Der OB kennt keine Vorlagen, die Verwaltung präsentiert falsche Kosten, Förderprogramme ignoriert man
Robert Reck weiß von nichts. Er wisse nicht, warum für die neue Regenbogenschule 78 Quadratmeter große Klassenzimmer vorgesehen sind, sagt er der örtlichen Zeitung. Das „enorme Raumprogramm“ der vorliegenden Planungen wolle er deshalb „hinterfragen“. Über den Platzbedarf habe man sich noch nicht unterhalten. Eingebrachte Vorlagen des Oberbürgermeisters beweisen das Gegenteil. Sie waren Grundlage für den Stadtratsbeschluss Bernburger Straße.
Reck will die Regenbogenschule am bisherigen Standort erhalten. Schwerst körperlich beeinträchtigte Schüler*innen will er während der Umbauphase in einen Ausweichstandort verfrachten, für „ein bis zwei Jahre“. Nach der Umbauzeit sollen die Kinder am alten Standort in kleineren Räumen unterrichtet werden als im bisherigen Konzept geplant.
DeRoPolis dokumentiert die bisherigen Vorgänge und die Aktenlage.
Februar 2022: Kriterien für Standort
8. Februar 2022. Der Stadtrat berät die Beschlussvorlage mit der Drucksachennummer BV/387/2021/V-40. Einreicher: Der Oberbürgermeister. Seit August 2021 Robert Reck. Gegenstand der Vorlage: Eine „wirtschaftliche Untersuchung eines neuen Standortes für die Schule für Geistigbehinderte (Regenbogenschule)“. Die Studie soll im August des selben Jahres vorliegen. Der Stadtrat stimmt zu.
Anlage 3 zur Beschlussvorlage aus Februar 2022: Eine tabellarische Aufstellung der „Kriterien für Standortentscheidung (Stand: 07.12.2021)“. Darin aufgeführt: Die Größe der infrage kommenden Grundstücke. Am bisherigen Standort Breite Straße 8.358 Quadratmeter. An der Bernburger Straße 21.904 Quadratmeter. An beiden Standorten liegt je ein „städtebaulicher Missstand“ vor. Zum Punkt „Planungsrecht“: Voraussetzungen für Bauvorhaben sind an beiden Standorten gegeben. Für die Bernburger Straße führt die Tabelle zusätzlich den Punkt „Quartierskonzept Leipziger Tor“ an; „Ziel: Quartiersbezogene Angebote der Grundschulbildung und für das Gemeinwesen“.
Sporthalle und Teilhabe
An beiden Standorten muss laut Anlage jeweils eine neue Sporthalle gebaut werden. Die Doppelnutzung der Sporthalle am Friederikenplatz sei am Standort Breite Straße nicht ausreichend. An der Bernburger Straße ist eine „Sporthallenruine auf dem Grundstück“ vorhanden. Um den Sportplatz am Friederikenplatz zu erreichen, müssen Schüler*innen rund einen halben Kilometer zurücklegen. Auf dem Gelände an der Bernburger Straße ist ein Sportplatz vorhanden.
Auch kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe soll den Kindern am jeweiligen Schulstandort möglich sein. Von der Breiten Straße aus soll dies laut Tabelle mittels der Nähe der Zerbster Straße (ca. 540 Meter Entfernung) gewährleistet sein. An der Bernburger Straße liegt in 350 Metern Entfernung der Thomas-Müntzer-Jugendclub.
Prüfergebnis unter Berücksichtigung aller betrachteten Faktoren laut der vom Oberbürgermeister eingebrachten Beschlussvorlage: Breite Straße – nicht geeignet. Bernburger Straße – geeignet.
April 2023: Studie im Stadtrat nicht bekannt
April 2023. Die örtliche Presse berichtet von Unmut seitens Stadträtinnen und -räten im Hauptausschuss. Grund: Dem Stadtrat ist die per Beschluss vom Februar 2022 (siehe oben) beauftragte Machbarkeitsstudie zum neuen Standort der Regenbogenschule nicht bekannt.
Mai 2023: Breite Straße nicht vertretbar
Mai 2023. Im Ausschuss für Gesundheit, Bildung und Soziales reicht der Oberbürgermeister Drucksache Nummer IV/026/2023/IV-40 als Vorlage ein. Titel: „Sachstand zur Standortentscheidung Förderschule für Geistigbehinderte.“ Thema: „Die Stadtverwaltung informiert über den Sachstand des Standortvergleichs sowie über neue Erkenntnisse und die daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen.“
Fazit der Verwaltung: Am Standort Breite Straße „ist eine vollständige Unterbringung des Raumprogramms (…) aus städtebaulichen und stadtökologischen Gründen nicht vertretbar“. Der Bau würde den durchgängigen Grünzug am Friederikenplatz „zerschneiden“. Fördermittel beispielsweise vom Land könnten nur in Anspruch genommen werden, wenn zuvor das Integrierte Stadtentwicklungskonzept und der Fördergebietskulisse angepasst werden. Klimaneutrale Bauweise sei nur eingeschränkt möglich. Der Baugrund berge Risiken.
Zum Standort Bernburger Straße schreibt die Verwaltung: „(…) ist für die geplante Nutzung sehr gut geeignet.“ Vorteile seien insbesondere, dass Schulgebäude und Sportanlagen auf einem Grundstück lägen, die Gebäude klimaneutral konzipiert werden könnten und keine Interimsunterbringung der Schüler*innen notwendig wäre.
40 Millionen Euro kosten
Für „alle betrachteten Varianten“ (also beide hier angesprochenen Standorte) lägen die Kosten bei rund 40 Millionen Euro zuzüglich rund vier Millionen Euro für klimagerechte Bauweise. Bis zum Jahr 2026 habe die Stadt 15 Millionen Euro eingeplant. Förderprogramme seien nicht vorhanden. Im ungünstigsten Falle müsse die Stadt die komplette Summe selbst aufbringen. Das klingt erst einmal sehr pessimistisch.
Aber die Verwaltung schreibt weiter: „Im weiteren Verfahren müssen eventuelle städtebauliche, energetische und schulbauliche Finanzierungsmöglichkeiten über Land und Bund weiter intensiv verfolgt werden.“ Denn sie sieht „für den Standort Bernburger Straße gute Fördermöglichkeiten im Rahmen der Städtebauförderung („Sozialer Zusammenhalt“) und auch für nachhaltiges, klimaneutrales Bauen“. Die Lage ist also zumindest nicht hoffnungslos.
Vergleichen und sparen
Hoffnung hegt die Verwaltung insbesondere hinsichtlich der Gesamtbaukosten. Die sollten reduziert werden. Dazu „wurde die Aufgabenstellung noch einmal grundsätzlich hinterfragt, um mögliche Einsparpotentiale aufzeigen zu können.“ Zum Hinterfragen gehöre „eine Betrachtung von Neubauten in anderen Gemeinden“ sowie „eine Überprüfung der Flächen- und Kostenkennziffern“. Mit anderen Worten: Schauen, was andere machen und selbst kleiner und billiger bauen.
Vier Bauvorhaben für Förderschulen führt die Verwaltung auf. In Senftenberg, Cuxhaven, Celle und Berlin. Jedes einzelne weist eine kleinere Baufläche auf als für die Regenbogenschule (10.000 Quadratmeter) geplant. Das mit 4.500 Quadratmetern kleinste Vergleichsprojekt in Cuxhaven ist mit 38 Millionen Euro (Stand 2023) das teuerste.
Referenzobjekt zu billig veranschlagt
Als Referenzprojekt ausgewählt hat die Verwaltung die zum Zeitpunkt der Vorlage im Bau befindliche Panke-Förderschule Berlin mit 8.700 Quadratmetern Baufläche und Kosten von angeblich nur 27,5 Millionen Euro. Die Verwaltung merkt dazu an: „In einem Zeitungsartikel war von erheblichen Mehrkosten zu lesen, dem konnte aber noch nicht weiter nachgegangen werden.“
Die angegebene Summe stammt aus der Auslobung des Bauprojekts aus dem Jahre 2017. Am 8. Juni 2023 veranschlagt das Bezirksamt Pankow in Berlin die Baukosten für die Panke-Schule in einer Pressemitteilung zur Eröffnung der Schule mit 47 Millionen Euro. Die Dessau-Roßlauer Verwaltung will im März 2023 nicht gemerkt haben, dass Kosten für die Schule in Berlin seit 2017 um 20 Millionen Euro gestiegen sind und rechnet und vergleicht fröhlich mit einer Fantasie-Summe. Dazu später mehr.
eigentlich unvergleichbar
So richtig vergleichen könne man die Berliner Schule aber sowieso nicht mit der Regenbogenschule. Denn in Berlin Pankow werden keine Schüler*innen unterrichtet, die aufgrund schwerer körperlicher Beeinträchtigungen auch im Klassenraum in Spezialbetten liegen müssen. In Pankow wurden deshalb von vornherein kleinere Räume geplant. Günstiger sind die aber auch nur, wenn man die von der Dessau-Roßlauer Verwaltung um schlappe 20 Millionen Euro zu billig angesetzten Kosten zugrunde legt.
Juni 2023: Stadtratsbeschluss
Juni 2023. Der Stadtrat beschließt: An der Bernburger Straße soll ein Neubau für die chronisch überlastete Regenbogenschule entstehen. Grundlage des Beschlusses ist die von OB Reck initiierte Studie zur wirtschaftlichen Machbarkeit.
Juli 2023: Widerspruch des OB
Juli 2023. Oberbürgermeister Reck legt Widerspruch gegen den Beschluss des Stadtrates ein. Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, Paragraf 65, Absatz 3: „Der Hauptverwaltungsbeamte muss Beschlüssen der Vertretung widersprechen, wenn er der Auffassung ist, dass diese rechtswidrig sind. Er kann Beschlüssen widersprechen, wenn diese für die Kommune nachteilig sind.“ Reck begründet seinen Widerspruch zunächst nicht.
August 2023: Reck kennt eigene Vorlage nicht
August 2023. Laut Bericht der örtlichen Zeitung weiß OB Reck nicht, warum die Ersteller der Machbarkeitsstudie zur Regenbogenschule die Größe der Sporthalle „über dem geforderten Maß“ angesetzt hätten. Wieso die Studie mit einer Klassenraumgröße von 78 Quadratmetern (dem laut Zeitungsbericht „oberen Rand der Vorgabe“) geplant habe, weiß Reck auch nicht. Sagt er jedenfalls der Zeitung. Also der Öffentlichkeit. Die Zeitung zitiert Reck mit dem Satz „Da müssen Sie diejenigen fragen, die die Studie gemacht haben.“
Kennt Reck die Vorlagen seines eigenen Hauses nicht? Der besagten Drucksache Nummer IV/026/2023/IV-40 liegt die Studie der beauftragten arc architekturconzept GmbH aus Magdeburg bei (Anlage 2 Studie). Auf Seite 11 führt die Studie unter der Überschrift „Zusatzinformation zur Aufgabenstellung: Neue GB-Schule“ (GB steht augenscheinlich für Geistigbehinderte): „Anzahl der zu schaffenden Klassenräume: 20. Größe: Ca. 80 m2 je Raum, quadratische Grundfläche bevorzugt, 9m x 9m“ – und neun mal neun Meter ergibt sogar 81 Quadratmeter. Herr Reck wusste das nicht?
Auf der selben, von den Erstellern der Studie als Kopie eingefügten Seite: „Jede Klasse benötigt einen zugehörigen Lagerraum. (Teilung zwischen zwei Klassen möglich.) Größe: ca. 20 m2“ (Hervorhebungen im Original). Wer diese Zusatzinformationen verfasst hat, geht aus der Unterlage nicht hervor. Die Studienersteller waren es offensichtlich nicht. Auf den Seiten 12 bis 15 folgt ein Schreiben mit dem Titel „Kriterien zur Standortwahl Regenbogenschule. Förderschule für Geistigbehinderte“ auf dem Briefpapier der Schule, mit Namensangabe der Schulleiterin, datiert auf den 14.10.2021. Herr Reck wusste das nicht?
Landesschulamt: Stempel für Raumprogramm
Nach der Kapitelüberschrift „02 Anerkanntes Raumprogramm“ auf Seite 18 führt die Studie auf den Seiten 19 bis 23 das „Raumprogramm“ der neuen Regenbogenschule tabellarisch und mit einer ergänzenden Skizze versehen auf. Jede einzelne Seite ist abgestempelt vom „Landesschulamt, Nebenstelle Dessau-Roßlau, Nantegasse 6, 06844 Dessau-Roßlau“. Die Größe jedes einzelnen Klassenraums ist mit 78 Quadratmetern angegeben. Herr Reck wusste das nicht?
Robert Reck sagt der Zeitung laut Bericht vom 26. August 2023, man sei „noch nicht einmal ins Gespräch über die Größe der Schule gekommen“ und fordert, „das enorme Raumprogramm zu hinterfragen“. Der skizzierten Aktenlage nach bestand der einzige Grund, etwas zu hinterfragen, in dem angenommenen, aber nicht existenten enormen Kostenunterschied zwischen der Dessau-Roßlauer Kalkulation und jener der Berliner.
Berlin: 20 Millionen mehrkosten verschwiegen
Nur war die Kalkulation aus Berlin eben schon lange Makulatur und wich von vornherein von dem hiesigen Konzept ab, weil in Berlin schlicht keine größeren Räume gebraucht wurden und werden. Es liegt der Verdacht nahe, mit der Hinterfragerei sollen Stadtrat und Öffentlichkeit hinter die Fichte geführt werden.
Unverdrossen behauptet Reck, eine Verlegung der Regenbogenschule an die Bernburger Straße schade der (Innen-)Stadt, weil dann an der Breiten Straße ein Leerstand entstehe. Laut Anlage 3 zur Drucksache BV/387/2021/V-40 aus Februar 2023 ist aber auch der derzeitige Zustand des Areals an der Bernburger Straße ein „städtebaulicher Misstand“. Der würde mit dem Neubau beseitigt. Profitieren würde davon das Quartier Leipziger Tor. Dessen Entwicklung ist angeblich ein Schwerpunkt in der Stadtentwicklung.
Eigentümer zeigt interesse, Reck will
Nicht profitieren würde vom Standort Bernburger Straße allerdings „der Eigentümer von Nachbargrundstücken der Breiten Straße“. Dieser nicht näher bezeichnete Eigentümer hat laut Drucksache Nummer IV/026/2023/IV-40 aus Mai 2023 „Interesse an einer gemeinsamen Entwicklung des Standorts signalisiert“. Die Stadtverwaltung werde deshalb im Gespräch mit diesem Eigentümer „bislang nicht bekannte Synergien“ ausloten. Aber: „Andererseits würde der Erwerb von Grundstücken zu zusätzlichem Zeitaufwand führen und weitere Kosten verursachen.“ All das steht im Papier der Verwaltung.
Bei diesem Eigentümer kann es sich nur um die stadteigene Dessauer Wohnungsbaugesellschaft GmbH (DWG) handeln (DeRoPolis berichtete). Andere Wohnungsunternehmen mit Bestand in der Nachbarschaft bestreiten vehement, Wohnungsblöcke verkaufen zu wollen. Das Platzproblem der Schule an der Breiten Straße ist damit quasi unlösbar.
Rechtswidrig ist der Beschluss des Stadtrates zum Neubau an der Bernburger Straße offenbar nicht. Die Planungen sind mitsamt der von Robert Reck bemängelten Raumgröße schlüssig gemäß pädagogischen Notwendigkeiten dargelegt. Das Landesschulamt hat das Ganze billigend zur Kenntnis genommen (siehe oben). Laut Kommunalverfassung muss Reck also nicht widersprechen. Er will es.
drei Faktoren
Recks Wille zum Widerspruch kann rational nur mit drei Faktoren erklärt werden, aus denen er Nachteile für die Stadt ableitet: 1. Er nimmt an, dass in Dessau-Roßlau im Vergleich zu den angenommenen Kosten für die eigentlich als Vergleichsobjekt ungeeignete Schule in Berlin zu teuer kalkuliert wurde. 2. Er will Leerstände in Innenstadtnähe um jeden Preis vermeiden, um sein Wahlversprechen der Förderung der Innenstadt zumindest pro forma zu erfüllen. 3. Er will den Schulneubau an der Breiten Straße als Beitrag zur Sanierung der DWG nutzen, denn die könnte weitgehend leerstehende Wohnungsblöcke günstig an die Stadt, ihre Eigentümerin verscherbeln.
Faktor 1. läuft ins Leere, weil die Verwaltung ohne weitere Prüfung von einem viel zu geringen Kostenansatz für die Vergleichsschule in Berlin ausgegangen ist. Tatsächlich ist die dortige kleinere Schule Stand heute teurer als die für die neue Regenbogenschule veranschlagte Summe. Faktor 2. zeigte Recks Desinteresse an der Entwicklung des Quartiers Leipziger Tor, das von der Schule an der Bernburger Straße nachhaltig profitierte. Faktor 3. bewiese ein rein technokratisches Verständnis von Stadtentwicklung, in dem Kinder und pädagogische Notwendigkeiten bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielen.
Studie: Sieben Förderprogramme
Wenn Einzelheiten zum Schulneubau der Regenbogenschule bislang nicht ausreichend gewürdigt worden sind, gilt das augenscheinlich vor allem für mögliche Förderungen des Baus mit Landes- und Bundesmitteln. Sieben (als Ziffer: 7) Förderprogramme führt die Machbarkeitsstudie auf Seite 52 an, versehen mit der Anmerkung „Zuarbeit Klimaschutzmanager der Stadt Dessau-Roßlau“.
Die Programme sind allesamt für die Förderung klimaneutraler Bauten gedacht. Zum Tragen kämen die entsprechenden Zuschüsse vor allem bei einem Neubau am Standort Bernburger Straße. Denn in der Breiten Straße ließe sich klimaneutrale Bauweise laut Machbarkeitsstudie nur unzureichend realisieren.
Kennt Reck auch diese Empfehlungen aus seiner Verwaltung nicht? Oder ignoriert er sie, weil die Zuschüsse eben am ehesten an der Bernburger Straße fließen würden? Wie dem auch sei, angesprochen hat Reck diese Finanzierungsmöglichkeiten jedenfalls bislang öffentlich nicht. Vergäbe der Oberbürgermeister diese Chancen, Gelder für die Stadt zu sichern, wäre das auf jeden Fall ein Nachteil für die Stadt – und für die Kinder.
Recks Rechtsauffassung
Es bleibt die Frage, ob auch Recks Interpretation der rechtlichen Grundlagen für seinen Widerspruch auf Unwissenheit beruht oder er sich absichtlich im Ungefähren bewegt. Gegenüber der örtlichen Zeitung gibt der OB zu verstehen, er müsse seinen Widerspruch „aus rechtlichen Gründen“ aufrecht erhalten – schreibt jedenfalls das Blatt. Gleichsam wolle Reck aber nicht durch alle Instanzen gehen. Als ob es dem OB obliegt zu bestimmen, bis zu welchem Grad öffentliches Recht gilt.
Wenn ein Ratsbeschluss rechtswidrig ist, muss der OB als Hauptverwaltungsbeamter Widerspruch einlegen, sagt die Kommunalverfassung. Täte er es nicht, verletzte er seine Dienstpflicht. Ein solcher Rechtsverstoß muss von Amts wegen verfolgt und korrigiert werden. Politischen Spielraum gibt es dabei nicht.
Politisch nackig
Macht der OB aber von seinem Kann-Recht zum Widerspruch Gebrauch, weil er einen Ratsbeschluss politisch als nachteilig bewertet, muss sich der Stadtrat erneut mit der Thematik befassen und kann den OB überstimmen. Dann gibt es keinen Rechtsweg und keine Instanzen. Dann ist es Politik. Ein überstimmter OB hat sich im Zweifelsfall schlicht politisch entblößt. Und sei es, weil er die Vorlagen der eigenen Verwaltung unter Nichtwissen verbucht.
Recks gnädige Ankündigung, seinen Widerspruch nicht „durch alle Instanzen“ – die es in dieser politischen Causa offenbar gar nicht gibt, denn Rechtsinstanzen kommen angesichts fehlender Rechtsverletzung ga nicht zum Tragen – zu verfolgen, ist eine rhetorische Nebelkerze. Der Nebel des angeblichen Nichtwissens soll seine politische Blöße verhüllen. Bleibt zu hoffen, dass der Stadtrat das Nebelhorn erklingen lässt, das dem OB Orientierung bietet.