Altlasten und Rest-Posten-Recycling

CDU: Notdosen, LINKE: Story, SPD: Besinnung

Eine Fraktion fehlt im September-Amtsblatt. Genügend Gelegenheit also für leichte Lästereien. Es soll ja nicht langweilig bleiben in der Medienlandschaft unserer Stadt. Wer sich die Originalbeiträge auf den Fraktionsseiten zu Gemüte führen möchte, wird online mit den Suchbegriffen Amtsblatt und Dessau-Roßlau fündig.

Billig: Radler-Schutz und Notfalldosen

Nur fordern, was auch machbar ist. An dieses Motto will sich die CDU-Fraktion in der anstehenden Haushaltsdebatte halten, verkündet ihr Vorsitzender Heiko Adamek im September-Amtsblatt der Stadt Dessau-Roßlau. Die Christdemokraten knüpfen an ihr traditionelles Credo wirtschaftlicher und haushalterischer Disziplin an – und verknüpfen dasselbe mit praktischer Kreativität: Wenn der Ausbau des Radweges in Alt-Kochstedt kurzfristig nicht machbar (wahrscheinlich weil zu teuer) ist, kann ein Schutzstreifen für Radler*innen zumindest für etwas mehr Sicherheit sorgen. Die Fraktion wolle dieser Option „nachgehen“. Man darf gespannt sein, wie sie die Idee mit praktischer Initiative unterfüttert.

Weniger diszipliniert mutet der aufgewärmte Vorschlag an, die Stadtverwaltung möge kostenlose Notfalldosen ausgeben. Solche Dosen dienen der Aufbewahrung wichtiger Medikamente, damit Rettungskräfte diese im Falle eines Falles schnell finden. Die länglich geratene Gebrauchsanweisung (im Kühlschrank lagern) dazu erinnert an Artikel in einer Apothekenzeitschrift. Was das mit genuinen Aufgaben einer personell sowieso schon dünn aufgestellten Stadtverwaltung zu tun hat, bleibt das Geheimnis der Fraktion.

Sicherlich, die Döschen kosten nicht viel und sind ein nettes und von Apotheken oft als Werbegeschenk verteiltes Give-away. Kosten entstehen allerdings eher nicht durch die Beschaffung, sondern die entsprechende Administration und den damit verbundenen Arbeitsaufwand in der Verwaltung. Getreu dem Motto: Was ist die Steigerung von schlecht gemacht? Antwort: Gut gemeint.

Bunte knöpfen sich Blaune vor

Auseinander nimmt die „Bunte Fraktion“ (Grüne, FDP, Neues Forum-Bürgerliste) in ihrem Beitrag einen vermeintlichen Skandal: Den angeblichen Freibad-Sozial-Betrug. Entsprechende Gerüchte hatte die Blaune Fraktion (Partei mit blauen Logo und bräunlichen politischen Inhalten) gestreut und mit Fake-Beweisen garniert.

Die ebenso dilettantisch konstruierte wie dämlich initiierte Bade-Schmutzkampagne der Blaunen war schon in der örtlichen Zeitung als eben solche entlarvt worden (und das durchaus trocken). Aber gut, die Bunten zeigen zumindest den Willen, Propaganda und Desinformation entgegenzutreten. Ein zeitnah platzierter kerniger Kommentar per Leserbrief oder Pressemitteilung hätte wahrscheinlich mehr bewirkt, als das Ganze rückblickend aufzuwärmen. Aber: immerhin.

Kulturpass, Jugend und Kommunales

Was allerdings der folgende Hinweis auf den vom Bund initiierten und vergebenen Kulturpass genau mit Dessau-Roßlau zu tun hat, bleibt weitgehend neblig. Bereits im August unkte die lokale Presse, die hiesigen Angebote seien aufs Bauhaus und das Gartenreich beschränkt. Je öfter – und das ist die eigentliche Krux bei der Angelegenheit – sich die „normalen“ Fraktionen auf ihren Amtsblattseiten über Dinge auslassen, die keinen unmittelbaren Zusammenhang zur Stadt respektive zur Arbeit der jeweiligen Fraktion aufweisen, desto weiter steht das Tor offen für Falschmeldungen und Propaganda von einer Seite, die erst gar nicht vorgibt, in irgendeiner Weise konstruktiv mitzuwirken.

LINKE: Gut präsentierte Story

Geradezu professionelles Storytelling betreibt die LINKE und berichtet erst einmal von der Einschulung von „37 Kühnauer ABC Schützen“, um dann inhaltlich auf den Ortsentwicklungsplan des Jahres 2013 umzuschwenken. Dieser Plan war maßgeblich von Vertreterinnen und Vertretern der Partei im Ortschafts- und Stadtrat geprägt und erarbeitet worden. Damals stand die örtliche Grundschule vor dem Aus. Heute ist ihr Bestand jedenfalls vorläufig gesichert.

Als „Zwischenbilanz“ bezeichnet die LINKE ihren skizzenhaften Abgleich von Kommunalwahlprogramm 2019 und entsprechenden Beschlussvorlagen. Ermäßigte Parkkarten für ambulante Pflegedienste seien vom „inneren Wirkungskreis des Oberbürgermeisters abgelehnt“ worden. Eine nicht näher bezeichnete Vorlage zur „Verpachtung öffentlicher landwirtschaftlicher Nutzflächen“ wolle die Fraktion neu einreichen.

Konkrete Kommunalpolitik

Angesichts von der Stadt respektive dem Stadtrat an- und übernommener Beschlussvorlagen zur dauerhaften Bestellung eines Klimamanagers und zum Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide preist sich die LINKE selbst als besonders konstruktiv und beweint die ihr nicht gewidmete Aufmerksamkeit der lokalen Presse.

Nun gibt’s ja neben der irgendwo zwischen Lokalnachrichten, dem berühmten Kessel Buntes und Boulevard zu verortenden Zeitungsredaktion auch noch die kontinuierlichen steigenden Zugriffszahlen auf dieses Medium – und der Autor dieser Zeilen kann nicht verhehlen, dass die Fraktion der LINKEN tatsächlich kontinuierlich Rechenschaft über ihre politische Arbeit ab- und damit die sprichwörtliche Latte für andere Fraktionen hochlegt. Dafür gebührt der Fraktion Respekt.

Der Entsorger und die Altlasten

Redebeiträge vor allem sehr in der Vergangenheit verhafteter SED-Veteranen, die sich während des jüngsten Parteitages der LINKEN mit vierzigjähriger und längerer „Parteizugehörigkeit“ brüsteten, machen es Medienmenschen allerdings schwer, der Partei echtes politisches Gewicht beizumessen. Dass sich die Stadtratsfraktion von solcherlei DDR-Nostalgie abhebt, ist wahrscheinlich ihrem Vorsitzenden zuzuschreiben. Der kennt sich als Unternehmer in der Entsorgungs- und Recyclingbranche sicherlich mit dem fachgerechten Umgang mit Altlasten aus…

SPD: „Besinnungsaufsatz“

So leicht es einem die LINKE zuweilen macht, über sie zu lästern, so schwierig wird’s bei der SPD. Für die hat Ingolf Eichelberg eine komplette Amtsblattseite mit Lobhudelei über die Stadtmarketinggesellschaft gefüllt. Bei der hat er den Posten als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender inne. Eine Stimme aus der altehrwürdigen Partei selbst: Es handele sich um einen „Besinnungsaufsatz“. Prosa in Rosa sozusagen (so richtig rot kommt das Grußwort aus dem Aufsichtsrat nicht rüber). Man könnte eine Art politisches Recycling verbliebener Rest-Posten vermuten.

Pro Gewaltfreiheit – contra Behäbigkeit

Pro Dessau-Roßlau hat sich ausweislich des Berichts ihres Stadtrates Thomas Picek mit Beigeordneten und Dezernenten unterhalten, hatte aber anscheinend noch keine Zeit, daraus echte Forderungen abzuleiten. Anstatt von solchen zu schreiben, lässt die Fraktion wissen, was sie bewegt. Das mutet nett und gewaltfrei kommuniziert an, gibt aber keine Hinweise auf politische Vorhaben.

Dieselben werden aber wahrscheinlich überbewertet, denn, so lässt Marco Egelkraut wissen, in der Stadt ist „ganz schön was los“. Mit dem Verweis auf Konzerte und Feste kommt er zu dem Schluss, die Stadt sei „doch gar nicht so behäbig, wie mancher denkt“. Ach, wenn das doch auch für die Kommunalpolitik gälte…

Kein Blödsinn von den Blaunen

Wer nun Anmerkungen zur Blaunen Fraktion vermisst (das die Fraktion der Partei mit dem Blau im Logo und der bräunlich gefärbten Politik), die oder der sei vertröstet: Der Fraktion fiel anscheinend nichts ein. Oder sie wollte dem Autor dieser Zeilen nicht schon wieder eine Vorlage liefern…

Eis wächst, Hirn schmilzt – AfD-Propaganda mit amtlichem Segen

Mrosek, Eis und Klimawandel – Propaganda, Stadt und Verantwortung – Wachsendes Eis, schmelzender Verstand

Die Blaunen, von denen hier die Schreibe ist, sind jene Partei, die im Logo an der Farbe Blau und hinsichtlich ihrer politischen Ausrichtung an einer an Erdtöne erinnernden Farbe zu erkennen ist.

Das Amtsblatt der Stadt Dessau-Roßlau, auf das sich dieser Beitrag bezieht, finden Sie in Ihrem Briefkasten oder online – einfach per Suchmaschine nach Amtsblatt und Ort suchen.

Die Blaune Partei ist lernfähig. Zumindest in Dessau-Roßlau. Solch eine Feststellung hätten Sie, werte Leser*innen nicht auf diesem Blog erwartet? Nun, wir müssen ja nicht nur den Tatsachen in die Pupille blicken, sondern neben gutem Willen auch pädagogische Grundsätze berücksichtigen. Und die besagen nun einmal, jeder Kritik sollte ein Lob vorgeschaltet werden. Schon wegen der Erwartungshaltung der Angesprochenen. Die soll quasi geöffnet werden, um der Erkenntnis den Weg zu bahnen. Das gilt übrigens nicht nur für die Blaunen-Beiträge im städtischen Amtsblatt, sondern auch für dessen Herausgeberin, die Stadtverwaltung. Dazu später mehr.

Die Erde ist rund!

Worin also besteht der Erkenntniszuwachs bei den Blaunen, namentlich bei ihrem örtlichen Führer, dem Vorsitzenden der Blaunen Stadtratsfraktion Andreas Mrosek? (*Trommelwirbel*)

Die Erde ist rund! Der gelernte Nautiker Mrosek – alias Käpt’n Blaunbär – hat erkannt: Die Erde ist ein Ball. Wer nach Süden fährt und die Reise lange genug geradeaus fortsetzt, kommt sozusagen mit kleinem Umweg irgendwann am Nordpol an. Nun gilt es nur noch, an Feinheiten zu feilen. Im vorliegenden Fall an der Vorsilbe „Ant-“. Die wechselt nämlich auch bei einer in Richtung Süden beginnenden und in der Arktis endenden Erdumrundung weder Bedeutung noch Polkappe.

Nordpol? Südpol? Hauptsache Eis.

Bitte was? Nun ja, wir müssen uns wohl kurz in eine von alternativen Fakten geprägte Gedankenwelt versetzen: Getreu dem Motto „egal, ob Nord oder Süd, Hauptsache Eis“ zitiert Mrosek in der August-Ausgabe des örtlichen Amtsblatts eine Studie der European Geosciences Union (EGU). Sie belege, dass es den Klimawandel nicht gebe. Angeblicher Beweis: Die Fläche des arktischen Eises (also am Nordpol) sei seit 2009 um 5.305 Quadratkilometer gewachsen und habe 661 Gigatonnen Masse zugelegt, schreibt Mrosek.

Das ist Nonsens. Die EGU hatte die Eismassen der Antarktis (Südpol) untersucht. Zwar stimmen die von Mrosek zitierten Zahlenangaben zu Wachstum von Masse und Fläche des Eises. Die geografische Zuordnung ist jedoch ebenso falsch wie der vom blaunen Unterführer konstruierte Zusammenhang zur angeblich nicht vorhandenen Erderwärmung. Die Behauptung, die Studie widerlege den Klimawandel, ist reine Fantasie. Was aber stimmt?

Kalbende gletscher

Auf der frei zugänglichen Wissenschaftswebsite „copernicus.org“ stellt die EGU eine Studie vor, die die wissenschaftliche Methodik zur Messung und Bewertung des Abbruchverhaltens antarktischer Eismassen untersucht. Hintergrund: Von polarem Eis (egal ob am Nord- oder Südpol) abbrechende Eisberge (Glaziologen sprechen vom Kalben der Gletscher) schmelzen relativ schnell ab und tragen zum Steigen der globalen Meerespegel bei. Wichtigste Erkenntnis der Forscher*innen: Um valide Aussagen über den langfristigen Einfluss des Kalbungsverhalten treffen zu können, müssen bislang kaum berücksichtigte Daten aus der Beobachtung der Pole per Satellit ausgewertet und in neue Berechnungsmodelle übertragen werden.

Für den Zeitraum 2009 bis 2019 haben die Forscher*innen entsprechende Daten zur Entwicklung des gesamten antarktischen Eisschildes ausgewertet. Eine laut Studie neue Methode. Üblich sei bislang die Betrachtung einzelner, regionaler Eisplatten. 34 Eisschelfe wurden binnen der zehn Jahre untersucht. Allein 2017 seien 5.917 Quadratkilometer Eis bei einer einzigen Kalbung des Larsen-C-Schelfs im Weddel-Meer abgebrochen. Der entstandene und seither abschmelzende Eisberg war doppelt so groß wie das Saarland. Zahlreiche Medien berichteten auch in Deutschland über das Ereignis.

Gelegenheit macht Eisberge

Insgesamt allerdings seien Masse und Fläche des gesamten antarktischen Eises im fraglichen Zeitraum tatsächlich um die oben genannten Werte gewachsen.

Betrachten wir diese Entwicklung mit ein bisschen Logik und Grundkenntnissen aus dem Matheunterricht der Mittelstufe: Wächst eine Fläche, vergrößert sich ihr Umfang. Mit dem Flächenwachstum des antarktischen Eispanzers geht die Vergrößerung seines Umfangs einher. Ergo verlängert sich die Eisküste, von der Eisberge abbrechen können. Die Wahrscheinlichkeit wächst, dass Schelfe kalben und riesige Eismassen immer schneller abtauen. Vor allem in der Westantarktistark. Die dortigen Seegebiete erwärmen sich besonders rasant. Grund sind offenbar Tiefenströmungen im Meer. Diese Erwärmung haben Wissenschaftler*innen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung schon 2014 nachgewiesen und betrachten sie als Folge des Klimawandels. Gerade die kurzfristig gewachsende Eisfläche erhöht also den Abschmelzbeitrag zum steigenden Meeresspiegel. Gelegenheit macht Eisberge. Nach 2019 erhobene Daten belegen die Richtigkeit dieser Schlussfolgerung.

2023: Spektakulärer Verlust an Eis

Keine einzige Silbe der EGU-Forscher*innen legt nahe, die binnen zehn Jahren gemessene Zunahme der gesamten antarktischen Eismasse widerlege den Klimawandel. Dafür wäre der Betrachtungszeitraum viel zu kurz. Globale Entwicklungen spielen sich nicht binnen eines willkürlich gewählten Jahrzehnts ab. Deshalb schlägt die Studie vor, die vorgestellte wissenschaftliche Methodik auf längere Zeiträume anzuwenden und dafür ältere Daten aus der Satellitenbeobachtung auszuwerten.

2022 wich die Eismasse in der Antarktis bereits erheblich vom Durchschnittswert ab – nach unten. Der Eispanzer war merklich geschrumpft. Seit Mitte Mai 2023 ist im Vergleich zum Mittelwert früherer Jahrzehnte um ein Vielfaches weniger Eis in der Arktis vorhanden – und der Trend setzt sich ausweislich jüngster Daten immer schneller fort. „Spektakulär“ und „beunruhigend“ findet das der Bremer Professor für Meereseisphysik Christian Haas laut jüngster Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung. Ein Zusammenhang zum Klimawandel sei nicht auszuschließen.

Käpt’n Blaunbärs Eisbärenfell

Käpt’n Blaunbärs (Mrosek ist Nautiker) angeblich wissenschaftlich fundierte Behauptung, das offenbar nur temporäre Wachstum des Eisschildes widerlege den Klimawandel, ist sozusagen am Eisbärenfell herbeigezogen. Wobei: Eisbären leben in der Arktis. In der Antarktis gibt es Pinguine.

Am Rande: Mrosek war nach eigenen Angaben von 1989 bis 1995 „auf verschiedenen Seeschiffen“ mit „Verantwortung“ eingesetzt. Von 2007 bis 2016 war er Kanalsteuerer (eine Art Lotse) auf dem Nord-Ostsee-Kanal). Das war wohl auch besser, denn auf dem Kanal musste er nur zwischen West und Ost navigieren. Mit der Unterscheidung zwischen Nord und Süd hat er ja offenbar Schwierigkeiten.

Erst abgelehnt, dann veröffentlicht

Anlass für die Publikation von Mroseks August-Einlassungen zum angeblichen Beweis des Nichtvorhandenseins des Klimawandels ist ausgerechnet die Ablehnung eines entsprechenden Beitrags für die Juli-Ausgabe des Amtsblatts: Die Stadtverwaltung hatte die Veröffentlichung mit dem Hinweis verweigert, das Thema habe keinen Bezug zu Dessau-Roßlau.

Im August hat sich die Stadt dann offenbar der Behauptung des selbst ernannten Schonungslosen Aufklärers (abgekürzt: SA) Mrosek geschlagen gegeben, der Artikel sei als „Hinweis“ für den städtischen Klimabeauftragten gedacht und habe deshalb einen Bezug zur lokalen Politik – und hat den Blödsinn veröffentlicht. Dabei haben sich weder lokale Relevanz noch sachliche Fehlerhaftigkeit der blaunen Propaganda verändert.

Amtliche Verantwortungslosigkeit

„Für die sachliche und fachliche Richtigkeit aller Angaben auf den Fraktionsseiten übernimmt die Stadtverwaltung als Herausgeberin des Amtsblattes inhaltlich keine Gewähr“, heißt es unverdrossen und jenseits der Regelungen des Presserechts in der Unterzeile zu den Fraktionsseiten. Die Stadt lehnt mithin alle Verantwortung für zusammenfantasierte Propaganda ab. Sie publiziert verantwortungslos.

Gleiches gilt für die übrigen Fraktionen im Stadtrat: Im geltenden sogenannten Redaktionsstatut (Beschluss des Stadtrates aus Oktober 2019) heißt es, „dass Beiträge für die Fraktionsseiten dann nicht veröffentlicht werden, wenn sie offenbar unwahr sind (…)“. Es ward aufgeschrieben und augenscheinlich vergessen. Wie viel Schwachsinn soll denn Bürgerinnen und Bürgern noch mit quasi amtlichem Segen untergejubelt werden, bis in Verwaltung oder Stadtrat jemand aufwacht? Bei den einen wächst das Eis, bei anderen schmilzt der Verstand.

Alles, was Amt ist: das Amtsblatt und das Presserecht

Presserecht, Amtsblatt und ein genervter Präsident

Er war genervt, der Herr Stadtratspräsident Frank Rumpf. Augenscheinlich ging ihm die Frage auf die Nerven: Wie es denn um das Presserecht beim städtischen Amtsblatt stehe, wollte DeRoPolis im Rahmen einer Einwohnerfrage an den Stadtrat wissen. Gestellt am 05. Juli 2023.

Nun ist es mit dem Recht so eine Sache. Wer präzise sein will, muss zuweilen ins Detail gehen. Und das dauert zuweilen läger als drei Minuten. Drei Minuten hat jede*r Einwohner*in der Stadt Dessau-Roßlau, um sich in der Einwohnerfragestunde zu Wort zu melden. Sagt Paragraf 6 der „Geschäftsordnung für den Stadtrat und seine Ausschüsse“.

zu viel des Rechts?

Naja, vielleicht hatte der Stadtratspräsident in seiner unzweifelhaften Weisheit erstens bereits das Anliegen des zweiten Fragestellers des Tages vorausgeahnt (der hatte die Versammlung gefühlt wesentlich länger, dafür aber wenig konkret beschäftigt), vielleicht war es ihm, Rumpf, des Rechts auch einfach zu viel.

Das wäre nichts wirklich Neues, schließlich hat der gute Mann auch jahrelang „Aufwandsentschädigung“ (740 Euro) sowie „Verdienstausfall“ (1.280 Euro) für seine Tätigkeit als ‚ehrenamtlicher Referatsleiter‘ im Ortsteil Rodleben kassiert (laut Berichterstattung des MDR vom 08. Dezember 2022). Interessierte aber jahrelang auch nicht. Vor allem nicht den Herrn Präsidenten. Und dann wundert sich seine Partei… Doch wir schweifen ab.

Sechs Wochen, zwei Ausgaben

Zurück also zur Frage. Dieselbe hat DeRoPolis bereits am 14. Mai 2023 per E-Mail an die Verwaltung gestellt. Am 23. Mai bestätigte die Verwaltung den Eingang der Frage mit der Zusage, diese „baldigst zu beantworten“. Das ist mehr als vier Wochen und zwei Ausgaben des Amtsblatts her. Und dieses Amtsblatt erscheint nach wie vor in einer – nun sagen wir, presserechtlichen Grauzone.

In den Pressegesetzen der Länder sind Verantwortlichkeiten für die Inhalte einer Publikation definiert. In Sachen-Anhalt ist Pragaraf 7 einschlägig, der behandelt das Impressum. Für redaktionell gestaltete Websites wie DeRoPolis gilt übrigens ähnliches: Schlag nach unter Medienstaatsvertrag Paragraf 18.

Pressegesetz für das land Sachsen-Anhalt

Im besagten Paragrafen im Pressegesetz des Landes Sachsen-Anhalt heißt es in Paragraf 7:

„(1) (…)

(2) Auf den periodischen Druckwerken sind ferner Name und Geschäftsanschrift des verantwortlichen Redakteurs anzugeben. Sind mehrere Redakteure verantwortlich, so muss das Impressum die in Satz 1 geforderten Angaben für jeden von ihnen enthalten. Hierbei ist kenntlich zu machen, für welchen Teil oder sachlichen Bereich des Druckwerks jeder einzelne verantwortlich ist. Für den Anzeigenteil ist ein Verantwortlicher zu benennen; für diesen gelten die Vorschriften über den verantwortlichen Redakteur entsprechend.

(3) (…).“

Ergänzend definiert Paragraf 12 desselben Gesetzes die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Impressum genannten Personen.

Blöd nur, dass im Amtsblatt der Stadt Dessau-Roßlau genau eine (in Ziffern: 1) Person als Redakteurin aufgeführt ist. Den Namen der armen Sachbearbeiterin lassen wir an dieser Stelle mal beiseite. Arm deshalb, weil die Dame laut Gesetz für jeden Käse in der Publikation verantwortlich ist. Und damit auch für Unwahrheiten, welche auf den so genannten Fraktionsseiten im Amtsblatt verbreitet werden (siehe frühere Berichterstattung auf DeRoPolis, insbesondere zur „Partei der Verfälscher“).

Pfiffig statt Rechtskonform?

Nun übertreffen sich aber Dessau-Roßlauer Verwaltung und Stadtrat geradezu an Pfiffigkeit. Nicht anders ist die die jeweiligen Fraktionsseiten ergänzende Fußzeile in einem jeden Amtsblatt zu interpretieren, in der es heißt:

„Für die sachliche und fachliche Richtigkeit aller Angaben auf den Fraktionsseiten übernimmt die Stadtverwaltung als Herausgeberin des Amtsblattes inhaltlich keine Gewähr und behält sich gegebenenfalls die Möglichkeit zur Richtigstellung vor.“

Ja nee, is‘ klar: Verantwortlich ist die Verwaltung nicht, korrigiert aber gegebenenfalls. Wie bitte? Mal abgesehen vom der Aussage immanenten Widerspruch – würde die Verwaltung allen Ernstes die politischen (oder wenigstens politisch gemeinten) Aussagen der Fraktionen vor Veröffentlichung korrigieren, stünde der Vorwurf der (Vor-)Zensur mindestens im Raum.

Statut ist kein Recht

Und für die ganz fürchterlich Pfiffigen, die nun auf das so genannte Redaktionsstatut verweisen, das der Stadtrat beschlossen hat: Das ist nett aber sinnfrei. Mal abgesehen davon, dass Redaktionsstatuten im Regelfall die Freiheit der Redaktion von verlegerischer Einflussnahme sichern und insofern lediglich arbeitsrechtlich relevant sind, begründet ein Stadtratsbeschluss nun einmal kein geltendes Recht.

Das so genannte Redaktionsstatut des Amtsblattes der Stadt Dessau-Roßlau kann mit gutem Willen als Absichtserklärung gewertet werden, das Amtsblatt von ehrverletzenden Äußerungen frei zu halten. Dazu braucht es aber kein Statut, sondern klare presse- und strafrechtliche Verantwortlichkeiten. Wäre also für die Fraktionsseite der Blaunen (nur ein zufälliges Beispiel) ein*e Vertreter*in dieser Partei namentlich im Impressum benannt (was ebenso rechtskonfrom wäre wie jede*r andere Vertreter*in jeder anderen Partei als Verantwortliche*r für die jeweiligen Seiten), stünde die jeweilige Person eben auch für den Inhalt der jeweiligen Seiten gerade. Eigentlich sehr einfach.

Schlauer sterben

Nun möchte der Autor dieser Zeilen weder dümmer sterben, als er geboren wurde, noch möchte er seine Leser*innenschaft ohne presserechtliche Erleuchtung in die ewigen Jagdgründe oder wohin auch immer eingehen lassen. Deshalb lautete die erwähnte an die Verwaltung gesandte und im Stadtrat gestellte Einwohnerfrage wie folgt:

„1.a. Zählen die Fraktionsseiten zum amtlichen oder nichtamtlichen Teil des Amtsblattes?

1.b. Ist die genannte Redakteurin aus Sicht der Verwaltung für den Inhalt aller Teile des Amtsblattes inklusive des Anzeigenteils und der Fraktionsseiten auch im Sinne des Strafrechts verantwortlich?

2.a. Inwiefern ist die Ablehnung jeglicher Gewähr für Inhalte auf den Fraktionsseiten mit dem Korrekturvorbehalt vereinbar?

2.b. Was ist mit „Richtigstellung“ gemeint?

2.c. Inwiefern ist der in der Fußzeile angesprochene Vorbehalt zur Richtigstellung mit dem Verbot des Eingriffs staatlicher / öffentlicher Stellen in in periodisch erscheinenden Presseerzeugnissen veröffentlichen Meinungsäußerungen (Vorzensur, GG ) vereinbar? Welche Grundlagen in Gesetzen oder Verwaltungsvorschriften liegen Ihrer Beurteilung zugrunde?

2.d. Inwiefern hat die Formulierung in den Fußzeilen der Fraktionsseiten presserechtliche und gegebenenfalls strafrechtliche Relevanz und welche Grundlagen in Gesetzen oder Verwaltungsvorschriften liegen dem zu Grunde?“

Vorläufige Antwort seitens Verwaltung und Stadtrat: Schweigen. Das Pressegesetz des Landes Sachsen-Anhalt in gültiger Fassung ist amtlich bekannt gemacht worden am 02. Mai 2013. Regeln der Aussagelogik (vergleiche dazu besagte Fußzeile auf den Fraktionsseiten im Amtsblatt) sind schon ein paar Jahrhunderte älter.

Eigentlich nichts neues – eigentlich…

Nur mal so am Rande: In gefühlt dreiundzwölfzighundert Publikationen inklusive Amtsblätter in dieser Republik funktioniert das ganz einfach: Für den Anzeigenteil sowie den – im Falle amtlicher Veröffentlichungen – amtlichen Teil wird jeweils eine verantwortliche Person im Impressum benannt. Zudem kann für jeden Teil einer Publikation gesondert eine verantwortliche Person benannt werden (Pressegesetz Sachsen-Anhalt, Paragraf 7, Absatz 2, Satz 2). Damit wäre dann beispielsweise die Blaune Fraktion selbst für ihre wahrheitswidrig verfälschende Darstellung der Inhalte amtlicher Mitteilungen verantwortlich.

DeRoPolis wird über Antwort der Stadt Dessau-Roßlau sowie Reaktionen der Fraktionen (dieselben haben wir via Mail auf diese freundliche Argumentationshilfe aufmerksam gemacht) berichten.

Partei der Verfälscher

Amtsblatt 07/2023

Verdächtig oder verurteilt? Egal, Hauptsache Asylant*in

Im Amtsblatt der Stadt Dessau-Roßlau veröffentlichen die Stadtratsfraktionen jeden Monat ihre politischen Ansichten. Ungefiltert. Ungeprüft. Vieles kann man vernachlässigen, manches ist sinnfrei – und einiges so falsch, dass die jeweils dargebotenen Behauptungen an dieser Stelle eingeordnet und bewertet werden. Das Amtsblatt ist auf der Website der Stadtverwaltung als pdf zu finden – einfach googeln nach Dessau-Roßlau, Amtsblatt und Jahrgang.

Pädagogische Vorbemerkung und Farblehre

Wer zu einem Thema nichts sagen kann, spricht halt über ein anderes. Das ist im Falle der Blaunen erst einmal erfreulich. Zu Problemen der Stadt fällt der Fraktion nichts ein, also schweigt sie dazu. (Diese Einleitung ist erwachsenen-pädagogisch inspiriert. Getreu dem Motto „immer erstmal etwas Positives ansprechen“.)

„Blaune“ bezeichnet hier eine Partei, die als Haupterkennungsfarbe Blau nutzt, deren politische Ausrichtung farblich aber eher an die Färbung von Lehm und Erde erinnert.

Tatsachen: Grundlage seriöser Diskussion

Pädagogisch ernüchternd ist allerdings das, was die Fraktion anstelle örtlich relevanter Sachverhalte zum Schlechtesten gibt: Es geht – wie könnte es anders sein – um Ausländerkriminalität. Das ist an und für sich o.k., denn es gibt dieses Problem und ergo muss es im demokratischen Diskurs vernünftig diskutiert werden. Womit wir auch gleich beim Thema sind: Wer über Kriminalität sprechen und aufklären will, sollte dabei bei der Wahrheit bleiben. Strafrechtlich ist das Vortäuschen und Verzerren von Sachverhalten in der politischen Diskussion zwar nicht relevant. Rückschlüsse auf die politische Seriosität sind bei solcherlei Vorgehen aber geradezu zwingend. Genug der Vorrede, gehen wir in Medias res:

Verfälschung der Antwort der Bundesregierung

222.529 Straftaten seien 2022 bundesweit von „Asylbewerbern, Personen im Status eines abgelehnten Asylantrags oder eines unerlaubten Aufenthaltes in Deutschland“ begangen worden, schreibt der Führer der blaunen Stadtratsfraktion in Dessau-Roßlau, Andreas Mrosek. Er bezieht sich auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion seiner Partei im Bundestag. In Sachsen-Anhalt habe der selbe Personenkreis 4.954 Straftaten begangen. Das ist in Gänze schlicht falsch.

Verdächtig ist nicht Verurteilt

Fehler 1: Statt von Straftätern ist in der Antwort der Bundesregierung durchweg von Tatverdächtigen die Rede. Wörtlich heißt es in der Drucksache 20/6682: „Die PKS (Polizeiliche Kriminal-Statistik, Anmerkung des Autors) beruht auf dem Erkenntnisstand bei Abschluss der polizeilichen Ermittlungen. Straftaten werden zum Teil von der Polizei, insbesondere wegen des unterschiedlichen Ermittlungsstandes, anders bewertet als von der Staatsanwaltschaft oder den Gerichten. Für die Beantwortung der nachfolgenden Fragen wird daher der Begriff des/der Tatverdächtigen (TV) im Sinne der PKS zugrunde gelegt.“

Übersetzt: Nicht jede*n Tatverdächtige*n klagt die Staatsanwaltschaft auch an. Nicht jede*r Angeklagte wird vor Gericht verurteilt. Bis zu einer Verurteilung gilt in einem Rechtsstaat die Unschuldsvermutung. Der Blaune Führer erklärt alle per se zu Verbrechern. Gerichtsurteile sind dem Manne anscheinend egal.

Zwei Zahlen verdeutlichen, wieso die Unterscheidung zwischen Tatverdächtigen und Straftätern entscheidend ist für die Bewertung der Kriminalitätsentwicklung: Im Jahr 2021 zählte die polizeiliche Kriminalitätsstatistik bundesweit 1.892.003 tatverdächtige Personen. Verurteilt wurden 662.100 Personen, davon 157.508 Personen für Straftaten im Straßenverkehr. Die Angaben unterscheiden nicht nach Herkunft oder Aufenthaltsstatus. Zahlen aus 2022 lagen hier zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels nicht vor. Die Relation von Tatverdächtigen zu Verurteilten sollten geneigte Leser*innen im Hinterkopf behalten bei der Einordnung der folgenden Zahlen.

Manche müssen bleiben – trotz ablehnung

Fehler 2: In der Antwort der Bundesregierung werden Tatverdächtige „mit dem Aufenthaltsanlass ‚Asylbewerber‘, ‚Duldung‘ oder ‚unerlaubter Aufenthalt'“ aufgeführt. Die Formulierung ‚Personen im Status eines abgelehnten Asylantrags‘, die Mrsosek benutzt, ist nicht im Text der Antwort enthalten.

Tatsächlich sind die Asylanträge geduldeter Personen abgelehnt. Im Status Duldung sind eben diese Personen aber gemäß Paragraf 60a Aufenhaltsgesetz (AufenthG) – wie es im Juristendeutsch heißt – nicht vollziehbar ausreisepflichtig. Mit anderen Worten: Der Aufenthalt dieser Personen in Deutschland ist nicht strafbar, sie unterliegen gemäß Paragraf 61 AufenthG diversen Regelungen, wo sie sich aufhalten dürfen.

Mrosek suggeriert mit seiner Wortwahl, die entsprechenden Personen hielten sich jenseits aller rechtlichen Regelungen in Deutschland auf und müssten eigentlich abgeschoben werden. Im Falle eines strafrechtlichen Tatverdachts ist sogar das Gegenteil der Fall.

Denn „die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre“ (AufenthG, Paragraf 60a, Absatz 2). Tatverdächtige dürfen also gar nicht abgeschoben werden, wenn Staatsanwaltschaft oder Gericht ihre Anwesenheit zum Zwecke der Aufklärung einer Straftat für geboten halten.

Diletantismus mit zahlen

Fehler 3: Die Anzahl tatverdächtiger Personen in Sachsen-Anhalt mit Aufenthaltsanlässen wie unter 2 dargelegt beläuft sich auf 4.997. Mrosek gibt die Zahl für Thüringen an (4.954). Falsch ist auch seine damit verbundene Behauptung, diese Personen seien allesamt Straftäter. Richtig ist, dass diese Personen verdächtigt werden, Straftaten begangen zu haben.

Ähnlich dilettantisch geht der örtliche Fraktions-Führer mit Zahlen um, wenn es um Dessau-Roßlau geht. Um Werte für die Stadt zu ermitteln, rechnet er angeblich statistisch (wörtlich: „statistisch gerechnet“). Das ist Blödsinn. Man kann nicht statistisch rechnen. Werte einer Statistik werden empirisch ermittelt, also gemessen. Man kann mit Werten einer Statistik rechnen, sie aber nicht berechnen. Mathe auf Niveau der Sekundarstufe.

Fast 12 prozent weniger Straftaten in Dessau-Rosslau

Doch Wortklauberei beiseite. Berechnungen welcher Art auch immer sind im vorliegenden Fall unnötig. Für die Beurteilung der Situation in Dessau-Roßlau reicht ein Blick in die polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2022 des Landes Sachsen-Anhalt. Die führt für den Verantwortungsbereich des Polizeireviers Dessau-Roßlau 6.707 Straftaten auf, 11,9 Prozent weniger als im Jahr 2021.

Darunter eine Straftat gegen das Leben, aber weder Mord noch Totschlag (beispielsweise fällt auch fahrlässige Tötung in diese Kategorie, wird aber nicht gesondert statistisch erfasst). 67 Straftaten richteten sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung, 13 Prozent weniger als 2022. Die Deliktszahlen stimmen nicht mit der Anzahl der Verdächtigen überein. Deren Anzahl liegt jeweils wesentlich niedriger, weil Mehrfachtäter dabei sind oder keine Verdächtigen ermittelt werden konnten.

Unter allen Straftaten in Dessau-Roßlau waren 2.042 Diebstahlsdelikte, 26,8 Prozent weniger als 2021. Um 29,5 Prozent angestiegen ist in der Stadt die Anzahl der Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit auf 1.110 Fälle. Rauschgiftdelikte registrierte die örtliche Polizei 350 und damit 36,9 Prozent weniger als im Vorjahr.

die Aufklärungsquote

Aufgeklärt wurden in Dessau-Roßlau 56,1 Prozent aller Straftaten in 2022. Bei Straftaten gegen das Leben (eine) lag die Aufklärungsquote bei 100 Prozent, von den Gewalttaten wurden 91,3 Prozent, von den Rauschgiftdelikten 90 Prozent und von den Diebstählen 37,5 Prozent im Jahr 2022 aufgeklärt.

Genauigkeit und Korrektheit sind aber ja in der Kriminalitätsstatistik auch nicht ganz so wichtig, Hauptsache sie (die Zahlen) regen zum Gruseln an. Wahrscheinlich aus eben diesem Grunde listet der örtliche Fraktions-Führer anstelle der frei im Internet verfügbaren Zahlen zur Situation in Dessau-Roßlau lieber wesentlich höhere Angaben auf, die sich auf das Bundesgebiet beziehen, und unterschlägt die bereits skizzierte Unterscheidung zwischen Tatverdächtigen und verurteilten Täterinnen und Tätern (alle Angaben in diesem Text können frei recherchiert werden).

Wissenschaftlich?

Real-Satire am Rande: Mrosek ist laut Darstellung seines Arbeitgebers, einem Bundestagsabgeordneten der blaunen Fraktion, dessen „Wissenschaftlicher Mitarbeiter“. Na, dann müssen wir uns um die Wissenschaft der Blaunen ja keine Sorgen machen…

Kriminalstatistischen Zahlen- und Wortsalat à la Blaune den Wähler*innen aber als Tatsache unterjubeln zu wollen, ist keine Phantasie-Wissenschaft, sondern politischer Betrug.