CDU: Notdosen, LINKE: Story, SPD: Besinnung
Eine Fraktion fehlt im September-Amtsblatt. Genügend Gelegenheit also für leichte Lästereien. Es soll ja nicht langweilig bleiben in der Medienlandschaft unserer Stadt. Wer sich die Originalbeiträge auf den Fraktionsseiten zu Gemüte führen möchte, wird online mit den Suchbegriffen Amtsblatt und Dessau-Roßlau fündig.
Billig: Radler-Schutz und Notfalldosen
Nur fordern, was auch machbar ist. An dieses Motto will sich die CDU-Fraktion in der anstehenden Haushaltsdebatte halten, verkündet ihr Vorsitzender Heiko Adamek im September-Amtsblatt der Stadt Dessau-Roßlau. Die Christdemokraten knüpfen an ihr traditionelles Credo wirtschaftlicher und haushalterischer Disziplin an – und verknüpfen dasselbe mit praktischer Kreativität: Wenn der Ausbau des Radweges in Alt-Kochstedt kurzfristig nicht machbar (wahrscheinlich weil zu teuer) ist, kann ein Schutzstreifen für Radler*innen zumindest für etwas mehr Sicherheit sorgen. Die Fraktion wolle dieser Option „nachgehen“. Man darf gespannt sein, wie sie die Idee mit praktischer Initiative unterfüttert.
Weniger diszipliniert mutet der aufgewärmte Vorschlag an, die Stadtverwaltung möge kostenlose Notfalldosen ausgeben. Solche Dosen dienen der Aufbewahrung wichtiger Medikamente, damit Rettungskräfte diese im Falle eines Falles schnell finden. Die länglich geratene Gebrauchsanweisung (im Kühlschrank lagern) dazu erinnert an Artikel in einer Apothekenzeitschrift. Was das mit genuinen Aufgaben einer personell sowieso schon dünn aufgestellten Stadtverwaltung zu tun hat, bleibt das Geheimnis der Fraktion.
Sicherlich, die Döschen kosten nicht viel und sind ein nettes und von Apotheken oft als Werbegeschenk verteiltes Give-away. Kosten entstehen allerdings eher nicht durch die Beschaffung, sondern die entsprechende Administration und den damit verbundenen Arbeitsaufwand in der Verwaltung. Getreu dem Motto: Was ist die Steigerung von schlecht gemacht? Antwort: Gut gemeint.
Bunte knöpfen sich Blaune vor
Auseinander nimmt die „Bunte Fraktion“ (Grüne, FDP, Neues Forum-Bürgerliste) in ihrem Beitrag einen vermeintlichen Skandal: Den angeblichen Freibad-Sozial-Betrug. Entsprechende Gerüchte hatte die Blaune Fraktion (Partei mit blauen Logo und bräunlichen politischen Inhalten) gestreut und mit Fake-Beweisen garniert.
Die ebenso dilettantisch konstruierte wie dämlich initiierte Bade-Schmutzkampagne der Blaunen war schon in der örtlichen Zeitung als eben solche entlarvt worden (und das durchaus trocken). Aber gut, die Bunten zeigen zumindest den Willen, Propaganda und Desinformation entgegenzutreten. Ein zeitnah platzierter kerniger Kommentar per Leserbrief oder Pressemitteilung hätte wahrscheinlich mehr bewirkt, als das Ganze rückblickend aufzuwärmen. Aber: immerhin.
Kulturpass, Jugend und Kommunales
Was allerdings der folgende Hinweis auf den vom Bund initiierten und vergebenen Kulturpass genau mit Dessau-Roßlau zu tun hat, bleibt weitgehend neblig. Bereits im August unkte die lokale Presse, die hiesigen Angebote seien aufs Bauhaus und das Gartenreich beschränkt. Je öfter – und das ist die eigentliche Krux bei der Angelegenheit – sich die „normalen“ Fraktionen auf ihren Amtsblattseiten über Dinge auslassen, die keinen unmittelbaren Zusammenhang zur Stadt respektive zur Arbeit der jeweiligen Fraktion aufweisen, desto weiter steht das Tor offen für Falschmeldungen und Propaganda von einer Seite, die erst gar nicht vorgibt, in irgendeiner Weise konstruktiv mitzuwirken.
LINKE: Gut präsentierte Story
Geradezu professionelles Storytelling betreibt die LINKE und berichtet erst einmal von der Einschulung von „37 Kühnauer ABC Schützen“, um dann inhaltlich auf den Ortsentwicklungsplan des Jahres 2013 umzuschwenken. Dieser Plan war maßgeblich von Vertreterinnen und Vertretern der Partei im Ortschafts- und Stadtrat geprägt und erarbeitet worden. Damals stand die örtliche Grundschule vor dem Aus. Heute ist ihr Bestand jedenfalls vorläufig gesichert.
Als „Zwischenbilanz“ bezeichnet die LINKE ihren skizzenhaften Abgleich von Kommunalwahlprogramm 2019 und entsprechenden Beschlussvorlagen. Ermäßigte Parkkarten für ambulante Pflegedienste seien vom „inneren Wirkungskreis des Oberbürgermeisters abgelehnt“ worden. Eine nicht näher bezeichnete Vorlage zur „Verpachtung öffentlicher landwirtschaftlicher Nutzflächen“ wolle die Fraktion neu einreichen.
Konkrete Kommunalpolitik
Angesichts von der Stadt respektive dem Stadtrat an- und übernommener Beschlussvorlagen zur dauerhaften Bestellung eines Klimamanagers und zum Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide preist sich die LINKE selbst als besonders konstruktiv und beweint die ihr nicht gewidmete Aufmerksamkeit der lokalen Presse.
Nun gibt’s ja neben der irgendwo zwischen Lokalnachrichten, dem berühmten Kessel Buntes und Boulevard zu verortenden Zeitungsredaktion auch noch die kontinuierlichen steigenden Zugriffszahlen auf dieses Medium – und der Autor dieser Zeilen kann nicht verhehlen, dass die Fraktion der LINKEN tatsächlich kontinuierlich Rechenschaft über ihre politische Arbeit ab- und damit die sprichwörtliche Latte für andere Fraktionen hochlegt. Dafür gebührt der Fraktion Respekt.
Der Entsorger und die Altlasten
Redebeiträge vor allem sehr in der Vergangenheit verhafteter SED-Veteranen, die sich während des jüngsten Parteitages der LINKEN mit vierzigjähriger und längerer „Parteizugehörigkeit“ brüsteten, machen es Medienmenschen allerdings schwer, der Partei echtes politisches Gewicht beizumessen. Dass sich die Stadtratsfraktion von solcherlei DDR-Nostalgie abhebt, ist wahrscheinlich ihrem Vorsitzenden zuzuschreiben. Der kennt sich als Unternehmer in der Entsorgungs- und Recyclingbranche sicherlich mit dem fachgerechten Umgang mit Altlasten aus…
SPD: „Besinnungsaufsatz“
So leicht es einem die LINKE zuweilen macht, über sie zu lästern, so schwierig wird’s bei der SPD. Für die hat Ingolf Eichelberg eine komplette Amtsblattseite mit Lobhudelei über die Stadtmarketinggesellschaft gefüllt. Bei der hat er den Posten als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender inne. Eine Stimme aus der altehrwürdigen Partei selbst: Es handele sich um einen „Besinnungsaufsatz“. Prosa in Rosa sozusagen (so richtig rot kommt das Grußwort aus dem Aufsichtsrat nicht rüber). Man könnte eine Art politisches Recycling verbliebener Rest-Posten vermuten.
Pro Gewaltfreiheit – contra Behäbigkeit
Pro Dessau-Roßlau hat sich ausweislich des Berichts ihres Stadtrates Thomas Picek mit Beigeordneten und Dezernenten unterhalten, hatte aber anscheinend noch keine Zeit, daraus echte Forderungen abzuleiten. Anstatt von solchen zu schreiben, lässt die Fraktion wissen, was sie bewegt. Das mutet nett und gewaltfrei kommuniziert an, gibt aber keine Hinweise auf politische Vorhaben.
Dieselben werden aber wahrscheinlich überbewertet, denn, so lässt Marco Egelkraut wissen, in der Stadt ist „ganz schön was los“. Mit dem Verweis auf Konzerte und Feste kommt er zu dem Schluss, die Stadt sei „doch gar nicht so behäbig, wie mancher denkt“. Ach, wenn das doch auch für die Kommunalpolitik gälte…
Kein Blödsinn von den Blaunen
Wer nun Anmerkungen zur Blaunen Fraktion vermisst (das die Fraktion der Partei mit dem Blau im Logo und der bräunlich gefärbten Politik), die oder der sei vertröstet: Der Fraktion fiel anscheinend nichts ein. Oder sie wollte dem Autor dieser Zeilen nicht schon wieder eine Vorlage liefern…