Amtsblatt 04/2023
CDU-Fraktion surft die Grüne Welle und geht baden
Einem ihrer Lieblingsthemen widmet sich die CDU-Fraktion im April-Amtsblatt – der Verkehrspolitik. Genauer: Voraussetzungen für zügig fließenden (Auto-)Verkehr, die „Grüne Welle“ in der Stadt. Der Versuch, ihre Auto-zentrierte Verkehrspolitik mit einem grünen Anstrich aufzuhübschen, endet allerdings in einem matschigen Gülle-Grün.
Das traditionell beliebte Düngemittel ist längst als Ursache für erhöhte Nitratwerte im Grundwasser entlarvt. Der menschliche Organismus wandelt Nitrat um in Nitrit. Nitrit behindert den Sauerstofftransport des Blutes. Und zu wenig Sauerstoff führt nicht selten zu – gelinde gesagt – unpräzisen gedanklichen Schlussfolgerungen. Wenn dann auch noch die Grundannahmen einer Argumentation eher der Fantasie als der Faktenlage entspringen, ist das Ergebnis eher ein verkehrspolitischer Tsunami. Der Reihe nach:
Von Fahrspuren und Blitzbussen
CDU-Stadträtin Rita Bahn-Kunze findet es doof, dass in Dessau-Roßlau Autofahrer*innen an (gefühlt) jeder Ampel anhalten müssen. Investitionen könnten das Problem aber nicht lösen, weil sie nicht zur Verbesserung des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) beitrügen („Einfach mehr Geld in die Hand zu nehmen, wird den ÖPNV nicht besser machen.“ – Also einfach weniger Geld ausgeben?) Das Geheimnis um den Zusammenhang von Grüner Welle und Qualität des ÖPNV behält Bahn-Kunze vorsichtshalber für sich.
Vielleicht möchte die CDU-Stadträtin aber an eben dieser Stelle auch gar nicht so genau sein, damit nicht auffällt, dass Vorrangsbehandlung für Busse an Ampeln logisch eigene Busspuren erfordern (denn grüne Bus-Ampeln nützen dem Bus mitsamt Passagieren wenig, wenn Pkw vor dem Bus auf Pkw-Grün warten müssen). Extra Bus-Spuren ließen sich aber nur auf Kosten anderer Fahrspuren einrichten.
Irgendwie scheint sich allerdings auch die CDU-Stadträtin auf einer gedanklichen Geisterfahrt zu wähnen. Ihre Bus-Ampel-Überlegung führt sie nämlich kurzerhand (sozusagen auf der Überholspur) selbst ad absurdum: Folge bevorzugter Grün-Phasen für Busse sei nämlich „eine immerwährende Beschleunigung“ des Busverkehrs . Und solche Blitz-Busse wären dann für Fahrgäste nicht mehr erreichbar, weil ja kein Fahrplan mehr eingehalten würde (quasi die allgemeine Beschleunigungstheorie des ÖPNV: „je grüner desto Wartezeit“ oder so ähnlich).
Gedanken-Vollgas über ROT
Zumindest um eine Antwort auf die Frage der Finanzierung eines neuen Verkehrsleitrechnersystems (VLR-System) ist die CDU-Stadträtin nicht verlegen: Sie behauptet geradewegs und also auf den ersten Blick ohne Ampel und Umleitung, die Stadt entscheide über die Verwendung der über den Fahrscheinverkauf erwirtschafteten Mittel und könne diese ergo nach Belieben für ein VLR-System verwenden. Das aber ist schlicht falsch. Bahn-Kunze überfährt – um im Bild zu bleiben – im gedanklichen Vollgas-Modus eine rote Ampel. Das entsprechende Knöllchen könnte der CDU-Frau der Geschäftsführer der Dessauer Stadtwerke, Dino Höll, austellen.
Höll, als Manager der Dessauer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH – DVV – Stadtwerke (Sachsen-Anhalt) auch für den Dessauer ÖPNV verantwortlich, war unlängst ausgerechnet beim Kreisverbandes der GRÜNEN in Dessau zu Gast. Der Manager erläuterte, dass die Stadtwerke deshalb relativ flexibel in der Gestaltung ihres ÖPNV-Angebotes seien, weil Überschüsse und Verluste unterschiedlicher Geschäftsfelder des Unternehmens gegeneinander verrechnet würden. Ertragreiche Geschäftsfelder wie die Energieversorgung dienen mithin der innerbetrieblichen Quersubvention verlustreicher Felder. Der Mann wird sich mutmaßlich bedanken, wenn CDU-Fraktion in die Geschäftspolitik der Stadtwerke hinein dilettieren würde.
„Radfahrstreifen so lang wie möglich“
Mutmaßlich hat die CDU aber auch erst einmal genug damit zu tun, Autofahrer*innen zu erklären, woher sie den Platz für „so lang wie möglich“ ausgeführte „Radfahrstreifen“ nehmen will. Laut Allgemeiner Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV zur StVO) Anlage 3 zu Paragraf 42 Absatz 3 der StVO sind Radfahrstreifen mit Zeichen 237 gekennzeichnete und durch Zeichen 295 von der Fahrbahn abgetrennte Sonderwege. Werden Radfahrstreifen an Straßen mit starkem Kraftfahrzeugverkehr angelegt, ist ein breiter Radfahrstreifen oder ein zusätzlicher Sicherheitsraum zum fließenden Verkehr erforderlich. Mit anderen Worten: Viel Platz für Fahrräder, weniger Platz für Autos. Ich persönlich fände das ja gut. Nur überließe ich entsprechende Planungen lieber Leuten, die mutmaßlich wissen, worüber sie reden… Mit den vorliegenden verworrenen verkehrspolitischen Versatzstücken jedenfalls geht die CDU-Fraktion genüsslich im Güllegrün baden.