverwaltungsbeamten. Zumal das Geld mutmaßlich für einen Standort ausgegeben würde, der nicht gegen den Beschluss des Stadtrates durchzusetzen ist.

KapitAl oder Kinder: Öffentlichkeit mobilisieren

Klar, ohne Kapital kommt die Belebung der City nicht voran. Kapital kann nur von Unternehmen kommen. Aber es muss am richtigen Ort eingesetzt werden. Und Kapital darf nicht wichtiger sein als Kinder. Dem Vernehmen nach erwägen erste Stadträtinnen und Stadträte, Eltern und Öffentlichkeit zu mobilisieren.

Bringen Pflicht und Zwang die Wirtschaft in Gang?

CDU-Politiker für Arbeitszwang und Dienstpflicht

Sepp Müller, CDU-Bundestagsabgeordneter für Dessau-Roßlau, gibt sich in der breiten Öffentlichkeit gern jovial bis volksnah. Beim Bäumepflanzen zum Beispiel. Und im Tierheim. Das in Dessau hatte er während seiner „Zuhör-Tour im Osten“ besucht. Für Fotos in der örtlichen Zeitung schwang er dort den Besen. Ob Müller auch Katzenklos geleert hat, ist nicht überliefert. In Wörlitz trat er gemeinsam mit Carsten Linnemann (CDU MdB, links im Bild oben) vor der Mittelstandsunion (MIT) auf.

Müller versteht es, den Menschen „im Osten“ auf’s sprichwörtliche Maul zu schauen. Zuweilen entsteht der Eindruck, er rede den Leuten nach demselben. Vor allem teile er die Abneigung gegen Bevormundung. Die möge er gar nicht. In der Hauptstadtpresse verkündete der CDU-Mann am 15. Mai, die Ostdeutschen seien „bei Verboten total sensibel“.

Sensible Ostdeutsche und Merkels Heizungs-gesetz

Das war auf die Heizungspläne des grünen Wirtschaftsministers gemünzt. Der wolle Hausbesitzer zum Heizungstausch zwingen. Tatsächlich schreibt das Gebäudeenergiegesetz (GEG) aus dem August 2020 vor, ineffiziente Öl- und Gasheizungen durch energiesparendere Heizungen auszutauschen, wenn sie über mehr als 30 Jahre alte Konstanttemperaturkessel verfügen. Müllers Parteifreundin Angela Merkel war damals Bundeskanzlerin. Die Erkenntnis, dass heute schon bestehende „Heizungsverbote“ unter CDU-Ägide beschlossen wurden, möchte Müller seiner sensiblen Wählerschaft offenbar nicht zumuten.

20 Euro für die Mittelstandsunion

Vermutlich reagieren sensible Wähler*innen auch nicht sonderlich angetan auf Eintrittspreise für – nun sagen wir Partei-Informationsveranstaltungen. 20 Euro sollten Besucher*innen beispielsweise für einen Auftritt Müllers und seines Partei- und Parlamentskollegen Carsten Linnemann bei der „Mittelstands- und Wirtschaftsunion“ (MIT) berappen.

Jene, die die 20 Euro bezahlt hatten, durften sich an appetitlichen Portionen von zartem Filet auf Spargelmus und ähnlichen Produkten der gehobenen Küche gütlich tun. Neben Mittelständlern und Freiberuflern waren am 09. Mai im 4-Sterne-Hotel „Zum Stein“ in Wörlitz auch Vertreter kommunaler Verwaltungen und Politik dabei. Ihnen setzten Linnemann und Müller recht handfeste politische Kost vor.

zwang und Dienst statt Wettbewerb

Von Arbeitszwang über Dienstpflicht bis zu Azubi-Ablöse reichte die Zutatenliste. Viele der anwesenden Unternehmer*innen goutierten diese Einlassungen mit reichlich Applaus. Grund für den angeblich bevorstehenden Ruin des Industriestandorts Deutschland sei nämlich zu viel Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt.

Richtig gelesen: Ausgerechnet das Strukturprinzip der Marktwirtschaft, den Wettbewerb, identifizierten die CDU-Männer als Nachteil für mittelständische Unternehmen und Betriebe. Müssen sich Arbeitgeber*innen mittlerweile doch tatsächlich um Mitarbeiter*innen bemühen. Die stehen auf der Suche nach Erwerbseinkommen oftmals nicht mehr Schlange, sondern sortieren Arbeitsplatzangebote nach Attraktivität und suchen im Zweifelsfall lieber ein paar Wochen länger. Faktoren Arbeitszeiten, Familienfreundlichkeit und Höhe der Entlohnung entscheiden mehr denn je über den Arbeitgeber-Erfolg auf der Suche nach Arbeitskräften.

Chefs als Bewerber, faule Arbeitnehmer

Fachkräfte sind rar gesät, verkünden Wirtschaftsnachrichten regelmäßig. Der Markt hat sich gedreht vom Nachfrage- in einen Anbietermarkt. Die früher herrschende Knappheit des Faktors Arbeit war ein Vorteil für Arbeitgeber*innen. Die konnten aus Stapeln von Bewerbungen passende Mitarbeiter*innen auswählen. Heute müssen sich Chefinnen und Chefs oftmals bei potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewerben. Bei Großunternehmen und Konzernen war diese Botschaft schon vor Jahren angekommen. Manch Mittelständler*in hat unterdessen weiter vor sich hin gewurschtelt und wundert sich heute, dass Arbeitsuchende eben nicht mehr für den nächst schlechtesten Job unterschreiben.

CDU-Landeswirtschaftsminister Sven Schulze sieht allerdings keine Marktmechanismen, sondern Faulheit. Faulheit der Arbeitnehmer*innen wohlgemerkt. Er definiert Arbeitslosigkeit flugs um zur „staatlich subventionierten Nichtarbeit“. Und die brauche es nicht, denn „es gibt überall Arbeit für alle“. Parteikollege Linnemann assistiert: „Ich würde eine Arbeitspflicht einführen.“ Nach sechs bis zwölf Monaten staatlicher Unterstützung sollen Arbeitslose jedwede Beschäftigung annehmen müssen. Wäre doch gelacht, wenn die unionsnahe Mittelstandslobby dem Sozialen in der Marktwirtschaft nicht ein Schnippchen schlagen könnte.

Belastete arbeitspflicht

Doof findet Linnemann, dass Arbeitspflicht in Deutschland „historisch belastet“ sei. Mancher assoziiere solch eine Produktivitäts-Zwangsbeglückung mit Arbeitsdienst, wie er in früheren Phasen der Geschichte der Deutschen nicht unüblich war. Andere seien da entspannter, referiert der promovierte Volkswirt und verweist auf die Niederlande. Dort gäbe es den Zwang, als Gegenleistung für staatliche Unterstützung zu arbeiten. Dass unsere Nachbarn im Nordwesten ein völlig anderes System der Arbeitslosenunterstützung haben, dass dort Kommunen und nicht der Staat für Unterstützung und Aktivierung zuständig sind, dass je nach örtlichen Gegebenheiten und Klientel auch die regelmäßige Teilnahme an Kaffeekränzchen als Gegenleistung für staatliche Unterstützung gilt – all das verschweigt Linnemann.

Sepp Müller variiert das Thema mit dem Vorschlag, Arbeitslosenunterstützung höchstens zwei Jahre lang zu gewähren. Wer nach dieser Frist noch nicht arbeite, müsse wohl krank sein. Kranke aber müssten von Krankenversicherung oder Rentenkasse versorgt werden. Zu Auswirkungen auf die schon jetzt klamme Finanzausstattung der entsprechenden Kassen inklusive möglicher Steigerungen der Beitragssätze auch für Unternehmer*innen verliert er kein Wort.

Erst mal dienen lernen

Vielleicht hilft ja auch eine allgemeine Dienstpflicht. Ein Jahr lang sollen junge Menschen nach der Schule einen Pflichtdienst absolvieren. Gern in der Bundeswehr. Aber auch andere Dienste seien möglich. Hauptsache junge Menschen werden erst einmal daran gewöhnt, ihr Leben nicht nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, sondern zu dienen. Die Vermutung liegt nah, dass die verweichlichte junge Generation abgehärtet werden soll. Motto: Der faulenzende Pöbel wird endlich zur Arbeit erzogen. Die Versammlung applaudiert.

Wie durch Dienstpflicht verzögerter Berufseinstieg gegen den Fachkräftemangel helfen soll, bleibt ungeklärt. Gleiches gilt für die Antwort auf die Frage, wieso Qualifikationen und Ausbildungen nicht belohnt werden sollen, wenn doch genau diese fehlen. Vielleicht geht es aber auch gar nicht um Qualifikation. Wie bei dem Hersteller mobiler Toiletten aus Coswig, der nach eigenen Worten gar keine qualifizierten Mitarbeiter*innen sucht, sondern nur angelernte Kräfte. Wenig qualifizierte Plastik-Klo-Zusammensetzer*innen haben im Zweifel auch geringere Lohnvorstellungen.

azubi-ablöse a la Bundesliga

Und dann sind da die Azubis. Auch die bleiben nach abgeschlossener Ausbildung nicht mehr automatisch bei ihrem Ausbildungsbetrieb, sondern wählen das jeweils lukrativste Angebot auf dem Markt. Von Azubi-Klau ist die Rede in den Reihen der versammelten Mittelständler*innen. Zu hohe Löhne gebe es in Öffentlichem Dienst und Großkonzernen. Die bildeten oftmals selbst nicht aus, übernähmen aber gern die bei kleinen Unternehmen qualifizierten Kräfte. Noch ein Grund, staatliche Regulierung einzufordern.

Für Fußballfan Linnemann ist klar: Eine Azubi-Ablöse muss her. Fünf Jahre sollen Azubis nach Abschluss ihrer Ausbildung im jeweiligen Betrieb bleiben, schlägt er vor. Wolle ein Unternehmen ausgelernte Azubis eines anderen vor dieser Frist übernehmen, müsse eine Ablöse gezahlt werden. Funktioniert ja auch in der Bundesliga. Dort profitieren von diesem System allerdings in erster Linie finanzstarke Clubs. Die erkaufen sich ihre Tabellenplätze geradezu. Vereine mit schmaleren Budgets, die in Nachwuchsförderung investieren, haben oft genug das Nachsehen. Was diese Quasi-Konzernförderung mit Mittelstandspolitik zu tun hat? Es bleibt ein Rätsel.

Mit Prämien in die planwirtschaft?

Noch rätselhafter wird es, wenn die Mittelstandsmannen Linnemann und Müller zu genau diesem Thema nach Bremen schauen. Dort hat der rot-grün-rote Senat eine Ausbildungsabgabe installiert. Unternehmen aller Größenordnungen zahlen in einen Ausbildungsförderungsfond ein. Wer ausbildet, erhält pro Ausbildungsplatz eine jährliche Fördersumme. Damit soll nicht zuletzt jener „Azubi-Klau“ bekämpft werden, dem Linnemann lieber mit Fußball-Ablöse-Kapitalimus beikommen möchte. Das Bremer Modell gilt den Unionsmittelständlern als Schritt in die Planwirtschaft.

Da wundert es nicht, dass Linnemann nichts von Prämien und Vergütungen für Weiterbildung und Qualifizierung hält. Entweder der Leidensdruck in der Arbeitslosigkeit reicht aus, um entsprechende Maßnahmen zu absolvieren, oder es ziehen die oben skizzierten Zwangsmechanismen. Anders ist es logisch nicht zu erklären, dass er die 2016 vom dritten Kabinett Merkel eingeführte Weiterbildungsprämie (bis zu 2.500 Euro bei Bestehen einer Abschlussprüfung) ablehnt – und damit mutmaßlich auch das von der derzeitigen Regierung etablierte monatliche Weiterbildungsgeld für Bürgergeldbezieher*innen, die eine entsprechende Ausbildung in Angriff nehmen.

zwang und pflicht – helfen nicht

Zusammenfassung: Für Sepp Müller und Carsten Linnemann sind Arbeitszwang und Pflichtdienst wichtiger als marktnahe und an Bedürfnissen der Unternehmen orientierte Maßnahmen zur Förderung von Qualifizierung und Ausbildung. Junge Menschen sollen qua staatlicher Dienstpflicht in Richtung Wohlverhalten eingenordet und zu diesem Zweck erst einmal dem Arbeitsmarkt entzogen werden. Ältere, die Zeit und Mühe in Qualifikationen für neue und bessere Chancen investieren wollen, sollen sich lieber mit Helferjobs begnügen. Konzerne nutzen mittelständische Betriebe weiter als Personallieferanten und bezahlen die Azubi-Ablöse aus der Portokasse.

Und all das ist dann Mittelstandspolitik? Mittelständler*innen, die schon heute kein ausreichend qualifiziertes Personal finden, sähen sich zwangsläufig mit einem noch weiter ausgedünnten Arbeitsmarkt konfrontiert. Fazit: Zwangsdienst und Pflicht, hilft der Wirtschaft nicht.

1. Mai in Dessau: Bilder sagen mehr als Worte

Bilder statt Ansprachen am 1. Mai in Dessau

Das Hauptprogramm bot Grußworte. Im Nebenprogramm tanzten Kinder. Manche Botschaften kamen aber ohne Worte aus. DeRoPolis zeigt, was die lokale Zeitung ignorierte.

Gewerkschaft ist solidarisch

Wie geht Solidarität auf dem Bau? – Ganz einfach: Zusammen arbeiten.

Ohne viele Worte bringt die IG BAU (Industrie-Gewerkschaft Bau-Agrar-Umwelt) am 1. Mai in Dessau praktische Solidarität auf den Punkt.

Motto: Arbeiter*innen kennen keinen Rassismus. Arbeitnehmer*innen stehen zu ihren Kumpeln und Kolleg*innen.

Urteil: Klare Kante gegen Sozialneid und Fremdenfeindlichkeit.

Selten gesehen: Arbeitnehmer der Union

Seltener Gast am 1. Mai: Die CDU.

Die CDA (Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft) war in Dessau vor Ort. Sie bezeichnet sich als gewerkschaftsnah.

Motto: Wer mitreden will, muss dabei sein.

Urteil: Demokratie bedeutet Mitmachen aus Solidarität. Nicht trotz, sondern wegen politischer Unterschiede.

Blaune zu BUGA: Zu viele Blumen

Amtsblatt 05/2023

Ratsfraktion findet Fahren wichtiger als Flora

Blue-Green-Streets. Schon mal gehört oder gelesen? Nein? – Dann schauen Sie mal nach im Amtsblatt der Stadt Dessau-Roßlau, Ausgabe Mai 2023. Einfach als Suchbegriffe Amtsblatt, Name der Stadt und Jahreszahl in eine Internetsuch-maschine eingeben. Gleich die ersten Ergebnisse führen zum Ziel.

Im Amtsblatt Nummer 5 / 2023 blättern Sie zu den „Fraktionsseiten“ und dort zum Beitrag der ihrem Logo nach blauen Partei, deren politische Ausrichtung eher eine Farbgebung vermuten lässt, die an Lehm erinnert. Die Mischung beider Farben lässt sich als „Blaun“ umschreiben.

BUGA-Bewerbung abgelehnt

Der Vorsitzende der blaunen Fraktion, Andreas Mroseck, widmet sich in seinem Beitrag der Bewerbung der Stadt als Standort der Bundesgartenschau (BUGA) 2035 und begründet die Ablehnung der Bewerbung durch seine Fraktion. Alle anderen Fraktionen hatten zugestimmt und wissen dabei die örtliche Wirtschaft hinter sich. Grund genug, einen genaueren Blick auf die Gründe für die Ablehnung und das Konzept „blue-green-street“ (blau-grüne Straßen) zu werfen. An eben diesem Begriff entzündet sich die Empörung der Blaunen.

Blau-Grüne Straßen bedeuteten die Umwandlung von Hauptverkehrsachsen in Blumenbeete, behauptet Mrosek. Die in Nord-Süd-Richtung verlaufende innerstädtische Hauptverkehrsachse (Albrecht- / Kavalier- / Franz- / Heidestraße) sei aber schon heute ein „Nadelöhr“ für den Individualverkehr. Wenn zudem Querverbindungen zwischen Stadtteilen und Ortschaften quasi verbeetet würden, kämen außerhalb der Innenstadt wohnende Dessauer*innen nicht mehr zum Einkaufen. (Roßlauer*innen kommen in Mroseks Ausführungen nicht vor). Schlussfolgerung Mroseks: „Die Innenstadt muss […] befahrbar bleiben!“ Also Nein zur BUGA-Bewerbung.

Asphalt statt blumen

Wir schlussfolgern haarscharf: Wenn Blumen dem Autoverkehr im Wege sind, braucht es mehr Asphalt (wenn man Mrosek und seiner Partei folgt). Und siehe da, wenn die blaune Fraktion dem Projekt BUGA überhaupt noch zustimmen soll, müsse vorher zumindest die sogenannte Nordumgehung gebaut werden. Der stünden zwar ganze Baumbestände im Wege (von schützenswerten Uferbereichen der Mulde samt Überschwemmungsflächen ganz zu schweigen). Aber wer sich vor Begrünung in der Stadt fürchtet, kämpft halt auch gegen Bäume am Stadtrand.

„blue“ statt Dürre und Überschwemmungen

Was uns zurück führt zur Frage nach „blue-green-streets“. Mindestens einen Teil dieser Bezeichnung hat Mrosek entweder übersehen oder die Bedeutung nicht intellektuell umsetzen (sprich: unter Zuhilfenahme des Verstandes verstehen) können. Nämlich das „blue“. Blau steht hier nicht für Kornblumen auf den von Mrosek befürchteten Beeten, sondern für Wasser. Und mit dem hat Dessau in jüngerer Vergangenheit bekanntlich heftig zu kämpfen. Sowohl mit zu viel (Überschwemmungen) wie auch zu wenig (Dürre und Trockenheit bei Stadtgrün und in Parks).

Um Trockenheit und Überflutungen entgegenzuwirken, „(muss sich) Stadtgrün und Überflutungsschutz in den multifunktional genutzten Straßenraum einfügen“, erläutert das Bundesforschungsministerium den Sinn des vom Bund geförderten blue-green-street-Konzepts. Das Projekt solle dazu beitragen, „die Wirksamkeit von Planungsinstrumenten (…) zu grünen städtischen Infrastrukturen, urbaner Wasserwirtschaft, dem Sanierungsmanagement von Straßen und Kanälen sowie der Verkehrs- und Freiraumplanung (…) weiterzuentwickeln.“ Auf diese Weise „(sollen) Straßenräume zukunftsfähig gestaltet werden und so zu Multitalenten der Stadtquartiere werden.“

Entwickelt und vorangetrieben wird das blue-green-streets-Konzept übrigens von der HafenCity Universität (hcu) in Hamburg. Beteiligt sind universitäre und privatwirtschaftliche Forschungseinrichtungen und -institute aus Berlin, Hamburg, Hannover, Hoppegarten und Karlsruhe. Nachzulesen ist das alles online auf der Website des Forschungsprojekts der hcu sowie der Website des Bundesforschungsministeriums zu ressourceneffizienten Stadtquartieren (eben diese Suchbegriffe eingeben).

Dürre im gartenreich

blue-green-streets sind also keine spinnerte Idee der kommunalen Verwaltung. Vielmehr verknüpft das Dessau-Roßlauer BUGA-Konzept die lokale Umsetzung mit einem Projekt des Bundes und erschließt auf diese Weise mutmaßlich Zugang zu KnowHow und Fördergeldern. Und ohne solche Fördergelder wäre eine kontinuierlich eher klamme Kommune wie Dessau-Roßlau kaum in der Lage, ihr innerstädtisches Wassermanagement so zu gestalten, dass ein wichtiges Marken-zeichen des hiesigen Kulturreiches auf Dauer gedeiht statt verdorrt. Gärten und Parks brauchen eben nicht mehr Bodenversiegelung durch Straßen, sondern intelligente Gestaltung des städtischen Umfelds, in dem Feuchtigkeit für Mensch und Umwelt gehalten statt wegasphaltiert werden muss.

Dass solche Konzepte auch die Ertüchtigung des Öffentlichen Nahverkehrs beinhalten, also in Dessau-Roßlau insbesondere die Verbesserungen von Bus- und Straßenbahnverbindungen zwischen Ortschaften und Innenstadt, mit denen auch sehr alte oder sonst wie eingeschränkte Mitbürger*innen die Innenstadt einfach und komfortabel erreichen können, blendet der Blaunen-Vertreter aus. Wahrscheinlich sind ihm Parkplätze unmittelbar vor dem Rathaus auch wichtiger als der ohne Blechlawine unverstellte Anblick historischer Architekturensemble.

Flüchtlinge nur mit Rasenmäher?

Natürlich (Sie, werte Leser*innen, dürfen dieses Wort an dieser Stelle gern als ironisch verstehen…) geht es den Blaunen nicht allein ums Geld. Mindestens so wichtig ist bekanntlich die Frage nach Fachkräften. Um dieselben sorgt sich die Blaune Fraktion beim Gedanken an die Pflege neuer Grünanlagen, die mit der BUGA – man möchte sagen ‚natürlich‘ – entstünden. Für eben diese Pflege fehle es „an Personal und Technik“.

Und aus welchem Grund? Nach Blauen Lesart: Weil „sich unsere zugewanderten ‚Fachkräfte‘ an diesen notwendigen Arbeiten nicht beteiligen werden (Fachkräfte ist im Originalartikel der Blaunen in Anführungsstriche gesetzt, Anmerkung des Verfassers).“ Wenn also die Blumen nicht blühen, sind – wie könnte es aus Perspektive der blaunen Partei anders sein – „Ausländer“ schuld. Am besten wäre es wahrscheinlich, nur noch Flüchtlinge aufzunehmen, die einen eigenen Rasenmäher mitbringen. Dann wäre auch das Technikproblem gelöst… (*Ironie-Modus aus*)

Besch… BUGA?

De facto sei die komplette BUGA-Planung „ein Blick in die Glaskugel“, findet Mrosek, zumal das Problem der Defäkation ungelöst sei. Angesichts fehlender öffentlicher Toiletten bleibe es BUGA-Besuchern wohl de facto vorbehalten, ihr Geschäfte in Dixi-Klos zu verrichten. Sowohl den Bau neuer als auch die Wiederinbetriebnahme bestehender öffentlicher Bedürfnisanstalten hätten die Blaunen im Stadtrat beantragt. Der Antrag sei aber von der Stadtratsmehrheit abgelehnt worden, beklagt Mrosek.

Zwei Fakten verschweigt Mrosek allerdings: 1. Gegen neue öffentliche Klos sprach aus Sicht der Stadtratsmehrheit die Gefahr des Vandalismus. Instandsetzungen zögen unkalkulierbare Kosten nach sich. Diese Kosten lassen sich übrigens nicht aus Glaskugeln, sondern schlicht aus Erfahrungswerten ablesen. 2. Ihrerseits abgelehnt hat die Blaune Fraktion gerade in der jüngsten Stadtratssitzung am 26. Mai 2023 die Errichtung öffentlicher Trinkwasserspender in der Stadt. Grund: Sie befürchtet Vandalismus.

blumenvase vorm Auge

Mein Eindruck von den Ausführungen der Blaunen zur BUGA: Es hat nicht einmal für eine Glaskugel gereicht. Wahrscheinlich hatte Mrosek allein bei „blue-green-street“ nur noch eine Blumenvase vorm inneren Auge. Die hat dann wohl auch die Sicht an der Entstehung der an den Konzepten Beteiligten getrübt: Laut Blauner Fraktion sollen „Planungs- und Ingenieurleistungen im größeren Umfang an auswärtige Büros“ vergeben werden.

Führend beteiligt an der Entstehung des Konzepts zur BUGA 2023 in Dessau-Roßlau waren das Institut für Freizeit- und Tourismusberatung ift GmbH mit Sitz in Köln und Potsdam, die Runze und Caspar Werbeagentur GmbH aus Berlin sowie das Landschaftsarchitektur-Unternehmen SWUP GmbH mit Hauptsitz in Essen. Die an der Entwicklung des blue-green-street-Kozepts Beteilgten sind oben erwähnt. Wie viele „auswärtige Büros“ sollen es denn sein?

Verschwörungsfakten?

Bevor er sich in der vorliegenden Amtsblatt-Ausgabe der BUGA widmet, definiert Mrosek übrigens die von den Blaunen während der Covid-Pandemie pausenlos ventilierten „sogenannten Verschwörungstheorien“ um in „Verschwörungsfakten“.

Fakt ist in Sachen BUGA, dass sich die Blaunen offenbar aufgemacht haben, das Projekt BUGA 2035 in Dessau-Roßlau zur Verschwörung weniger gegen die Interessen jener ummünzen, für eine Stadt vor allem eines sein soll: ein großes Motodrom, das man am besten schnell durchquert oder gleich drumherum fährt. Blumen, Beete, Bäume und BUGA stören da nur. Dass Wissenschaftler*innen aus den Gebieten Stadtplanung und Ingenierwesen das ebenso anders sehen wie jene Bürger*innen, für die Stadt nicht nur aus Einkaufsgelegenheiten besteht, stört wiederum die Blaunen nicht. Wer nicht wissen will, kann Fakten halt auch nicht finden.