Unabhängig und inhaltlich stark

Dessau-Roßlauer Stadtratsfraktionen und Parteien im Netz – Folge 3: FBF – Freies Bürger-Forum


08. Januar 2025

Wie präsentieren sich Parteien und Stadtratsfraktionen in Dessau-Roßlau im Internet? Mit einer eigenen Website können politische Protagonisten sich, ihre Positionen und Personen der Öffentlichkeit vorstellen und an der „politischen Willensbildung des Volkes mit[wirken]“ (Artikel 21, Satz 1 Grundgesetz).

In einer Serie dokumentiert DeRoPolis die Web-Auftritte der Dessau-Roßlauer Politik-Akteure. Folge 3: Freies Bürger-Forum (FBF). Die Website ist per Internet-Suche einfach zu finden und hier nicht verlinkt.

Übersichtlich, aktuell, konkret

Eine Fraktion aus zwei Listen: Freies Bürger Forum

Im besten Sinne übersichtlich: Die Startseite des FBF.

Kurze Vorstellung, Newsletter und Adresse mitsamt E-Mail. Darüber ein klar strukturiertes Menü mit sechs Auswahlmöglichkeiten. Kompliment, der Auftritt lädt ein, sich zu informieren.

Im ersten Satz die Erklärung, wer das eigentlich ist, das Freie Bürger-Forum. Zur Wahl war das nämlich gar nicht als Liste angetreten.

Stadträtinnen und Stadträte zweier Listen bilden die Fraktion: Jene von „Neues Forum – Bürgerliste“ (NF-BL) und von der „Freie Fraktion“ (FF). Praktisch: Die Listen-Namen sind mit Links hinterlegt. Bei NF-BL geht’s damit zur Website der Liste. Der FF-Link führt nur zur Website der Stadtverwaltung. Das aber ist verzeihlich, denn die kleine, vom kommunalpolitischen Urgestein Hans-Peter Dreibrodt geprägte Liste, ist in der Stadt allen politisch Interessierten bekannt.

Das ist eine Startseite ohne Stuss und Geschwätz.

Aktuelles wie im Nachrichten-Ticker

Unter „Aktuelles“ geht es zu wie auf einem Nachrichtenticker: Überschrift – Datum – Textanriss mit Link zum kompletten Beitrag. Stark.

Chronologisch geordnet reichen die Beiträge von August bis Dezember 2024, thematisch von der Bildung der Fraktion über BUGA und Rosenhof bis zur kommunalen Wärmeplanung.

Übersichtlich präsentiert die Fraktion ihre Arbeit auch zur Vorbereitung ihrer Positionen: Mit einem Besuch der Stadtwerke und Gesprächen mit dortigen Verantwortlichen sammelte sie beispielsweise Informationen zur genannten Wärmeplanung.

Fraktionsmitglieder vorgestellt

Die sieben Stadträtinnen und Stadträte der Fraktion stellen sich unter dem Punkt „Fraktion“ vor.

Das funktioniert ohne langes Herumgeklicke. Sieben Portraits und gleich darunter Fotos aus dem Leben mit kurzen Vorstellungen.

Das wirkt bürger:innennah und autentisch.

Auffallend: Eine Stadträtin ist Mitglied der Linkspartei. Die hatte keine eigene Fraktion mehr aufstellen können.

Welche Fraktionsmitglieder in welchen Ausschüssen, Stadtbezirksbeiräten, Ortsräten, Aufsichtsräten und sonstigen Gremien mitarbeiten, zeigt ein Klick auf den Reiter „Gremien“. Auch sehr übersichtlich und transparent.

Themen im Fokus: Information ohne Umwege

Allegemeiner wird’s unter dem Stichwort „Themen„.

Die Blöcke „Stadtentwicklung„, „Bürgerbeteiligung„, „Soziales“ sowie „Energieversorgung und Umwelt“ umreißen offenbar die Interessenschwerpunkte der Fraktion.

Jeder Beitrag ist mit Links versehen, die zu ergänzenden Informationen führen.

Termine: Einladung zur Mitwirkung

Unter „Termine“ listet die FBF eigene „Fraktionssitzungen“ sowie „Öffentliche Sitzungstermine“ auf.

Ein echtes Serviceangebot. Der verlinkte Google-Kalender mit Sitzungen des Stadtrates und seiner Ausschüsse ist übersichtlicher als die entsprechende Website der Stadtverwaltung.

Und wer sich rechtzeitig schriftlich anmeldet, kann augenscheinlich auch an Sitzungen der Fraktion teilnehmen. Der Reiter „Kontakt“ führt zu einem einfachen Online-Formular, mit dem Interessierte der Fraktion schreiben können.

Fazit: Online-Bürger:inneninformation ohne Schnickschnack

Die Website trägt die Hand- respektive Programmierschrift des Neuen Forum – Bürgerliste; die Website der NFB-Wähler:innenvereinigung ähnelt jeder der Fraktion frappierend. Aber das ist durchaus vorteilhaft. Denn beide Websites bestechen mit aufgeräumtem Design, nutzer:innenfreundlicher Struktur und aktuellen Inhalten ohne Schnickschnack.

Wer sich über die Fraktion informieren will, braucht keine Social-Media-Kanäle (für die man sich in der Regel auch noch anmelden und damit eigene Daten preisgeben muss). Die Website bietet frei zugänglich verständliche Aussagen. Da kann sich manch anderer eine dicke Scheibe abschneiden.

Christlich, Demokratisch, Unpünktlich

Dessau-Roßlauer Stadtratsfraktionen und Parteien im Netz – Folge 2: CDU


05. Januar 2025 / aktualisiert: 07. Januar 2025

Wie präsentieren sich Parteien und Stadtratsfraktionen in Dessau-Roßlau im Internet? Mit einer eigenen Website können politische Protagonisten sich, ihre Positionen und Personen der Öffentlichkeit vorstellen und an der „politischen Willensbildung des Volkes mit[wirken]“ (Artikel 21, Satz 1 Grundgesetz).

In einer Serie dokumentiert DeRoPolis die Web-Auftritte der Dessau-Roßlauer Politik-Akteure. Folge 2: Die CDU. Die Website ist per Internet-Suche einfach zu finden und hier nicht verlinkt.

Ein bisschen wie Bahnfahren: Verspätet aber mit nett-informativer Lektüre

Neu im Januar ’25: Allerheiligen & Allerseelen

Die Website der Dessau-Roßlauer CDU begrüßt Besucher:innen mit neuesten Nachrichten.

Breaking News im Januar 2025: Allerheiligen ist am 1. November. Ja nee, is‘ klar… Weihnachtsgrüße hätten auch zu christlich gepasst – und zu aktuell auch (wenn’s denn schon kein Willkommen im neuen Jahr ist).

Etwas weiter unten auf der selben Seite: „Aktuelle Nachrichten„, damit sind Leser:innen „Immer auf dem Laufenden“.

Von laufen kann indes keine Lese sein: Mit Nachrichten aus Juli 2024 (Vorstandswahlen in einem Ortsverband und Kommunalwahl) hinkt es eher als es läuft – und zwar ziemlich hinterher.

Fraktions-Themen im Nirvana

Aktuell sind Namen und Portraits CDU-Stadtratsfraktionsmitglieder unter dem Menü-Reiter „Fraktion“.

Bürger:innen sehen, wer da für die Partei im Rat sitzt.

Wofür sich die Damen und Herren konkret einsetzen, bleibt unklar.

Ein Kasten (hier lila umrandet) verspricht zwar Zugang zu „aktuelle[n] Themen und Beschlussvorlagen der CDU-Fraktion Dessau-Roßlau„, der Link (lila unterstrichen) führt aber ins virtuelle Nirvana.

Klicks auf „Ausschüsse“, „Abgeordnete“, „Besetzung der Ausschüsse“ und „Fraktionsgeschäftsstelle“ zeigen das selbe Ergebnis – nämlich keines. Wer auf „Stadtratsfraktion“ klickt erhält zwar größere Ansichten der Antlitze der Fraktionsmitglieder, Informationen zu den Personen gibt es aber nicht: Zwar verbergen sich in den Bildern Links, die leiten aber auch ins Nirgendwo.

Vorstand ohne Führung

Konservativ-demokratisch Gesinnte schätzen oft Führung. Führung ist hier im besten Sinne gemeint: Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s eine:n, der/die die Dinge regelt. So die Volksweisheit.

Geführt wird die CDU der Stadt vom Vorsitzenden. Laut Website des CDU-Landesverbandes ist das Florian Kellner. Laut Website des Kreisverbands Dessau-Roßlau ist das Vorsitzendenamt „vakant“.

Hintergrund (siehe dazu „Aktualisierung“ unten): Kellner trat im August 2024 als Vorsitzender zurück. Er hatte im Stadtrat für die Besetzung eines Ausschuss-Postens mit einem Vertreter der Blaunen (AfD) gestimmt. Die örtliche Zeitung hatte daraufhin spekuliert, die „Brandmauer“ der CDU gegenüber den (Äußerst-)Rechtspopulisten bröckele. CDU-interner Druck soll zu Kellners Rücktritt geführt haben.

Nichtsdestoweniger präsentiert die Website der Landes-CDU den Mann nach wie vor als Chef der Dessau-Roßlauer Union. An welcher Stelle da jemand in der Union geschlafen hat und augenscheinlich weiterhin pennt, wäre Spekulation. Ist aber auch egal. Entweder aktualisiert man auch auf Landesebene die Informationen nur sporadisch, oder die örtliche Union hat nicht einmal parteiintern kommuniziert.

Fatal hinsichtlich des Bildes, das die CDU bei ihrer Selbstdarstellung im Netz abgibt, ist das allemal. Denn es geht um die Frage der Führung. Die soll wohl am 17. Januar 2025 neu gewählt werden. Fast fünf Monate lang war demnach der Posten vakant. Auch das mag mit organisatorischen Herausforderungen begründbar sein. Dass aber nicht einmal unter „Aktuelles Archiv“ eine Nachricht in der Causa zu finden ist, gibt Anlass zu der Vermutung, die örtliche CDU habe die Methode „Augen zu und durch“ gewählt.

Führung hat sehr viel mit Kommunikation zu tun. Wer in Fragen von Führungspositionen nicht kommuniziert, führt nicht, sondern hinkt hinterher. „Unpünktlich“ wirkt da als Einordnung noch gnädig.

Kellner ist übrigens auch nach der Kommunalwahl 2024 weiterhin Stadtrat.

„Keine Events“ sechs Wochen vor der Wahl?

„Wenn Sie sich politisch engagieren möchten, würden wir uns sehr freuen, Sie auf einer unserer nächsten Veranstaltungen persönlich begrüßen zu dürfen.“ steht auf der Homepage der CDU Dessau-Roßlau.

Schwierig wird’s, wenn jemand dieses Angebot wahrnehmen möchte. Ein Klick auf „Termine“ (unter dem Reiter „Aktuelles und Termine“) führt unter der Überschrift „Januar 2025“ zu „Januar 2025“ zu dem Satz „Es gibt keine Events in diesem Monat.“

Echt jetzt? Gute sechs Wochen vor der vorgezogenen Bundestagswahl 2025 „keine Events“?

Verschlafen mit Abraham Lincoln

Des Rätsels Lösung: Wer unter besagtem „Aktuelles und Termine“-Reiter auf den nichtssagenden Punkt „CDU-Informationen“ und dann unter „2025“ auf das „+“-Zeichen klickt, erreicht einen Newsletter, das zweimonatlich erscheinende Info-Heftchen der CDU Dessau-Roßlau, Ausgabe Januar/Februar 2025. Wenigstens das ist offenbar pünklich fertig geworden.

Ganz am Ende des Heftes, auf Seite zwölf, sind sowohl „Termine der Ortsverbände und Vereinigungen“ als auch „Termine im Kreisverband Dessau-Roßlau“ zu finden (siehe Screenshot).

Auf Seite eins des besagten Heftes prangt ein angeblicher Spruch Abraham Lincolns (16. Präsident der USA): „Halte Dir jeden Tag dreißig Minuten für deine Sorgen frei, und in dieser Zeit mache ein Nickerchen“ (Zeichensetzung gemäß Zitat von CDU-Website). Anscheinend hat die CDU Dessau-Roßlau viele Sorgen und verschläft deshalb die meiste Zeit – zumindest online.

Fazit: Unpünktlich mit nettem Heftchen – wie beim Bahnfahren

Wer in einem verspäteten Zug sitzt, kann meist in Heftchen oder Magazinen des jeweiligen Bahnunternehmens blättern. Zuweilen finden sich dort sogar nützliche Informationen. Grund für Verspätungen sind meist Unpünktlichkeiten wegen Baustellen und ähnlichem Ungemach.

Auf der Website der CDU Dessau-Roßlau ist es ähnlich: Wer auf dieser Baustelle zu viele veraltete Informationen findet, weil Aktuelles nur unpünktlich online geht, blättert vielleicht irgendwann in besagtem Online-Heftchen. Und wer die Seiten desselben tatsächlich bis zum Ende durchblättert, kommt tatsächlich dort an, wo er oder sie hin will: Zu aktuellen Informationen.

Korrektur / Aktualisierung:

07. Januar 2025

In einer vorhergehenden Version des Beitrages war bis zum 07. Januar 2025 zu lesen, die CDU Dessau-Roßlau habe es seit der Wahl Florian Kellners zum Vorsitzenden versäumt, diese Personalie auf ihrer Website einzupflegen. Tatsächlich hatte man den Posten nach dem Rücktritt Kellners auf der Website auf „vakant“ gesetzt. DeRoPolis dankt für den freundlichen Leser:innenhinweis.

Aktualisierung / Ergänzung

07. Januar 2025

Die CDU Dessau-Roßlau hat auf ihrer Webseite Neujahrsgrüße 2025 veröffentlicht.


AfD ohne f: Avanti Dilettanti

Dessau-Roßlauer Stadtratsfraktionen und Parteien im Netz – Folge 1


04. Januar 2024

Wie präsentieren sich Parteien und Stadtratsfraktionen in Dessau-Roßlau im Internet? Mit einer eigenen Website können politische Protagonisten sich, ihre Positionen und Personen der Öffentlichkeit vorstellen und an der „politischen Willensbildung des Volkes mit[wirken]“ (Artikel 21, Satz 1 Grundgesetz).

In einer Serie dokumentiert DeRoPolis die Web-Auftritte der Dessau-Roßlauer Politik-Akteure. Folge 1: Die AfD (hier auch „die Blaunen“ genannt, in Anlehnung an die Parteifarbe Blau und ihr bräunliches Gedankengut). Die Website ist per Internet-Suche einfach zu finden und hier nicht verlinkt.

Die Blaune Gegenwart der Vergangenheit

Fraktion der Gestrigen

Am 03. Januar 2025 besteht die blaune Fraktion im Dessau-Roßlauer Stadtrat laut Website der Partei aus acht Männern. Darunter der seitens der Partei verfemte Lutz Büttner (zweite Reihe, zweite Spalte). Der hatte Laut Bericht der örtlichen Tageszeitung sein Mandat im Mai 2024 aufgegeben und seinen Parteiaustritt erklärt. Fraktion und Partei waren ihm angeblich zu rechts. Dass er immer noch mit Bild als Fraktionsmitglied vorgestellt wird, stört anscheinend niemanden.

Possierlich: Drei weitere auf der Website gezeigte Männer sind in der neuen Fraktion auch nicht mehr dabei (im Screenshot gestrichen). Auch in diesen Fällen stört sich offenbar niemand daran, dass Leute als Volksvertreter ausgegeben werden, die niemanden mehr vertreten.

Und es kommt noch schlechter:

Nach der Kommunalwahl 2024 zählte die Fraktion zwölf Männer und eine Frau, also 13 Stadträte. Bereits nach wenigen Wochen waren zwei Stadträte, darunter die einzige Frau, aus der Fraktion ausgetreten. Da waren es (und sind bislang) noch elf.

Wäre die 13er-Fraktion noch sichtbar, man könnte es ja noch verstehen. Angesichts des Getöses, das die Blaunen um ihren jüngsten aber offenbar nicht sonderlich nachhaltigen Wahlerfolg als stärkste Fraktion gemacht hatten (jetzt liegen sie gemessen an der Anzahl der Stadträte gleichauf mit der CDU), immer noch eine rettungslos veraltete Fraktionszusammensetzung zu präsentieren, grenzt aber an Wähler:innentäuschung mittels Verschweigen von Tatsachen. Ersparen sich die Blaunen die Mühe, ihre aktuelle Fraktion vorzustellen, weil sie mit weiteren Austritten rechnen?

Aktuelles: Nach 2222 kam 2022 – dann nichts mehr

Seit 2022 sind die Blaunen überaktuell. Sie sprachen mit Bügerinnen und Bürgern des Jahres 2222 (Kasten Mitte).

Ganz so sehr der Zukunft zugewandt wollten zumindest die beiden blauen MdL (w) wohl doch nicht sein.

Sie retteten sich in den deutschen Wald des Jahres 2022. Da pflanzte man Bäume zur Rettung des desselben. Augenscheinlich war die Pflanzaktion anstrengend. Stand 04. Januar 2025 verzeichnet die Website unter dem Stichwort „Aktuelles“ nach dem 16. November 2022 nichts mehr.

Veranstaltungen: Lieber unter sich?

Vielleicht, so mag man vermuten, fühlen sich die Blaunen im „normalen“ Internet und damit außerhalb ihrer Social-Media-Blase auch nicht zuhause. Auf Websites kann ja jede:r zugreifen. Der Zugang zu eigenen Social-Media-Gruppen lässt sich kontrollieren. Kritiker:innen bleiben dann halt draußen.

Zugangskontrolle bei Veranstaltungen ist schon schwieriger. Wie unlängst in einer Gaststätte in Roßlau: Da freuten sich Mandatsträger:innen aus Stadt und Land darüber, dass niemand von den angeblichen „System-Medien“ gekommen sei und man „unter sich“ unverhohlen schimpfen könne.

DeRoPolis stand derweil teils grinsend, zuweilen nur noch staunend ganz offen im Saal und notierte geflissentlich mit. DeRoPolis zählt mithin nicht zu den nach Blaunen-Lesart verlogenen „System-Medien“. DeRoPolis sagt also die Wahrheit. Das lassen wir mal so stehen.

Kurz: Nachdem im Februar 2022 ein „Spaziergang durch Dessau“ auf dem Programm stand, brachten die Blaunen im Dezember 2022 noch eine „Kundgebung auf dem Schlossplatz“ zustande. Danach hatte es sich augenscheinlich öffentlich ausveranstaltet.

Bei Steck-Aktion stecken geblieben – im Jahr 2022

„Nadine Koppehel, Margret Wendt und Chris Büchner steckten unsere Fraktionszeitungen und die Flyer der Kreishandwerkerschaft Anhalt Dessau-Roßlau.“ (Originalzitat, zweiter güllegrüner Kasten von unten.) Wohin (sich?) die blaunen Herrschaften die Dinge im August 2022 steckten, ist nicht bekannt…

„Aktionen“ jüngeren Datums sind auf der Website nicht zu finden.

Fazit: Ein „f“ zu viel

Mit ihrem Netz-Auftritt firmieren die Blaunen in Dessau-Roßlau höchstens als AD – für „Avanti Dilettanti“. Augenscheinlich hat mal jemand, der eine Computertastatur bedienen konnte, schnell eine Website hingeknallt, ein paar Bilder online gestellt und sich dann nie wieder gekümmert. Kann man so machen, ist aber… Mit Transparenz und Information von Bürger:innen und Wähler:innen hat das Ganze jedenfalls wenig zu tun.

Im Impressum der Blaunen-Site heißt es übrigens: „Die Inhalte unserer Seiten wurden mit größter Sorgfalt erstellt.“

Bringen Pflicht und Zwang die Wirtschaft in Gang?

CDU-Politiker für Arbeitszwang und Dienstpflicht

Sepp Müller, CDU-Bundestagsabgeordneter für Dessau-Roßlau, gibt sich in der breiten Öffentlichkeit gern jovial bis volksnah. Beim Bäumepflanzen zum Beispiel. Und im Tierheim. Das in Dessau hatte er während seiner „Zuhör-Tour im Osten“ besucht. Für Fotos in der örtlichen Zeitung schwang er dort den Besen. Ob Müller auch Katzenklos geleert hat, ist nicht überliefert. In Wörlitz trat er gemeinsam mit Carsten Linnemann (CDU MdB, links im Bild oben) vor der Mittelstandsunion (MIT) auf.

Müller versteht es, den Menschen „im Osten“ auf’s sprichwörtliche Maul zu schauen. Zuweilen entsteht der Eindruck, er rede den Leuten nach demselben. Vor allem teile er die Abneigung gegen Bevormundung. Die möge er gar nicht. In der Hauptstadtpresse verkündete der CDU-Mann am 15. Mai, die Ostdeutschen seien „bei Verboten total sensibel“.

Sensible Ostdeutsche und Merkels Heizungs-gesetz

Das war auf die Heizungspläne des grünen Wirtschaftsministers gemünzt. Der wolle Hausbesitzer zum Heizungstausch zwingen. Tatsächlich schreibt das Gebäudeenergiegesetz (GEG) aus dem August 2020 vor, ineffiziente Öl- und Gasheizungen durch energiesparendere Heizungen auszutauschen, wenn sie über mehr als 30 Jahre alte Konstanttemperaturkessel verfügen. Müllers Parteifreundin Angela Merkel war damals Bundeskanzlerin. Die Erkenntnis, dass heute schon bestehende „Heizungsverbote“ unter CDU-Ägide beschlossen wurden, möchte Müller seiner sensiblen Wählerschaft offenbar nicht zumuten.

20 Euro für die Mittelstandsunion

Vermutlich reagieren sensible Wähler*innen auch nicht sonderlich angetan auf Eintrittspreise für – nun sagen wir Partei-Informationsveranstaltungen. 20 Euro sollten Besucher*innen beispielsweise für einen Auftritt Müllers und seines Partei- und Parlamentskollegen Carsten Linnemann bei der „Mittelstands- und Wirtschaftsunion“ (MIT) berappen.

Jene, die die 20 Euro bezahlt hatten, durften sich an appetitlichen Portionen von zartem Filet auf Spargelmus und ähnlichen Produkten der gehobenen Küche gütlich tun. Neben Mittelständlern und Freiberuflern waren am 09. Mai im 4-Sterne-Hotel „Zum Stein“ in Wörlitz auch Vertreter kommunaler Verwaltungen und Politik dabei. Ihnen setzten Linnemann und Müller recht handfeste politische Kost vor.

zwang und Dienst statt Wettbewerb

Von Arbeitszwang über Dienstpflicht bis zu Azubi-Ablöse reichte die Zutatenliste. Viele der anwesenden Unternehmer*innen goutierten diese Einlassungen mit reichlich Applaus. Grund für den angeblich bevorstehenden Ruin des Industriestandorts Deutschland sei nämlich zu viel Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt.

Richtig gelesen: Ausgerechnet das Strukturprinzip der Marktwirtschaft, den Wettbewerb, identifizierten die CDU-Männer als Nachteil für mittelständische Unternehmen und Betriebe. Müssen sich Arbeitgeber*innen mittlerweile doch tatsächlich um Mitarbeiter*innen bemühen. Die stehen auf der Suche nach Erwerbseinkommen oftmals nicht mehr Schlange, sondern sortieren Arbeitsplatzangebote nach Attraktivität und suchen im Zweifelsfall lieber ein paar Wochen länger. Faktoren Arbeitszeiten, Familienfreundlichkeit und Höhe der Entlohnung entscheiden mehr denn je über den Arbeitgeber-Erfolg auf der Suche nach Arbeitskräften.

Chefs als Bewerber, faule Arbeitnehmer

Fachkräfte sind rar gesät, verkünden Wirtschaftsnachrichten regelmäßig. Der Markt hat sich gedreht vom Nachfrage- in einen Anbietermarkt. Die früher herrschende Knappheit des Faktors Arbeit war ein Vorteil für Arbeitgeber*innen. Die konnten aus Stapeln von Bewerbungen passende Mitarbeiter*innen auswählen. Heute müssen sich Chefinnen und Chefs oftmals bei potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewerben. Bei Großunternehmen und Konzernen war diese Botschaft schon vor Jahren angekommen. Manch Mittelständler*in hat unterdessen weiter vor sich hin gewurschtelt und wundert sich heute, dass Arbeitsuchende eben nicht mehr für den nächst schlechtesten Job unterschreiben.

CDU-Landeswirtschaftsminister Sven Schulze sieht allerdings keine Marktmechanismen, sondern Faulheit. Faulheit der Arbeitnehmer*innen wohlgemerkt. Er definiert Arbeitslosigkeit flugs um zur „staatlich subventionierten Nichtarbeit“. Und die brauche es nicht, denn „es gibt überall Arbeit für alle“. Parteikollege Linnemann assistiert: „Ich würde eine Arbeitspflicht einführen.“ Nach sechs bis zwölf Monaten staatlicher Unterstützung sollen Arbeitslose jedwede Beschäftigung annehmen müssen. Wäre doch gelacht, wenn die unionsnahe Mittelstandslobby dem Sozialen in der Marktwirtschaft nicht ein Schnippchen schlagen könnte.

Belastete arbeitspflicht

Doof findet Linnemann, dass Arbeitspflicht in Deutschland „historisch belastet“ sei. Mancher assoziiere solch eine Produktivitäts-Zwangsbeglückung mit Arbeitsdienst, wie er in früheren Phasen der Geschichte der Deutschen nicht unüblich war. Andere seien da entspannter, referiert der promovierte Volkswirt und verweist auf die Niederlande. Dort gäbe es den Zwang, als Gegenleistung für staatliche Unterstützung zu arbeiten. Dass unsere Nachbarn im Nordwesten ein völlig anderes System der Arbeitslosenunterstützung haben, dass dort Kommunen und nicht der Staat für Unterstützung und Aktivierung zuständig sind, dass je nach örtlichen Gegebenheiten und Klientel auch die regelmäßige Teilnahme an Kaffeekränzchen als Gegenleistung für staatliche Unterstützung gilt – all das verschweigt Linnemann.

Sepp Müller variiert das Thema mit dem Vorschlag, Arbeitslosenunterstützung höchstens zwei Jahre lang zu gewähren. Wer nach dieser Frist noch nicht arbeite, müsse wohl krank sein. Kranke aber müssten von Krankenversicherung oder Rentenkasse versorgt werden. Zu Auswirkungen auf die schon jetzt klamme Finanzausstattung der entsprechenden Kassen inklusive möglicher Steigerungen der Beitragssätze auch für Unternehmer*innen verliert er kein Wort.

Erst mal dienen lernen

Vielleicht hilft ja auch eine allgemeine Dienstpflicht. Ein Jahr lang sollen junge Menschen nach der Schule einen Pflichtdienst absolvieren. Gern in der Bundeswehr. Aber auch andere Dienste seien möglich. Hauptsache junge Menschen werden erst einmal daran gewöhnt, ihr Leben nicht nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, sondern zu dienen. Die Vermutung liegt nah, dass die verweichlichte junge Generation abgehärtet werden soll. Motto: Der faulenzende Pöbel wird endlich zur Arbeit erzogen. Die Versammlung applaudiert.

Wie durch Dienstpflicht verzögerter Berufseinstieg gegen den Fachkräftemangel helfen soll, bleibt ungeklärt. Gleiches gilt für die Antwort auf die Frage, wieso Qualifikationen und Ausbildungen nicht belohnt werden sollen, wenn doch genau diese fehlen. Vielleicht geht es aber auch gar nicht um Qualifikation. Wie bei dem Hersteller mobiler Toiletten aus Coswig, der nach eigenen Worten gar keine qualifizierten Mitarbeiter*innen sucht, sondern nur angelernte Kräfte. Wenig qualifizierte Plastik-Klo-Zusammensetzer*innen haben im Zweifel auch geringere Lohnvorstellungen.

azubi-ablöse a la Bundesliga

Und dann sind da die Azubis. Auch die bleiben nach abgeschlossener Ausbildung nicht mehr automatisch bei ihrem Ausbildungsbetrieb, sondern wählen das jeweils lukrativste Angebot auf dem Markt. Von Azubi-Klau ist die Rede in den Reihen der versammelten Mittelständler*innen. Zu hohe Löhne gebe es in Öffentlichem Dienst und Großkonzernen. Die bildeten oftmals selbst nicht aus, übernähmen aber gern die bei kleinen Unternehmen qualifizierten Kräfte. Noch ein Grund, staatliche Regulierung einzufordern.

Für Fußballfan Linnemann ist klar: Eine Azubi-Ablöse muss her. Fünf Jahre sollen Azubis nach Abschluss ihrer Ausbildung im jeweiligen Betrieb bleiben, schlägt er vor. Wolle ein Unternehmen ausgelernte Azubis eines anderen vor dieser Frist übernehmen, müsse eine Ablöse gezahlt werden. Funktioniert ja auch in der Bundesliga. Dort profitieren von diesem System allerdings in erster Linie finanzstarke Clubs. Die erkaufen sich ihre Tabellenplätze geradezu. Vereine mit schmaleren Budgets, die in Nachwuchsförderung investieren, haben oft genug das Nachsehen. Was diese Quasi-Konzernförderung mit Mittelstandspolitik zu tun hat? Es bleibt ein Rätsel.

Mit Prämien in die planwirtschaft?

Noch rätselhafter wird es, wenn die Mittelstandsmannen Linnemann und Müller zu genau diesem Thema nach Bremen schauen. Dort hat der rot-grün-rote Senat eine Ausbildungsabgabe installiert. Unternehmen aller Größenordnungen zahlen in einen Ausbildungsförderungsfond ein. Wer ausbildet, erhält pro Ausbildungsplatz eine jährliche Fördersumme. Damit soll nicht zuletzt jener „Azubi-Klau“ bekämpft werden, dem Linnemann lieber mit Fußball-Ablöse-Kapitalimus beikommen möchte. Das Bremer Modell gilt den Unionsmittelständlern als Schritt in die Planwirtschaft.

Da wundert es nicht, dass Linnemann nichts von Prämien und Vergütungen für Weiterbildung und Qualifizierung hält. Entweder der Leidensdruck in der Arbeitslosigkeit reicht aus, um entsprechende Maßnahmen zu absolvieren, oder es ziehen die oben skizzierten Zwangsmechanismen. Anders ist es logisch nicht zu erklären, dass er die 2016 vom dritten Kabinett Merkel eingeführte Weiterbildungsprämie (bis zu 2.500 Euro bei Bestehen einer Abschlussprüfung) ablehnt – und damit mutmaßlich auch das von der derzeitigen Regierung etablierte monatliche Weiterbildungsgeld für Bürgergeldbezieher*innen, die eine entsprechende Ausbildung in Angriff nehmen.

zwang und pflicht – helfen nicht

Zusammenfassung: Für Sepp Müller und Carsten Linnemann sind Arbeitszwang und Pflichtdienst wichtiger als marktnahe und an Bedürfnissen der Unternehmen orientierte Maßnahmen zur Förderung von Qualifizierung und Ausbildung. Junge Menschen sollen qua staatlicher Dienstpflicht in Richtung Wohlverhalten eingenordet und zu diesem Zweck erst einmal dem Arbeitsmarkt entzogen werden. Ältere, die Zeit und Mühe in Qualifikationen für neue und bessere Chancen investieren wollen, sollen sich lieber mit Helferjobs begnügen. Konzerne nutzen mittelständische Betriebe weiter als Personallieferanten und bezahlen die Azubi-Ablöse aus der Portokasse.

Und all das ist dann Mittelstandspolitik? Mittelständler*innen, die schon heute kein ausreichend qualifiziertes Personal finden, sähen sich zwangsläufig mit einem noch weiter ausgedünnten Arbeitsmarkt konfrontiert. Fazit: Zwangsdienst und Pflicht, hilft der Wirtschaft nicht.

1. Mai in Dessau: Bilder sagen mehr als Worte

Bilder statt Ansprachen am 1. Mai in Dessau

Das Hauptprogramm bot Grußworte. Im Nebenprogramm tanzten Kinder. Manche Botschaften kamen aber ohne Worte aus. DeRoPolis zeigt, was die lokale Zeitung ignorierte.

Gewerkschaft ist solidarisch

Wie geht Solidarität auf dem Bau? – Ganz einfach: Zusammen arbeiten.

Ohne viele Worte bringt die IG BAU (Industrie-Gewerkschaft Bau-Agrar-Umwelt) am 1. Mai in Dessau praktische Solidarität auf den Punkt.

Motto: Arbeiter*innen kennen keinen Rassismus. Arbeitnehmer*innen stehen zu ihren Kumpeln und Kolleg*innen.

Urteil: Klare Kante gegen Sozialneid und Fremdenfeindlichkeit.

Selten gesehen: Arbeitnehmer der Union

Seltener Gast am 1. Mai: Die CDU.

Die CDA (Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft) war in Dessau vor Ort. Sie bezeichnet sich als gewerkschaftsnah.

Motto: Wer mitreden will, muss dabei sein.

Urteil: Demokratie bedeutet Mitmachen aus Solidarität. Nicht trotz, sondern wegen politischer Unterschiede.