Unabhängig und inhaltlich stark

Dessau-Roßlauer Stadtratsfraktionen und Parteien im Netz – Folge 3: FBF – Freies Bürger-Forum


08. Januar 2025

Wie präsentieren sich Parteien und Stadtratsfraktionen in Dessau-Roßlau im Internet? Mit einer eigenen Website können politische Protagonisten sich, ihre Positionen und Personen der Öffentlichkeit vorstellen und an der „politischen Willensbildung des Volkes mit[wirken]“ (Artikel 21, Satz 1 Grundgesetz).

In einer Serie dokumentiert DeRoPolis die Web-Auftritte der Dessau-Roßlauer Politik-Akteure. Folge 3: Freies Bürger-Forum (FBF). Die Website ist per Internet-Suche einfach zu finden und hier nicht verlinkt.

Übersichtlich, aktuell, konkret

Eine Fraktion aus zwei Listen: Freies Bürger Forum

Im besten Sinne übersichtlich: Die Startseite des FBF.

Kurze Vorstellung, Newsletter und Adresse mitsamt E-Mail. Darüber ein klar strukturiertes Menü mit sechs Auswahlmöglichkeiten. Kompliment, der Auftritt lädt ein, sich zu informieren.

Im ersten Satz die Erklärung, wer das eigentlich ist, das Freie Bürger-Forum. Zur Wahl war das nämlich gar nicht als Liste angetreten.

Stadträtinnen und Stadträte zweier Listen bilden die Fraktion: Jene von „Neues Forum – Bürgerliste“ (NF-BL) und von der „Freie Fraktion“ (FF). Praktisch: Die Listen-Namen sind mit Links hinterlegt. Bei NF-BL geht’s damit zur Website der Liste. Der FF-Link führt nur zur Website der Stadtverwaltung. Das aber ist verzeihlich, denn die kleine, vom kommunalpolitischen Urgestein Hans-Peter Dreibrodt geprägte Liste, ist in der Stadt allen politisch Interessierten bekannt.

Das ist eine Startseite ohne Stuss und Geschwätz.

Aktuelles wie im Nachrichten-Ticker

Unter „Aktuelles“ geht es zu wie auf einem Nachrichtenticker: Überschrift – Datum – Textanriss mit Link zum kompletten Beitrag. Stark.

Chronologisch geordnet reichen die Beiträge von August bis Dezember 2024, thematisch von der Bildung der Fraktion über BUGA und Rosenhof bis zur kommunalen Wärmeplanung.

Übersichtlich präsentiert die Fraktion ihre Arbeit auch zur Vorbereitung ihrer Positionen: Mit einem Besuch der Stadtwerke und Gesprächen mit dortigen Verantwortlichen sammelte sie beispielsweise Informationen zur genannten Wärmeplanung.

Fraktionsmitglieder vorgestellt

Die sieben Stadträtinnen und Stadträte der Fraktion stellen sich unter dem Punkt „Fraktion“ vor.

Das funktioniert ohne langes Herumgeklicke. Sieben Portraits und gleich darunter Fotos aus dem Leben mit kurzen Vorstellungen.

Das wirkt bürger:innennah und autentisch.

Auffallend: Eine Stadträtin ist Mitglied der Linkspartei. Die hatte keine eigene Fraktion mehr aufstellen können.

Welche Fraktionsmitglieder in welchen Ausschüssen, Stadtbezirksbeiräten, Ortsräten, Aufsichtsräten und sonstigen Gremien mitarbeiten, zeigt ein Klick auf den Reiter „Gremien“. Auch sehr übersichtlich und transparent.

Themen im Fokus: Information ohne Umwege

Allegemeiner wird’s unter dem Stichwort „Themen„.

Die Blöcke „Stadtentwicklung„, „Bürgerbeteiligung„, „Soziales“ sowie „Energieversorgung und Umwelt“ umreißen offenbar die Interessenschwerpunkte der Fraktion.

Jeder Beitrag ist mit Links versehen, die zu ergänzenden Informationen führen.

Termine: Einladung zur Mitwirkung

Unter „Termine“ listet die FBF eigene „Fraktionssitzungen“ sowie „Öffentliche Sitzungstermine“ auf.

Ein echtes Serviceangebot. Der verlinkte Google-Kalender mit Sitzungen des Stadtrates und seiner Ausschüsse ist übersichtlicher als die entsprechende Website der Stadtverwaltung.

Und wer sich rechtzeitig schriftlich anmeldet, kann augenscheinlich auch an Sitzungen der Fraktion teilnehmen. Der Reiter „Kontakt“ führt zu einem einfachen Online-Formular, mit dem Interessierte der Fraktion schreiben können.

Fazit: Online-Bürger:inneninformation ohne Schnickschnack

Die Website trägt die Hand- respektive Programmierschrift des Neuen Forum – Bürgerliste; die Website der NFB-Wähler:innenvereinigung ähnelt jeder der Fraktion frappierend. Aber das ist durchaus vorteilhaft. Denn beide Websites bestechen mit aufgeräumtem Design, nutzer:innenfreundlicher Struktur und aktuellen Inhalten ohne Schnickschnack.

Wer sich über die Fraktion informieren will, braucht keine Social-Media-Kanäle (für die man sich in der Regel auch noch anmelden und damit eigene Daten preisgeben muss). Die Website bietet frei zugänglich verständliche Aussagen. Da kann sich manch anderer eine dicke Scheibe abschneiden.

Christlich, Demokratisch, Unpünktlich

Dessau-Roßlauer Stadtratsfraktionen und Parteien im Netz – Folge 2: CDU


05. Januar 2025 / aktualisiert: 07. Januar 2025

Wie präsentieren sich Parteien und Stadtratsfraktionen in Dessau-Roßlau im Internet? Mit einer eigenen Website können politische Protagonisten sich, ihre Positionen und Personen der Öffentlichkeit vorstellen und an der „politischen Willensbildung des Volkes mit[wirken]“ (Artikel 21, Satz 1 Grundgesetz).

In einer Serie dokumentiert DeRoPolis die Web-Auftritte der Dessau-Roßlauer Politik-Akteure. Folge 2: Die CDU. Die Website ist per Internet-Suche einfach zu finden und hier nicht verlinkt.

Ein bisschen wie Bahnfahren: Verspätet aber mit nett-informativer Lektüre

Neu im Januar ’25: Allerheiligen & Allerseelen

Die Website der Dessau-Roßlauer CDU begrüßt Besucher:innen mit neuesten Nachrichten.

Breaking News im Januar 2025: Allerheiligen ist am 1. November. Ja nee, is‘ klar… Weihnachtsgrüße hätten auch zu christlich gepasst – und zu aktuell auch (wenn’s denn schon kein Willkommen im neuen Jahr ist).

Etwas weiter unten auf der selben Seite: „Aktuelle Nachrichten„, damit sind Leser:innen „Immer auf dem Laufenden“.

Von laufen kann indes keine Lese sein: Mit Nachrichten aus Juli 2024 (Vorstandswahlen in einem Ortsverband und Kommunalwahl) hinkt es eher als es läuft – und zwar ziemlich hinterher.

Fraktions-Themen im Nirvana

Aktuell sind Namen und Portraits CDU-Stadtratsfraktionsmitglieder unter dem Menü-Reiter „Fraktion“.

Bürger:innen sehen, wer da für die Partei im Rat sitzt.

Wofür sich die Damen und Herren konkret einsetzen, bleibt unklar.

Ein Kasten (hier lila umrandet) verspricht zwar Zugang zu „aktuelle[n] Themen und Beschlussvorlagen der CDU-Fraktion Dessau-Roßlau„, der Link (lila unterstrichen) führt aber ins virtuelle Nirvana.

Klicks auf „Ausschüsse“, „Abgeordnete“, „Besetzung der Ausschüsse“ und „Fraktionsgeschäftsstelle“ zeigen das selbe Ergebnis – nämlich keines. Wer auf „Stadtratsfraktion“ klickt erhält zwar größere Ansichten der Antlitze der Fraktionsmitglieder, Informationen zu den Personen gibt es aber nicht: Zwar verbergen sich in den Bildern Links, die leiten aber auch ins Nirgendwo.

Vorstand ohne Führung

Konservativ-demokratisch Gesinnte schätzen oft Führung. Führung ist hier im besten Sinne gemeint: Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s eine:n, der/die die Dinge regelt. So die Volksweisheit.

Geführt wird die CDU der Stadt vom Vorsitzenden. Laut Website des CDU-Landesverbandes ist das Florian Kellner. Laut Website des Kreisverbands Dessau-Roßlau ist das Vorsitzendenamt „vakant“.

Hintergrund (siehe dazu „Aktualisierung“ unten): Kellner trat im August 2024 als Vorsitzender zurück. Er hatte im Stadtrat für die Besetzung eines Ausschuss-Postens mit einem Vertreter der Blaunen (AfD) gestimmt. Die örtliche Zeitung hatte daraufhin spekuliert, die „Brandmauer“ der CDU gegenüber den (Äußerst-)Rechtspopulisten bröckele. CDU-interner Druck soll zu Kellners Rücktritt geführt haben.

Nichtsdestoweniger präsentiert die Website der Landes-CDU den Mann nach wie vor als Chef der Dessau-Roßlauer Union. An welcher Stelle da jemand in der Union geschlafen hat und augenscheinlich weiterhin pennt, wäre Spekulation. Ist aber auch egal. Entweder aktualisiert man auch auf Landesebene die Informationen nur sporadisch, oder die örtliche Union hat nicht einmal parteiintern kommuniziert.

Fatal hinsichtlich des Bildes, das die CDU bei ihrer Selbstdarstellung im Netz abgibt, ist das allemal. Denn es geht um die Frage der Führung. Die soll wohl am 17. Januar 2025 neu gewählt werden. Fast fünf Monate lang war demnach der Posten vakant. Auch das mag mit organisatorischen Herausforderungen begründbar sein. Dass aber nicht einmal unter „Aktuelles Archiv“ eine Nachricht in der Causa zu finden ist, gibt Anlass zu der Vermutung, die örtliche CDU habe die Methode „Augen zu und durch“ gewählt.

Führung hat sehr viel mit Kommunikation zu tun. Wer in Fragen von Führungspositionen nicht kommuniziert, führt nicht, sondern hinkt hinterher. „Unpünktlich“ wirkt da als Einordnung noch gnädig.

Kellner ist übrigens auch nach der Kommunalwahl 2024 weiterhin Stadtrat.

„Keine Events“ sechs Wochen vor der Wahl?

„Wenn Sie sich politisch engagieren möchten, würden wir uns sehr freuen, Sie auf einer unserer nächsten Veranstaltungen persönlich begrüßen zu dürfen.“ steht auf der Homepage der CDU Dessau-Roßlau.

Schwierig wird’s, wenn jemand dieses Angebot wahrnehmen möchte. Ein Klick auf „Termine“ (unter dem Reiter „Aktuelles und Termine“) führt unter der Überschrift „Januar 2025“ zu „Januar 2025“ zu dem Satz „Es gibt keine Events in diesem Monat.“

Echt jetzt? Gute sechs Wochen vor der vorgezogenen Bundestagswahl 2025 „keine Events“?

Verschlafen mit Abraham Lincoln

Des Rätsels Lösung: Wer unter besagtem „Aktuelles und Termine“-Reiter auf den nichtssagenden Punkt „CDU-Informationen“ und dann unter „2025“ auf das „+“-Zeichen klickt, erreicht einen Newsletter, das zweimonatlich erscheinende Info-Heftchen der CDU Dessau-Roßlau, Ausgabe Januar/Februar 2025. Wenigstens das ist offenbar pünklich fertig geworden.

Ganz am Ende des Heftes, auf Seite zwölf, sind sowohl „Termine der Ortsverbände und Vereinigungen“ als auch „Termine im Kreisverband Dessau-Roßlau“ zu finden (siehe Screenshot).

Auf Seite eins des besagten Heftes prangt ein angeblicher Spruch Abraham Lincolns (16. Präsident der USA): „Halte Dir jeden Tag dreißig Minuten für deine Sorgen frei, und in dieser Zeit mache ein Nickerchen“ (Zeichensetzung gemäß Zitat von CDU-Website). Anscheinend hat die CDU Dessau-Roßlau viele Sorgen und verschläft deshalb die meiste Zeit – zumindest online.

Fazit: Unpünktlich mit nettem Heftchen – wie beim Bahnfahren

Wer in einem verspäteten Zug sitzt, kann meist in Heftchen oder Magazinen des jeweiligen Bahnunternehmens blättern. Zuweilen finden sich dort sogar nützliche Informationen. Grund für Verspätungen sind meist Unpünktlichkeiten wegen Baustellen und ähnlichem Ungemach.

Auf der Website der CDU Dessau-Roßlau ist es ähnlich: Wer auf dieser Baustelle zu viele veraltete Informationen findet, weil Aktuelles nur unpünktlich online geht, blättert vielleicht irgendwann in besagtem Online-Heftchen. Und wer die Seiten desselben tatsächlich bis zum Ende durchblättert, kommt tatsächlich dort an, wo er oder sie hin will: Zu aktuellen Informationen.

Korrektur / Aktualisierung:

07. Januar 2025

In einer vorhergehenden Version des Beitrages war bis zum 07. Januar 2025 zu lesen, die CDU Dessau-Roßlau habe es seit der Wahl Florian Kellners zum Vorsitzenden versäumt, diese Personalie auf ihrer Website einzupflegen. Tatsächlich hatte man den Posten nach dem Rücktritt Kellners auf der Website auf „vakant“ gesetzt. DeRoPolis dankt für den freundlichen Leser:innenhinweis.

Aktualisierung / Ergänzung

07. Januar 2025

Die CDU Dessau-Roßlau hat auf ihrer Webseite Neujahrsgrüße 2025 veröffentlicht.


AfD ohne f: Avanti Dilettanti

Dessau-Roßlauer Stadtratsfraktionen und Parteien im Netz – Folge 1


04. Januar 2024

Wie präsentieren sich Parteien und Stadtratsfraktionen in Dessau-Roßlau im Internet? Mit einer eigenen Website können politische Protagonisten sich, ihre Positionen und Personen der Öffentlichkeit vorstellen und an der „politischen Willensbildung des Volkes mit[wirken]“ (Artikel 21, Satz 1 Grundgesetz).

In einer Serie dokumentiert DeRoPolis die Web-Auftritte der Dessau-Roßlauer Politik-Akteure. Folge 1: Die AfD (hier auch „die Blaunen“ genannt, in Anlehnung an die Parteifarbe Blau und ihr bräunliches Gedankengut). Die Website ist per Internet-Suche einfach zu finden und hier nicht verlinkt.

Die Blaune Gegenwart der Vergangenheit

Fraktion der Gestrigen

Am 03. Januar 2025 besteht die blaune Fraktion im Dessau-Roßlauer Stadtrat laut Website der Partei aus acht Männern. Darunter der seitens der Partei verfemte Lutz Büttner (zweite Reihe, zweite Spalte). Der hatte Laut Bericht der örtlichen Tageszeitung sein Mandat im Mai 2024 aufgegeben und seinen Parteiaustritt erklärt. Fraktion und Partei waren ihm angeblich zu rechts. Dass er immer noch mit Bild als Fraktionsmitglied vorgestellt wird, stört anscheinend niemanden.

Possierlich: Drei weitere auf der Website gezeigte Männer sind in der neuen Fraktion auch nicht mehr dabei (im Screenshot gestrichen). Auch in diesen Fällen stört sich offenbar niemand daran, dass Leute als Volksvertreter ausgegeben werden, die niemanden mehr vertreten.

Und es kommt noch schlechter:

Nach der Kommunalwahl 2024 zählte die Fraktion zwölf Männer und eine Frau, also 13 Stadträte. Bereits nach wenigen Wochen waren zwei Stadträte, darunter die einzige Frau, aus der Fraktion ausgetreten. Da waren es (und sind bislang) noch elf.

Wäre die 13er-Fraktion noch sichtbar, man könnte es ja noch verstehen. Angesichts des Getöses, das die Blaunen um ihren jüngsten aber offenbar nicht sonderlich nachhaltigen Wahlerfolg als stärkste Fraktion gemacht hatten (jetzt liegen sie gemessen an der Anzahl der Stadträte gleichauf mit der CDU), immer noch eine rettungslos veraltete Fraktionszusammensetzung zu präsentieren, grenzt aber an Wähler:innentäuschung mittels Verschweigen von Tatsachen. Ersparen sich die Blaunen die Mühe, ihre aktuelle Fraktion vorzustellen, weil sie mit weiteren Austritten rechnen?

Aktuelles: Nach 2222 kam 2022 – dann nichts mehr

Seit 2022 sind die Blaunen überaktuell. Sie sprachen mit Bügerinnen und Bürgern des Jahres 2222 (Kasten Mitte).

Ganz so sehr der Zukunft zugewandt wollten zumindest die beiden blauen MdL (w) wohl doch nicht sein.

Sie retteten sich in den deutschen Wald des Jahres 2022. Da pflanzte man Bäume zur Rettung des desselben. Augenscheinlich war die Pflanzaktion anstrengend. Stand 04. Januar 2025 verzeichnet die Website unter dem Stichwort „Aktuelles“ nach dem 16. November 2022 nichts mehr.

Veranstaltungen: Lieber unter sich?

Vielleicht, so mag man vermuten, fühlen sich die Blaunen im „normalen“ Internet und damit außerhalb ihrer Social-Media-Blase auch nicht zuhause. Auf Websites kann ja jede:r zugreifen. Der Zugang zu eigenen Social-Media-Gruppen lässt sich kontrollieren. Kritiker:innen bleiben dann halt draußen.

Zugangskontrolle bei Veranstaltungen ist schon schwieriger. Wie unlängst in einer Gaststätte in Roßlau: Da freuten sich Mandatsträger:innen aus Stadt und Land darüber, dass niemand von den angeblichen „System-Medien“ gekommen sei und man „unter sich“ unverhohlen schimpfen könne.

DeRoPolis stand derweil teils grinsend, zuweilen nur noch staunend ganz offen im Saal und notierte geflissentlich mit. DeRoPolis zählt mithin nicht zu den nach Blaunen-Lesart verlogenen „System-Medien“. DeRoPolis sagt also die Wahrheit. Das lassen wir mal so stehen.

Kurz: Nachdem im Februar 2022 ein „Spaziergang durch Dessau“ auf dem Programm stand, brachten die Blaunen im Dezember 2022 noch eine „Kundgebung auf dem Schlossplatz“ zustande. Danach hatte es sich augenscheinlich öffentlich ausveranstaltet.

Bei Steck-Aktion stecken geblieben – im Jahr 2022

„Nadine Koppehel, Margret Wendt und Chris Büchner steckten unsere Fraktionszeitungen und die Flyer der Kreishandwerkerschaft Anhalt Dessau-Roßlau.“ (Originalzitat, zweiter güllegrüner Kasten von unten.) Wohin (sich?) die blaunen Herrschaften die Dinge im August 2022 steckten, ist nicht bekannt…

„Aktionen“ jüngeren Datums sind auf der Website nicht zu finden.

Fazit: Ein „f“ zu viel

Mit ihrem Netz-Auftritt firmieren die Blaunen in Dessau-Roßlau höchstens als AD – für „Avanti Dilettanti“. Augenscheinlich hat mal jemand, der eine Computertastatur bedienen konnte, schnell eine Website hingeknallt, ein paar Bilder online gestellt und sich dann nie wieder gekümmert. Kann man so machen, ist aber… Mit Transparenz und Information von Bürger:innen und Wähler:innen hat das Ganze jedenfalls wenig zu tun.

Im Impressum der Blaunen-Site heißt es übrigens: „Die Inhalte unserer Seiten wurden mit größter Sorgfalt erstellt.“

Bolzplatz Eduardstraße: Geschlossen mit gelungenem Hinweisschild

Stadtpflege nimmt Jugendliche ernst: Erläuterung zu Bolzplatz-Instandsetzung

Hinweisschild zur vorübergehenden Schließung des Blozplatzes Eduardstraße
Hinweisschild zur vorübergehenden Schließung des Bolzplatzes Eduardstraße

Toll ist es nicht, aber offenkundig notwenig: Der Bolzplatz Eduardstraße in Dessau-Nord ist vorübergehend gesperrt. Grund: Instandsetzungsarbeiten. Ein neuer Belag mit gut erkennbaren Linien für Street-Basketball und Street-Soccer (also Fußball) soll augenscheinlich bis zum Frühjahr fertig sein.

Freundlicher Hinweis statt Haftung – geht doch!

Gut: Anstatt eines der typischen „Betreten verboten – Eltern haften für ihre Kinder“-Schilder aufzuhängen, hat sich beim Dessau-Roßlauer Eigenbetrieb Stadtpflege offenbar jemand Gedanken gemacht. Ergebnis: Ein in freundlich-sachlichem Tonfall gehaltener Hinweis an der Baustellenumzäunung mit der Ankündigung, dass Spielfeldlinien demnächst auch wieder sichtbar sind und zum Bolzen und Körbewerfen einladen.

Ja sicher, eine Angabe, wann der Bolzplatz wieder freigegeben wird, wäre das sprichwörtliche Tüpfelchen auf dem „i“ gewesen. Angesichts der Auslastung der Mitarbeiter:innen der Stadtpflege wäre das aber wohl eine sehr grobe Schätzung gewesen. Und wenn ein solcher Termin gerissen würde, sorgte das nur für Verdruss.

Beschließen wir das Jahr 2024 also versöhnlich mit einem Danke an die Person, die sich da offenbar Gedanken gemacht hat und die meist jungen Nutzer:innen ernst nimmt.

Wildschweinjagd im Welterbe

Reck: Warnung nur auf Amtsdeutsch

Sie suhlen und brechen durch Georgengarten und Georgium: Wildschweine. Der Stadtjäger soll dem grunzigen Treiben ein Ende setzen. Zwischen 8 Uhr abends und 6 Uhr morgens lauert der Waidmann den Schwarzkitteln auf. Einheimischen und Touristen ist das Betreten des Welterbeparks verboten. Zur Sicherheit. Mit DIN-A-4-Zetteln an Bäumen. Auf Deutsch. Nur auf Deutsch. Oberbürgermeister Reck findet, das reicht. In Dessau wird auf Deutsch gewarnt. Denn nur Deutsch ist amtlich.

Touristen aus aller Welt: Reck zuckt die Schultern

Unzureichend findet Stadtrat Frank Brozowski (Freies-Bürger-Forum) die Warnungen vor der Jagd aufs Schwarzwild und dem entsprechendem Gebrauch von Schusswaffen in Georgium und Georgengarten. Hinweise auf das amtliche Betretungsverbot der Parks könne man leicht übersehen. Besucher*innen, die des Deutschen nicht mächtig sind, würden die Warnungen nicht verstehen.

Also fragte Brozowski im Stadtrat nach. Am 16. Oktober wollte Brozowski von der Verwaltung wissen, warum der Bereich nicht abgesperrt ist und warum nur auf Zetteln und nur auf Deutsch gewarnt werde. Touristen aus aller Welt, die das Welterbe in Dessau bewundern, verstünden ja nicht unbedingt Deutsch. Auch nicht alle Einwohner*innen Dessaus hätten entsprechende Sprachkenntnisse. Kinder sprach Brozowski zwar nicht an, aber auch bei diesen ist eher nicht zu vermuten, dass sie an Bäume gepinnte Zettel beachten geschweige denn verstehen.

Oberbürgermeister Robert Recks Antwort: Schulterzucken. Letztlich ließ er sich doch zu einer Antwort herab: In Deutschland sei Deutsch schließlich Amtssprache, belehrte der Hauptverwaltungsbeamte Reck den Volksvertreter Brozowski. Ergo reichten Warnungen auf Deutsch aus. Applaus erntete der Hauptverwalter von der sehr deutschen Fraktion der AfD (hier im Allgemeinen „die Blaunen“ genannt).

Kaliber 6,5 Millimeter. Mindestens.

Munition für die Wildschweinjagd muss mindesten 6,5 Millimeter im Durchmesser messen, sagt das Bundesjagdgesetz. Für Sturmgewehre, also Kriegswaffen, sind 5,56 Millimeter üblich. Die Jagdpatronen sollen das waidgerechte Erlegen des Wildes sicherstellen, also den schnellen Tod eines getroffenen Stücks.

Nun sind Jäger*innen hierzulande sehr gut ausgebildet und lassen bei der Jagd größte Sorgfalt walten. Unfehlbar sind aber auch Jäger*innen nicht. Wenngleich Jagdunfälle mit Schusswaffen eben wegen der Sorgfalt der Jäger*innen äußerst selten sind, geschehen sie zuweilen doch. Trifft ein Jagdgeschoss einen Menschen, ist die Folge niederschmetternd.

Amtssprache wichtiger als Schutz?

Verständliche und vor allem umfassende Warnungen vor jagdlicher Aktivität zumal in für Publikumsverkehr vorgesehenen Bereichen wie Parks und Gärten schützten mithin nicht nur Unbeteiligte, sondern reduzierten auch das Risiko für Jäger*innen, versehentlich auf falsche Ziele anzulegen. Beauftragt die öffentliche Verwaltung die Jagd in entsprechenden Bereichen selbst, erscheint es geradezu selbstverständlich, dass die Verwaltung möglichst hohe Sicherheitsvorkehrungen trifft. Diese Sicherheitsvorkehrungen müssen verständlich und für die Allgemeinheit zugänglich sein – und das nicht erst kurz vor dem Gefahrenbereich.

Robert Reck findet DIN-A-4-Zettel an Bäumen offenbar ausreichend. Reck findet, dass sich Welterbebesucher*innen gefälligst der (Welt-?)Amtssprache Deutsch befleissigen müssen, um Gefahren für ihr irdisches Leben in Dessau zu erkennen. Reck findet ausweislich seiner Aussage im Stadtrat, ergänzende Berichterstattung der lokalen Presse reiche aus, um die Bevölkerung umfassend über die Gefahr zu informieren.

Zettel und Stempel statt Kommunikation

Berichtet hat die lokale Presse allerdings eher kritisch: Die örtliche Zeitung fragte, ob „20 Zettel“ ausreichend seien „als Warnung vor nächtlicher Wildschwein-Jagd„. Auf den entsprechenden Zetteln ist von Jagd nur im Kleingedruckten zu lesen. Als amtliche Kennzeichnung dient ein kaum entzifferbarer Stempelaufdruck mit unleserlicher handschriftlicher Signatur. „Eine anderweitig offizielle Information seitens der Stadt gab es nicht“, stellt die Zeitung lakonisch fest.

Tatsächlich: Weder auf der offiziellen Website der Stadtverwaltung noch auf der facebook-Seite der Stadt sind irgendwelche Informationen zur Jagd in Dessaus Welterbe zu finden. Das ist nicht weltoffen, das ist provinziell. Und Robert Reck verwaltet das Ganze.


Credits: Grafik „Wildschwein“ – http://www.freepik.com – Designed by dgim-studio / Freepik

Teure Toiletten, heiliges Deutsch, königliche Linke, entspannte CDU

Pro DeRo fürs Klo, Blaune nicht bibelfest

Allerhöchste Zeit, Fraktionsbeiträge im Amtsblatt der letzten Monate 2023 zu würdigen. Grund für die Verspätung: Der bisherige Allein-Autor und Betreiber dieses Blogs muss zuweilen auch mal die Euros verdienen, die allmonatlich an Kosten für diese Website anfallen. Mitautorinnen und -autoren sowie Redakteurinnen und Redakteure sind herzlich willkommen mitzuarbeiten – kostenlos 😉

Nun, im nachgeholten Jahresabschluss 2023 blicken wir auf öffentliche Klos, verdrehte Bürgergeld-Zahlen und die sehr ausführliche Gender-Debatte.

Oktober: Klo-Fantasie, Sprach-Geschichte,

Aufs teure Klo

Vier Köpfe stark ist die Fraktion Pro Dessau-Roßlau. Da sollte man kreatives Potenzial vermuten. Im Oktober beschränkt sich die Kreativität darauf, mehr öffentliche Toiletten in Nähe der Sehenswürdigkeiten der Stadt zu errichten. Und derer – also der Sehenswürdigkeiten – gibt es bekanntlich einige in Dessau-Roßlau. Bewusst sei sich die Fraktion, dass so ein Klo kostet. Sowohl die Errichtung wie auch der Betrieb. Aber, so geben sich die vier zuversichtlich, dafür werde man schon Lösungen finden.

Ortswechsel: Wir blicken nach Saalfeld. Die Thüringer Kreisstadt hat laut ZEIT-online im Jahr 2021 schlanke 30.400 Euro nur für den Betrieb ihrer einzigen öffentlichen Toilette ausgegeben. Überschlagen und unter Berücksichtigung der allgemeinen Teuerungsrate fielen in Dessau-Roßlau für drei öffentliche Klos jährlich weit mehr als 100.000 Euro an. Man darf gespannt sein, welche Lösungen sich das kreative Quartett zur Deckung eines solchen Postens in kommunalen Haushalt ausdenkt.

Gendern: Unwichtig.

Für die Blaune Fraktion (zur Erinnerung: das ist die Fraktion jener Partei, deren Plakate in Blau erstrahlen, deren Denken aber ausweislich jüngster Einstufung des Landesamtes für Verfassungsschutz stark von einer Farbe dominiert ist, die Mensch nach Besuch eines Klos oft in demselben findet) steht das Gendern ganz oben auf der Agenda. Sie bemüht dazu das Ergebnis einer Umfrage des MDR. Die Blaunen wörtlich: „Für 84% ist diese Gender-Debatte unwichtig!“ Ach so. Die Leute interessieren sich gar nicht für das Thema. Nichtsdestoweniger müsse auch bei der Stadtverwaltung dringend „zur deutschen Muttersprache zurückgekehrt werden“.

Dass solche verschwurbelten Passiv-Konstruktionen die Erfinder des Deutschen Wörterbuchs, die Gebrüder Grimm, mutmaßlich im Grabe rotieren lassen, schert die selbst ernannten Sprachbewahrer wenig. Davon abgesehen: Jacob Grimm befürwortete die durchgehende Kleinschreibung wie im Englischen. Das sollte die deutsche Sprache vereinfachen. Durchgesetzt hat sich diese Schreibweise nie. Wohl aber hat sich das Deutsche seit Generationen weiterentwickelt. Nicht zuletzt in der sogenannten DDR.

Wie die Alten sungen, schreiben keine Jungen

Wörtlich fordern die Blaunen: „Die Kinder und Schüler sollen die deutsche Sprache so erlernen, wie es schon deren Eltern und Großeltern lernten.“ Tja, dann müsste mindestens in den östlichen Bundesländern das „Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache“ (WdG) in die Lehrpläne aufgenommen werden. An dem orientierten sich nämlich die Lehrpläne im real existierenden Sozialismus. Ulbricht, Honecker und Co. wollten damit die „sprachlichen Divergenzen zwischen der DDR und der BRD“ (Vorbemerkung zu Band 4 des WdG) festschreiben. Im DDR-Sozialismus sollte eine andere Variante des Deutschen gelten als im feindlichen Westen.

Übrigens hatten sich auch die Nazis bemüht, neue Begriffe und sprachliche Bedeutungen im Deutschen zu etablieren. Mit ganz ähnlichem Ziel: Hass und Abwertung anderer sollten sich in der Alltagssprache widerspiegeln. Vor diesem Hintergrund wohnt der vehementen Ablehnung des Genderns, das möglichst viele einbeziehen soll, anstatt divers orientierte Menschen auszuschließen, im Falle der Blaunen schon wieder eine gewisse Logik inne.

Wundersame Prozentvermehrung

Im selben Beitrag geht den Blaunen in Gestalt des Autors ihres Oktober-Beitrages, dem blaunbärigen Fraktionsvorsitzenden (siehe: „Käpt’n Blaunbär am Nordpol“) wohl auf, dass es wenig sinnreich ist, über Dinge zu schimpfen, für die sich die meisten gar nicht interessieren. Also besinnt sich der Mann auf das Thema Flüchtlinge und garniert es mit Zahlen zum Bürgergeld. Credo: Flüchtlinge – vor allem jene aus der Ukraine – leben alle „vom deutschen Steuerzahler“. Unterlegt ist das Ganze mit Zahlen. Die haben wenig mit Dessau-Roßlau zu tun, sollen aber die Situation in Deutschland widerspiegeln. Nehmen wir den Zahlensalat auseinander:

Käpt’n Blaunbär behauptet zum „Stand der Bürgergeld-Empfänger in Deutschland (März 2023)“, unter den Bezieher*innen dieser Sozialleistung seien „16,2% Türken, 41,7% Iraker, 47,1% Afghanen, 55,1% Syrer, 65,6% Ukrainer“ und nur „5,3% Deutsche“. Blaunbär ist weder in der Lage, durch die deutsche Sprache zu navigieren, noch beherrscht er Prozentrechnung. Die Summe aller Angaben ergibt nämlich sagenhafte 231 Prozent. Fünftklässler wissen, dass man von 100 Prozent Gesamtsumme auch nur 100 Prozent ausgeben kann. Wie ist diese wundersame Geld- respektive Prozentvermehrung zustande gekommen?

Lösung: Es sind nicht 131 Prozent zu viel, sondern drei Buchstaben zu wenig. Es fehlt das Wörtchen „der“. 16,2 Prozent der Türkinnen und Türken, 41,1 Prozent der Iraker*innen, 47,1 Prozent der Afghaninnen und Afghanen, 55,1 Prozent der Syrer*innen, 65,6 Prozent der Ukrainer*innen in Deutschland und 5,3 Prozent der Deutschen beziehen in Deutschland Bürgergeld. Anders herum ausgedrückt: Knapp 53 Prozent der Gesamtausgaben für Bürgergeld gehen an deutsche Staatsangehörige. Der Anteil der Ukrainer*innen liegt bei knapp 13 Prozent. Gut sieben Prozent der Ausgaben fließen an Menschen aus dem Europäischen Wirtschaftsraum und der Schweiz. Am Rande: Mehr als ein Drittel der Schutzsuchenden aus der Ukraine schlägt sich hierzulande komplett ohne irgendwelche Leistungen des deutschen Staates durch. Das lassen wir mal so stehen.

November: heilige Sprache, königliche Sprache

Käpt’n Blaunbär und die Heiligkeit

Im November-Amtsblatt erklärt der örtliche Blaunen-Hohepriester die deutsche Sprache zum unantastbaren Heiligtum (Zitat: „In Deutschland wird Deutsch gesprochen. Unsere deutsche Sprache muss uns heilig bleiben!“) und begründet damit die Ablehnung jedweder sprachlichen Entwicklung. Machen wir die Probe auf Exempel:

„SO haben wirs auch / on allen Geitz / nutz vnd genies (das können wir rhümen in Christo) trewlich vnd reichlich / allen Christen dar gethan vnd mitgeteilet. Vnd was wir darüber gelidden / gethan / vnd dran gewand / das sol niemand erkennen / denn des die Gaben sind / vnd der durch vns vnwirdige / elende /arme Werckgezeug solchs gewirckt hat. Dem sey allein die Ehre / Lob vnd Danck in ewigkeit / AMEN.“

Das ist Martin Luthers Originaldeutsch. Die Zeilen stammen aus der Warnung Luthers an die Drucker seiner Bibelübersetzung, sie, die Drucker, dürften den Verkauf des Werks nicht zur Bereicherung nutzen. Die Bibelübersetzung des Reformators gilt als Grundlage, auf der sich überhaupt erst eine deutsche Einheitssprache herausgebildet hat. Offenbar war und ist diese einheitliche Sprache des Deutschen nicht statisch. Luthers Deutsch verstünde heute kaum jemand – am allerwenigsten wohl besagter Hohepriester.

Königliche Linke

Witzige Fußnote: Ausgerechnet Die Linke spricht in ihrer länglichen November-Abhandlung über die Entwicklung der Gehälter am Anhaltischen Theater – an dem Deutsch als Kulturgut gepflegt wird – vom „Salaire“ (französisch für „Lohn / Gehalt“) der Beschäftigten.

Begibt sich der Fraktionsvorsitzende als Autor des entsprechenden Beitrages nun auf die Spuren Friedrichs des Großen (König in respektive von Preußen)? Der Alte Fritz sprach besser und lieber Französisch als Deutsch. Als Sozialist war der Aristokrat indes nicht bekannt. Vielleicht sollte der Wortgebrauch aber auch nur ein Hinweis an die Blaunen sein. Immerhin gaben sehr rechte Vertreter den Alten Fritz als angeblichen politischen Ahnen ihres „Föhrers“ aus und ignorierten dessen kulturelle und politischen Vorlieben ebenso wie die heutigen Blaunen jegliche Kenntnis kultureller Sprachentwicklung vermissen lassen.

Dezember: Clownesk bis gelassen

Freie Gender-Clowneske

Gelegentliche helle Momente kann man Hans-Peter Dreibrodt nicht absprechen. Der vehemente Appell des Vorsitzenden der Freien Fraktion an Oberbürgermeister Robert Reck, in Sachen Regenbogenschule, den Willen des Stadtrates zu beherzigen war so eine Gelegenheit. In geradezu flammenden – wenn auch leicht leiernd vorgetragenen – Worten wehrte sich Dreibrodt gegen des OBs Ansinnen, den Standort der neuen Schule par ordre de mufti gegen den Rat durchzusetzen.

Zugegeben, die Aussage Dreibrodts, der Stadtrat sei der Dienstherr des OBs war schief, weil dem nicht so ist; Dienstherr ist die Gemeinde als Verwaltungseinheit, der Stadtrat als politische Vertretung der Bürger*innen ist ein konstituierendes Element dieser Einheit. Nichtsdestoweniger verdeutlichte die Formulierung die Kritik und ist insofern ein zulässiger rhetorischer Kunstgriff.

Weniger künstlerisch als vielmehr brachial ignorant muten hingegen Dreibrodts Verdrehungen in Sachen Gendern an. Er führt „Angestellte*innen“ und „Beamte*innen“ an, „um beispielhaft zu verdeutlichen, „wie schrecklich sich der Gender-Wahnsinn (…) auf unsere deutsche Sprache auswirkt“. Das ist doppelt dämlich, weil im Sinne korrekten Genderns doppelt verkehrt. Zwischen der Angestellten (Femininum) und dem Angestellten (Maskulinum) gibt es keinen grammatischen Unterschied. Ergo kann das Wort im Singular ebenso wenig gegendert werden wie im Plural (die Angestellten).

Im Falle der Beamtinnen und Beamten ist die Gender-Schreibweise Beamt*in nicht korrekt, weil die maskuline Wortendung (Beamter) nicht im femininen Wort (Beamtin) enthalten ist. Das Gendersternchen kann nur gesetzt werden, wenn das Wort respektive der Wortteil vor dem Sternchen einem korrekten Begriff entspricht. Würde durch das Gendern mit Sternchen eine Wortendung entfallen, wäre das Sternchen falsch gesetzt. Student*in ist also korrekt, Kolleg*in ist falsch, weil Kolleg kein vollständiges Wort ist.

Der langen Schreibe kurzer Sinn: Wenn man sich schon übers Gendern aufregen will, sollte man wenigsten wissen, worüber man sich aufregt. Ansonsten wird Kritik zur Komik – und der Kritiker angesichts seiner Unkenntnis zum Clown.

CDU: Gelassen mit Luther

Wie wohltuend gelassen kommt hingegen die CDU beim Thema Gendern daher: „Es wird sich das durchsetzen, was viele Menschen als angemessen und praktikabel erachten“, stellt Stadtrat Mike Jüling pragmatisch fest. Sein Verweis auf Artikel 5 Grundgesetz (Freiheit des Wortes – freie Meinungsäußerung) ist allerdings in diesem Zusammenhang Blödsinn. Wäre diese Norm einschlägig, könnte man gegen jedwedes Gender-Verbot vor dem Verfassungsgericht klagen. Die Richter*innen würden sich schief lachen angesichts einer entsprechenden Klageschrift.

Zustimmung würde CDU-Mann Jülich hingegen vom Rat für deutsche Rechtschreibung ernten. Der sieht seine Aufgabe nämlich nicht darin, Bürgerinnen und Bürgern hinsichtlich ihres Sprachgebrauchs zu bevormunden, sondern will das „Regelwerk“ anpassen „an den allgemeinen Wandel der Sprache“ (Statut des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 17.06.2005 in der Fassung vom 30.03.2015).

Im Dezember 2023 lässt der Rat per Pressemitteilung verlauten: „Der Rat für deutsche Rechtschreibung wird die weitere Schreibentwicklung beobachten, denn geschlechtergerechte Schreibung ist aufgrund des gesellschaftlichen Wandels und der Schreibentwicklung noch im Fluss.“ Um mit Luther zu sprechen: Der Rechtschreibrat schaut dem Volk aufs Maul. Und die CDU tut es auch. Nicht die verkehrteste Vorgehensweise für eine Volkspartei.

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Deshalb sucht DeRoPolis Menschen, die mitmachen möchten. Menschen, die sich trauen, sich auch mit vermeintlich Mächtigen, mit Wortführern und so genannter Obrigkeit ein bisschen anzulegen. Sachlich, ironisch, satirisch – und immer mit einem Quentchen notwendiger Distanz.

Manche Leute braucht man nicht zu parodieren. Es genügt, dass man sie zitiert.

Robert Neumann

Wie unabhängig soll’s denn sein?

Was ist gemeint mit (partei-)politisch unabhängig? Kurz: Kritische Distanz zu Meinungen und Positionen gepaart mit dem Ehrgeiz, dieselben im ersten Anlauf gegen den sprichwörtlichen Strich zu bürsten. Was für Texte und Inhalte aus solcher Betrachtung dann entstehen, steht erst einmal auf einem anderen Blatt. Mit anderen Worten: Es soll nicht zwingend alles in Bausch und Bogen allein um der Kritik willen kritisiert werden.

Aber jedwede Zu- oder Übereinstimmung mit Positionen und Behauptungen, wie sie zum Beispiel auf den Fraktionsseiten des Amtsblattes der Stadt Dessau-Roßlau zu finden sind, sollte einer kritischen Prüfung entspringen. Eine ebensolche muss Grundlage jeder Kritik und jedes Verisses sein – und entsprechend dokumentiert werden. Dazu gehört, behauptete Tatsachen sowohl auf ihren Wahrheitsgehalt wie auch auf den jeweiligen sachlichen Zusammenhang zu prüfen. Es kann ja sein, dass Projekt x sehr teuer ist. Wenn die Alternative y aber noch kostspieliger wäre, muss das im in Interesse der Leser*innen dargelagt werden.

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EILMELDUNG: Reck zieht Widerspruch zurück

Der Hauptverwaltungsbeamte der Stadt Dessau-Roßlau, Robert Reck, zieht seinen Widerspruch gegen den Neubau der Regenbogenschule an der Bernburger Straße zurück.

In der heutigen Sitzung des Hauptauschusses hat OB Reck bekannt gegeben, dass er seinen Widerspruch gegen den Neubau der Regenbogenschule an der Bernburger Straße im Quartier Leipziger Tor zurückzieht. Reck dringt weiterhin auf Sparsamkeit beim Bauvorhaben und gibt Bedenken hinsichtlich der Raumplanung zu Protokoll.

Verzeihung: In der ersten Version der Meldung (von unterwegs schnell ins Tablet getippt) war die Rede von der Breite Straße. Das war natürlich Käse. Korrekt ist die Bernburger Straße.

Kaputtsparen? Ausverkaufen? Vereinfachen!

Haushaltssperre verschärft Überlastung – Stadtrat beschließt zu viele Ausgaben

Scharfe Kritik an Haushaltssperre und Ausgabenpolitik des Stadtrates äußerten im Finanzausschuss Jacqueline Lohde und Bastian George. Mehr Eigenverantwortung und einfachere Verwaltungswege, forderte die Bürgermeisterin. Schon jetzt blieben geplante Investitionen liegen, weil die Mitarbeiter*innen der Verwaltung überlastet seien. Die Haushaltssperre verursache nun noch mehr bürokratischen Aufwand. Grünen-Stadtrat Bastian George warnte vor einem „Ausverkauf der Stadt“ und kritisierte teure Beschlussvorlagen der LINKEN.

Freie Stellen als Einsparpotenzial

Um den städtischen Haushalt zu konsolidieren, sei es erforderlich, „die Wiederbesetzung von Stellen wieder stärker als ein Instrument zur Konsolidierung durch Verschlankung von Strukturen und Verbesserung von Prozessabläufen und damit auch zur Personalreduzierung einzusetzen“, referierte Elke Wirth, Leiterin des Amtes für Stadtfinanzen in bestem Bürokratendeutsch. Übersetzt: Um Geld zu sparen, sollen derzeit in der Stadtverwaltung ausgeschriebene Stellen nicht besetzt werden. Dass der Haushalt derzeit noch relativ ausgeglichen wirke, liege daran, dass Arbeitsplätze in der Stadtverwaltung nicht besetzt sind. Entsprechend spare die Stadt Personalkosten. Nicht vorhandene Mitarbeiter*innen kosten nichts. Weil die entsprechenden Gehälter allerdings im Haushalt eingeplant sind, tatsächlich aber nicht gezahlt werden, ergibt sich buchungstechnisch eine Einsparung.

Investitionshemmnis Überlastung

Weil allein im Tiefbauamt 24 Mitarbeiter*innen fehlten, könne die Stadt schon heute geplante investive Maßnahmen nicht umsetzen, konterte Jaqueline Lohde. Als Baubeigeordnete verantwortet sie Bauprojekte, zu denen auch der Straßenbau zählt. Solche Investitionen in Sachanlagen werden im Haushalt auf der Haben-Seite, also unter den Aktiva einer Bilanz verbucht und zählen zum Vermögen. Je vermögender eine Kommune ist, desto mehr Ausgaben kann sie sich leisten. Kann eine Kommune keine Vermögenswerte schaffen, vermindert das tendenziell ihre Handlungsfähigkeit. Denn auf der Passiva-Seite verzeichnete Ausgaben beispielsweise für Personal in Jugendclubs müssen von den Aktiva ausbalanciert werden.

Zukunftsinvestition Jugendarbeit

Politisch bewertete Bastian George, Stadtrat der GRÜNEN in der „Bunten“ Fraktion, diese Feststellung: „Einsparungen bei Stellenbesetzungen bedeuten den Ausverkauf der Stadt!“ Die schon jetzt überlastete Verwaltung stehe vor der „Arbeitsunfähigkeit“. Er warnte vor Folgen für die Jugendarbeit. Angesichts von Überalterung und Einwohnerrückgang seien Ausgaben im Bereich der Jugendhilfe Investitionen in die Zukunft. In diesem Bereich dürfe nicht gekürzt werden. Hintergrund: Manche städtischen Jugendclubs bieten nur sehr begrenzte Öffnungszeiten an. Grund ist meist Personalmangel.

Zu viele teure Beschlüsse

George forderte klare Schwerpunktsetzungen in der Haushalts- und Ausgabenpolitik und kritisierte: „Der Stadtrat beschließt seit Monaten nur Ausgaben.“ Entsprechende Beschlussvorlagen lege vor allem „eine bestimmte Fraktion“ vor. Angesprochen fühlte sich Heidemarie Ehlert. Zu entsprechenden Vorlagen habe sie stets Finanzierungsvorschläge vorgelegt, ereiferte sich die Stadträtin der LINKEN und erntete aus dem Plenum die ironische Anmerkung, ihre Vorschläge beinhalteten meist Prüfaufträge an die Verwaltung. Die entsprechenden Mitarbeiter*innen müssen solche Vorschläge gegenrechnen und bewerten. Ergebnis: zusätzliche Arbeitsbelastung durch Prüfungen von Ausgaben.

Komplex denken

Auf das Bauressort sei ihre Anmerkung zum Sparen mittels Nichtbesetzung von Stellen gar nicht gemünzt gewesen, erläuterte hingegen Stadtfinanz-Chefin Würth. Man könne mit diesem Einsparpotenzial kreativ umgehen, hieß es sinngemäß von ihrer Seite. CDU-Mann Frank Rumpf befand denn auch, „wir müssen komplex denken“. Wie solcherlei Komplexität in konkretes Handeln umgesetzt werden kann, sagte er nicht.

Mehr Bürokratie wegen Sperre

Konkrete Folgen der Haushaltssperre benannte hingegen Baudezernentin Lohde. Ihre Mitarbeiter*innen müssten nun neben ihrer eigentlichen Arbeit zusätzliche Verwaltungsarbeit leisten. Für jede einzelne im Haushalt bereits vorgesehene Maßnahme müssten diese nun je eine Genehmigung beantragen. Folge: „Zusätzliche Arbeitsbelastung für jetzt schon überlastetes Personal!“ Übersetzt: Wegen letztlich unproduktiver Verwaltungsarbeit und Überregulierung bleiben noch mehr Investitionen liegen.

Vereinfachen statt regulieren

Lohdes Schlussfolgerung: Sparen durch Vereinfachung. „Die wenigen vorhandenen Leute müssen mehr Handlungsspielraum haben!“ Das gelte sowohl für die Arbeit des Tiefbauamtes als auch für die dringend notwendige Einstellungen auf unbesetzte Stellen: „Die Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren dauern ewig! In dieser Zeit rennen uns gut qualifizierte Bewerber davon“, lautete ihre trockene Feststellung. „Wir schieben hier Dinge hin und her und kriegen dabei eine Haushaltssperre.“ Den städtischen Angestellten erkläre dieses Hin und Her indessen niemand. Offenbar spielte sie damit auf die mangelnde Kommunikation der Sperre seitens des Oberbürgermeisters an.

Warnung vor WhatsApp

In die Kommunikations-Kerbe hieb auch Bastian George. „Unseriös“ sei die Bekanntgabe der Sperre per WhatsApp gewesen. OB Robert Reck hatte sich im Stadtrat damit gerechtfertigt, dass er einzelne Stadträte und Verwaltungsmitarbeiter mittels der Handy-App informiert habe. WhatsApp steht nicht zuletzt wegen mangelnden Datenschutzes in der Kritik. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hatte schon im April 2020 vor der Verwendung der App in Bundesbehörden gewarnt.

Vorerst geheim: Klinikum

Gar nicht öffentlich kommunizieren wollte hingegen Elke Wirth zur Frage des Ausgleichs eines drohenden Defizits des städtischen Klinikums aus dem Stadthaushalt. Zwar insistierte der Grüne George darauf, zumindest Prozentzahlen zu nennen, „weil die Öffentlichkeit ein Recht auf diese Information hat“. Wirth jedoch bestand auf Beratung der Angelegenheit im nichtöffentlichen Teil der Sitzung und vertröstete auf die Stadtratssitzung im November. Dann würden Zahlen genannt. Die werden wohl nicht sonderlich ersprießlich ausfallen. Das jedenfalls lässt ihre Anregung vermuten, die Dessau-Roßlauer Landtagsabgeordneten mögen die Landesregierung dahingehend „sensibilisieren“, dass das Land einen Deckungsbeitrag zum städtischen Klinikum leisten solle. Von der SPD, die mit Holger Hövelmann einen Landtagsabgeordneten stellt, war niemand während der Sitzung anwesend.

Heftige Rüffel für Robert Reck: Stadtrat zu Regenbogenschule und Haushaltssperre

Kernproblem: Kommunikation

Freie und SPD-Fraktion in rhetorischer Hochform, „Bunte“-Stadträt*innen auf der Zinne, die Linke laviert und die CDU glänzt vor allem mit Zurückhaltung. Turbulent verlief die Stadtratssitzung am Mittwoch, 21. September 2023. Hauptthemen: Regenbogenschule und Haushaltssperre. Kernproblem: Die undurchsichtige Kommunikation der Verwaltungsspitze.

Recks Schuljungen-Attitüde

Robert Recks Attitüde erinnerte an die eines trotzigen Schuljungen. Allein seine „Ansicht“, Teile eines Beschlusses des Stadtrates seien rechtswidrig, reiche aus für einen Widerspruch, ließ der Oberbürgermeister wissen. Die vom OB selbst initiierte Machbarkeitsstudie zum Standort der Regenbogenschule tauge nicht als Entscheidungsgrundlage zu einem Standort. In der Luft zerrissen hatte zuvor Hans-Peter Dreibrodt den Widerspruch des OB gegen den vom Rat beschlossenen Standort Bernburger Straße. „Schwer unter der Gürtellinie“ sei Recks Versuch, die Lösung des seit Jahren vor sich hin dämmernden Problems weiter zu verzögern.

Dreibrodt: „Dubiose Varianten“

Sie zaubern ständig weitere dubiose Varianten aus dem Hut“, wetterte der Vorsitzende der Freien Fraktion. „Unerhört und abwegig“ sei zuletzt die „dubiose Variante“ Gropius-Gymnasium gewesen, nahm Dreibrodt rhetorisch Fahrt auf und belehrte Reck über die demokratische Rangordnung: Nicht der Oberbürgermeister sei dem Stadtrat vorgesetzt, sondern „wir sind Ihr Dienstherr“. Reck möge seinen Widerspruch „in der Schublade verschwinden lassen“. Dieser zeige nur, wie wenig Ahnung der Hauptverwaltungsbeamte von Anforderungen an eine Behindertenschule habe. Recks Gesichtsausdruck variierte zwischen angesäuert und belämmert.

Fricke: „Behinderte Kinder gehen nicht shoppen“

Genüsslich zerlegte nach diesem Auftakt SPD-Fraktionsvorsitzender Michael Fricke die rechtliche Begründung des Oberbürgermeisters für seinen Widerspruch gegen den Beschluss zur Bernburger Straße. Nicht ohne zuvor Recks politische Begründung für den bisherigen Standort der Schule in der Nordstadt einzuordnen. Recks Ansinnen, mit dem Erhalt des bisherigen Schulstandorts die Innenstadt zu beleben, charakterisierte Fricke als Farce: „Behinderte Kinder gehen nicht in der Innenstadt shoppen.

Die für den Fall des Erhaltes des Schulstandortes in der Nordstadt notwendige Interimsunterbringung der Schulräume für zwei bis drei Jahre in improvisierten Räumen betrachte Reck wohl nur als eine Phase, mutmaßte der SPD-Mann. „Für Kinder ist das aber eine ziemlich lange Zeit.“ Reck hatte bei seinen Vorschlägen eine solche Zwischenunterbringung ebenso als quasi technisches Problem dargestellt wie die in seinen Augen zu großzügig bemessenen Klassenräume der bisherigen Planungen.

Laut Fricke haben erneute Prüfungen eines Architektenbüros die Notwendigkeit der bislang vorgesehenen Raumgrößen bestätigt. Wie DeRoPolis berichtete, fußten die geplanten Raumgrößen auf Vorgaben der Schulleitung und waren laut vorliegender Machbarkeitsstudie vom Landesschulamt abgesegnet worden. Der OB möge dies und den „gut begründeten Beschluss des Stadtrates“ akzeptieren, anstatt nicht haltbare rechtliche Vorbehalte vorzuschieben. Dann legte der Jurist – Fricke ist Rechtsanwalt – los:

Ermessensspielraum der Stadt

Der von Reck für seinen Widerspruch bemühte Paragraf 11 Absatz 2 der Kommunalen Haushaltsverordnung sei auf Standortentscheidungen für Bauvorhaben überhaupt nicht anwendbar, referierte der SPD-Fraktionsvorsitzende. Der Paragraf schreibt für „Investitionen und Instandsetzungen“ vor, dass ein „Wirtschaftlichkeitsvergleich“ stattfinden muss. Gleiches gelte für Paragraf 98 des Kommunalverfassungsgesetzes; diese Norm definiert „Allgemeine Haushaltsgrundsätze“ gemäß denen „Sparsamkeit“ geboten ist. Beide Regelungen beziehen sich laut Fricke auf Wirtschaftlichkeitsaspekte und seien Standortentscheidungen nachgeordnet. Sprich: Erst nach der Festlegung des Standortes erfolge die Bewertung der Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens.

Grundsätzlich habe die Kommune also „weiten Ermessensspielraum“, bevor die Kommunalaufsicht überhaupt zum Zuge komme, argumentierte der Jurist von der SPD. Diverse Urteile von Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten bestätigten diese Sicht. Die „feststehende Rechtsprechung“ eröffne den Kommunen weiten politischen Spielraum. Diesen wolle der Stadtrat nicht zuletzt dafür nutzen, mit dem Standort Bernburger Straße die Entwicklung des Quartiers Leipziger Straße voran zu bringen.

Bernburger kostenneutral

Da zudem das Baudezernat die Option Bernburger Straße als günstigste Variante ausgewiesen habe und positive Effekte hinsichtlich der Quartierentwicklung berücksichtigt werden müssten, bewerte die SPD die Bernburger Straße als Option, das Quartier weitestgehend kostenneutral zu entwickeln. Beiseite wischte Fricke den Verweis auf die über die Lebenszeit eines Objekts gerechneten Folgekosten; eine solche Betrachtung hätte fast alle Bauvorhaben der Vergangenheit blockiert. Fazit der SPD: Der Beschluss Bernburger Straße sei „rechtlich möglich und politisch geboten“.

Für Ralf Schönemann von der LINKEN und CDU-Mann Eiko Adamek blieben nach diesen Vorträgen nur noch Statistenrollen: Ersterer sah Kompromissmöglichkeiten verspielt, Adamek verwies auf die seit Jahren bestehende Notwendigkeit einer Lösung. Beide sprachen sich im Namen ihrer Fraktionen für die Bernburger Straße aus.

„Überlegung“ zu Gropius-Gymnasium

So kam die Reihe der Redner an OB Robert Reck. Seinem in einen ziemlich tiefen politischen Brunnen gefallenen Widerspruch wollte er wohl einen Rettungsring hinterherwerfen – allein: derselbe entpuppte sich als reichlich luftleer. Sein von Dreibrodt kritisierter Vorschlag Gropius-Gymnasium sei gar kein solcher gewesen, haspelte Reck los. Es habe sich lediglich um eine „Überlegung“ gehandelt. Dieselbe als Vorschlag zu werten, sei „unredlich“, fühlte er sich missverstanden.

Der Standort Bernburger Straße sei nach seiner Berechnung der teuerste, führte Reck anhand zahlreicher und nicht immer leicht durchschaubarer Zahlenreihen aus. Quintessenz: Schulbauten anderer Kommunen seien kostengünstiger. Dass die Kosten für die von Reck zum Vergleich angeführte Panke Schule in Berlin bei kleinerem Flächenbedarf letztlich höher waren, als für einen Neubau an der Bernburger Straße veranschlagt (DeRoPolis berichtete), war ihm wohl ebenso entgangen wie die Tatsache, dass weder dort noch an der ebenfalls angeführten Albert-Schweitzer-Schule in Schwerin Schüler*innen in speziellen Betten liegend unterrichtet werden (die Schweriner Schule errichtet an der dortigen Adresse „Müßer Berg“ einen Neubau).

Irrelevante Studie?

Unbeholfen wirkten Recks Bemühungen, die vorliegende Machbarkeitsstudie als irrelevant für die Entscheidungsfindung darzustellen. Die Studie habe die Bernburger Straße betrachtet, obwohl dieser Standort überhaupt nie zur Diskussion gestanden habe. Schon im April habe er, Reck, verlauten lassen, die Studie sei als Beschlussgrundlage nicht geeignet. Die enthaltenen Kostenbetrachtungen seien unvollständig. Er habe schon damals um mehr Bedenkzeit gebeten.

Grabner: „In Aktion kommen!“

Was Reck mit seinen Ausführungen eigentlich erreichen wollte, blieb im Ungefähren. Irgendwie schien sich der Hauptverwaltungsbeamte von dem unter seiner Ägide beauftragten und erarbeiteten Papier distanzieren zu wollen. Womit er Isolde Grabner auf die sprichwörtliche Zinne jagte. „Sie zerrupfen ihre eigene Machbarkeitsstudie“, schimpfte die Stadträtin, die für Neues Forum-Bürgerliste der „Bunten“ Fraktion angehört. Reck müsse die Studie doch zig Mal auf dem Schreibtisch gehabt haben. Anstatt nun so zu tun, als habe er von nichts gewusst, möge er „dem Beschluss des Stadtrates Folge leisten und in Aktion kommen“.

Recks nunmehr endgültig weinerlich anmutende Erwiderung: Grabner könne gar nicht wissen, wann und wie oft er die Studie auf dem Schreibtisch gehabt habe. Dort lägen ja nun noch viel mehr Vorgänge. Schließlich sei er Oberbürgermeister einer 80.000- Einwohner-Stadt und habe als solcher noch andere Dinge zu tun.

Schönemann: „Lieber selber machen“

Linken-Fraktionschef Ralf Schönemann gab zwischendurch eine Verschwörungstheorie zum Besten. Auswärtige Architekturbüros, von denen Leistungen wie Machbarkeitsstudien eingekauft werden, seien ja oft mit ortsfremden Bauunternehmen verbandelt. Man müsse sich also nicht wundern, wenn der Auftrag zum Bau der neuen Schule nicht in Dessau-Roßlau bleibe.

Die Verwaltung solle entsprechende Gutachten lieber selbst erstellen und sich dafür mehr Zeit nehmen, forderte Schönemann. Diese Möglichkeit sei nun nicht mehr gegeben lavierte er herum, um schließlich das Ja der Linken zur Bernburger Straße zu verkünden. Die chronische Unterbesetzung des Bauressorts mit Ingenieuren dürfte dem Linken ebenso geläufig sein wie die bislang in dieser Angelegenheit ungenutzt verstrichenen Jahre. Schönemanns Recycling-Unternehmen verdient nicht zuletzt mit Bauschuttentsorgung.

Der Stadtrat hat seinen Beschluss, die neue Regenbogenschule an der Bernburger Straße anzusiedeln, mit großer Mehrheit erneuert.

Haushaltssperre laut Empfehlung

Vor dieser denkwürdigen Auseinandersetzung für erhitzte Gemüter gesorgt hatte das Aufreger-Thema Haushaltssperre. Gleich zu Beginn der Sitzung hatte Hauptverwaltungsbeamter Reck seine Gründe für die Verhängung der Sperre angeführt. Zusammengefasst: Er ist der entsprechenden Empfehlung der Stadtkämmerei gefolgt. Die habe vor einem Defizit von 25,4 Millionen Euro im laufenden Jahr und 9,4 Millionen Euro Unterdeckung bis 2026 gewarnt. Die späte Bekanntgabe respektive Information des Stadtrates und seiner Ausschüsse sei aufgrund eines Termins in der Staatskanzlei in Magdeburg zustande gekommen. Diesen Termin habe Reck prioritär wahrnehmen müssen. Informell seien aber Mitglieder des Stadtrates informiert gewesen. Dieses Vorgehen sei üblich.

Weber: „Unanständig!“

Henrik Weber, für Neues Forum-Bürgerliste Stadtrat der „Bunten“ Fraktion und ähnlich dem Bundeskanzler derzeit auf einem Auge gehandicapt aber deutlich temperamentvoller unterwegs, schäumte: „Ohne Not und Kommunikation“ habe Reck die Sperre „über Beschlüsse des Stadtrates hinweg“ verhängt. „Unanständig“ lautete sein Urteil. Der Vollzug des Haushaltes sei weit von 25 Millionen Defizit entfernt.

Fricke: „Unzulässig.“

Rechtlich unzulässig.“ In verbindlicherem Tonfall als Weber aber mit gleichermaßen kerniger Aussage ordnete der rechtsgelehrte SPD-Mann Fricke die Haushaltssperre ein und zog das Gesetz zurate. Demnach sei die Sperre unzulässig weil der Haushalt derzeit wie geplant und beschlossen vollzogen werde. Nur ein aktuell nicht ausgeglichener Haushalt hätte eine Sperre gerechtfertigt. Der derzeitige Haushalt bewege sich aber „im hellgrünen Bereich“.

Eine unverhohlene Drohung sandte den Chef der „Bunten“ Fraktion, Guido Fackiner, an die Adresse Recks: Dessen Informationen sowie seine Begründung der Sperre enthielten „ein buntes Gemisch aus Fakten, die teils nicht relevant sind“. Fackiner forderte die zeitnahe Vorlage eines klaren Zahlenwerks. Erfolge das nicht, wolle die Fraktion die Initiative ergreifen, die Haushaltssperre einzuschränken.

Überforderter HVB

Was bleibt ist der Eindruck eines hinsichtlich politischer Transparenz und Kommunikation restlos überforderten Hauptverwaltungsbeamten. Dessen Wurschtelei geht offenbar dem Stadtrat und anscheinend auch Menschen in höheren Positionen der städtischen Verwaltung gehörig auf die Nerven.