Kaputtsparen? Ausverkaufen? Vereinfachen!

Haushaltssperre verschärft Überlastung – Stadtrat beschließt zu viele Ausgaben

Scharfe Kritik an Haushaltssperre und Ausgabenpolitik des Stadtrates äußerten im Finanzausschuss Jacqueline Lohde und Bastian George. Mehr Eigenverantwortung und einfachere Verwaltungswege, forderte die Bürgermeisterin. Schon jetzt blieben geplante Investitionen liegen, weil die Mitarbeiter*innen der Verwaltung überlastet seien. Die Haushaltssperre verursache nun noch mehr bürokratischen Aufwand. Grünen-Stadtrat Bastian George warnte vor einem „Ausverkauf der Stadt“ und kritisierte teure Beschlussvorlagen der LINKEN.

Freie Stellen als Einsparpotenzial

Um den städtischen Haushalt zu konsolidieren, sei es erforderlich, „die Wiederbesetzung von Stellen wieder stärker als ein Instrument zur Konsolidierung durch Verschlankung von Strukturen und Verbesserung von Prozessabläufen und damit auch zur Personalreduzierung einzusetzen“, referierte Elke Wirth, Leiterin des Amtes für Stadtfinanzen in bestem Bürokratendeutsch. Übersetzt: Um Geld zu sparen, sollen derzeit in der Stadtverwaltung ausgeschriebene Stellen nicht besetzt werden. Dass der Haushalt derzeit noch relativ ausgeglichen wirke, liege daran, dass Arbeitsplätze in der Stadtverwaltung nicht besetzt sind. Entsprechend spare die Stadt Personalkosten. Nicht vorhandene Mitarbeiter*innen kosten nichts. Weil die entsprechenden Gehälter allerdings im Haushalt eingeplant sind, tatsächlich aber nicht gezahlt werden, ergibt sich buchungstechnisch eine Einsparung.

Investitionshemmnis Überlastung

Weil allein im Tiefbauamt 24 Mitarbeiter*innen fehlten, könne die Stadt schon heute geplante investive Maßnahmen nicht umsetzen, konterte Jaqueline Lohde. Als Baubeigeordnete verantwortet sie Bauprojekte, zu denen auch der Straßenbau zählt. Solche Investitionen in Sachanlagen werden im Haushalt auf der Haben-Seite, also unter den Aktiva einer Bilanz verbucht und zählen zum Vermögen. Je vermögender eine Kommune ist, desto mehr Ausgaben kann sie sich leisten. Kann eine Kommune keine Vermögenswerte schaffen, vermindert das tendenziell ihre Handlungsfähigkeit. Denn auf der Passiva-Seite verzeichnete Ausgaben beispielsweise für Personal in Jugendclubs müssen von den Aktiva ausbalanciert werden.

Zukunftsinvestition Jugendarbeit

Politisch bewertete Bastian George, Stadtrat der GRÜNEN in der „Bunten“ Fraktion, diese Feststellung: „Einsparungen bei Stellenbesetzungen bedeuten den Ausverkauf der Stadt!“ Die schon jetzt überlastete Verwaltung stehe vor der „Arbeitsunfähigkeit“. Er warnte vor Folgen für die Jugendarbeit. Angesichts von Überalterung und Einwohnerrückgang seien Ausgaben im Bereich der Jugendhilfe Investitionen in die Zukunft. In diesem Bereich dürfe nicht gekürzt werden. Hintergrund: Manche städtischen Jugendclubs bieten nur sehr begrenzte Öffnungszeiten an. Grund ist meist Personalmangel.

Zu viele teure Beschlüsse

George forderte klare Schwerpunktsetzungen in der Haushalts- und Ausgabenpolitik und kritisierte: „Der Stadtrat beschließt seit Monaten nur Ausgaben.“ Entsprechende Beschlussvorlagen lege vor allem „eine bestimmte Fraktion“ vor. Angesprochen fühlte sich Heidemarie Ehlert. Zu entsprechenden Vorlagen habe sie stets Finanzierungsvorschläge vorgelegt, ereiferte sich die Stadträtin der LINKEN und erntete aus dem Plenum die ironische Anmerkung, ihre Vorschläge beinhalteten meist Prüfaufträge an die Verwaltung. Die entsprechenden Mitarbeiter*innen müssen solche Vorschläge gegenrechnen und bewerten. Ergebnis: zusätzliche Arbeitsbelastung durch Prüfungen von Ausgaben.

Komplex denken

Auf das Bauressort sei ihre Anmerkung zum Sparen mittels Nichtbesetzung von Stellen gar nicht gemünzt gewesen, erläuterte hingegen Stadtfinanz-Chefin Würth. Man könne mit diesem Einsparpotenzial kreativ umgehen, hieß es sinngemäß von ihrer Seite. CDU-Mann Frank Rumpf befand denn auch, „wir müssen komplex denken“. Wie solcherlei Komplexität in konkretes Handeln umgesetzt werden kann, sagte er nicht.

Mehr Bürokratie wegen Sperre

Konkrete Folgen der Haushaltssperre benannte hingegen Baudezernentin Lohde. Ihre Mitarbeiter*innen müssten nun neben ihrer eigentlichen Arbeit zusätzliche Verwaltungsarbeit leisten. Für jede einzelne im Haushalt bereits vorgesehene Maßnahme müssten diese nun je eine Genehmigung beantragen. Folge: „Zusätzliche Arbeitsbelastung für jetzt schon überlastetes Personal!“ Übersetzt: Wegen letztlich unproduktiver Verwaltungsarbeit und Überregulierung bleiben noch mehr Investitionen liegen.

Vereinfachen statt regulieren

Lohdes Schlussfolgerung: Sparen durch Vereinfachung. „Die wenigen vorhandenen Leute müssen mehr Handlungsspielraum haben!“ Das gelte sowohl für die Arbeit des Tiefbauamtes als auch für die dringend notwendige Einstellungen auf unbesetzte Stellen: „Die Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren dauern ewig! In dieser Zeit rennen uns gut qualifizierte Bewerber davon“, lautete ihre trockene Feststellung. „Wir schieben hier Dinge hin und her und kriegen dabei eine Haushaltssperre.“ Den städtischen Angestellten erkläre dieses Hin und Her indessen niemand. Offenbar spielte sie damit auf die mangelnde Kommunikation der Sperre seitens des Oberbürgermeisters an.

Warnung vor WhatsApp

In die Kommunikations-Kerbe hieb auch Bastian George. „Unseriös“ sei die Bekanntgabe der Sperre per WhatsApp gewesen. OB Robert Reck hatte sich im Stadtrat damit gerechtfertigt, dass er einzelne Stadträte und Verwaltungsmitarbeiter mittels der Handy-App informiert habe. WhatsApp steht nicht zuletzt wegen mangelnden Datenschutzes in der Kritik. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hatte schon im April 2020 vor der Verwendung der App in Bundesbehörden gewarnt.

Vorerst geheim: Klinikum

Gar nicht öffentlich kommunizieren wollte hingegen Elke Wirth zur Frage des Ausgleichs eines drohenden Defizits des städtischen Klinikums aus dem Stadthaushalt. Zwar insistierte der Grüne George darauf, zumindest Prozentzahlen zu nennen, „weil die Öffentlichkeit ein Recht auf diese Information hat“. Wirth jedoch bestand auf Beratung der Angelegenheit im nichtöffentlichen Teil der Sitzung und vertröstete auf die Stadtratssitzung im November. Dann würden Zahlen genannt. Die werden wohl nicht sonderlich ersprießlich ausfallen. Das jedenfalls lässt ihre Anregung vermuten, die Dessau-Roßlauer Landtagsabgeordneten mögen die Landesregierung dahingehend „sensibilisieren“, dass das Land einen Deckungsbeitrag zum städtischen Klinikum leisten solle. Von der SPD, die mit Holger Hövelmann einen Landtagsabgeordneten stellt, war niemand während der Sitzung anwesend.